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Konferenz von Evian vor 80 Jahren
Keine Hilfe für jüdische Flüchtlinge

Im Juli 1938 fand im französischen Evian eine internationale Flüchtlingskonferenz statt. Zehn Tage lang diskutierten Vertreter von 32 Staaten sowie Delegierte von Dutzenden Nichtregierungsorganisationen, wie man den von den Nazis verfolgten Juden helfen könne. Das Ergebnis war ernüchternd.

Von Otto Langels |
    SA-Männer
    Juden waren im Jahr 1938 in Deutschland massiven Verfolgungen ausgesetzt - 32 Staaten konnten sich dennoch nicht über ein Programm zu deren Aufnahme durchringen. (picture alliance / dpa )
    "Es war ein schreckliches Erlebnis, dort in dem prächtigen Saal zu sitzen und zuzusehen, wie die Delegierten von 32 Ländern sich nacheinander erhoben und erklärten, sie hätten gern eine beträchtliche Zahl von Flüchtlingen aufgenommen, seien jedoch dazu bedauerlicherweise nicht imstande."
    Die spätere israelische Ministerpräsidentin Golda Meir beobachtete als Vertreterin einer jüdisch-palästinensischen Organisation die Konferenz von Evian, die im Juli 1938 in einem Luxushotel auf der französischen Seite des Genfer Sees stattfand. Konkreter Anlass der Tagung war der Einmarsch deutscher Truppen in Österreich vier Monate zuvor und damit das ungewisse Schicksal von rund 170.000 österreichischen Juden. Der Berliner Historiker Wolfgang Benz:
    "Nach der Annektion Österreichs, die man ja gemeinhin den Anschluss nennt, hatten sehr viele österreichische Bürger jüdischer Kultur und jüdischen Glaubens den Drang, dieses Land zu verlassen. Der Druck, Flüchtlinge aus Österreich aufzunehmen, lastete natürlich auf den Nationen der Welt."
    Zu den österreichischen Juden kamen weitere 300.000 meist mittellose Juden hinzu, die noch im Deutschen Reich lebten. Sie litten unter der Diskriminierung und Ausplünderung des NS-Regimes und suchten nach Wegen, dem Nazi-Terror zu entkommen.
    32 Staaten tagten
    Auf Initiative des amerikanischen Präsidenten Franklin D. Roosevelt trafen sich vom 6. bis zum 15. Juli 1938 in dem französischen Kurort Evian die Delegierten von 32 Staaten sowie Vertreter von 39 Hilfsorganisationen, letztere hatten allerdings nur einen Beobachterstatus.
    "Es wurde beraten, wie kann man den Juden helfen, wer nimmt jüdische Flüchtlinge auf? Aber es gab keine Bereitschaft, sie aufzunehmen. Kein Land der Erde, das wurde damals so deutlich demonstriert, ist an verarmten Flüchtlingen interessiert."
    Bereits in der Einladung zur Konferenz war vermerkt worden, dass für die teilnehmenden Staaten keine Verpflichtung entstünde, Flüchtlinge aufzunehmen. Entsprechend verlief das Treffen: Der kanadische Minister für Einwanderung betrachtete die "Judenfrage" als ein Problem allein des NS-Staates. Und die französische Delegation erklärte, ihr Land habe schon genügend Ausländer aufgenommen. Der amerikanische Journalist William L. Shirer war als Berichterstatter in Evian und notierte am 7. Juli:
    "Ich bezweifle, dass viel erreicht wird. Briten, Franzosen und Amerikaner scheinen ängstlich bemüht, nichts zu tun, was Hitler verletzen könnte."
    "So ist die Konferenz von Evian erfolglos zu Ende gegangen. Wie üblich werden Ausschüsse gebildet, Komitees, die sich dann mit der Vertiefung der Frage auch in den folgenden Monaten noch gründlich beschäftigten, aber die Konferenz von Evian hat keinem einzigen jüdischen Flüchtling geholfen."
    Nur Diktator Rafael Trujillo nahm Juden auf
    Mit einer makabren Ausnahme: Ausgerechnet Rafael Trujillo, skrupelloser Diktator der Dominikanischen Republik und Bewunderer Hitlers, bot an, Flüchtlinge aufzunehmen. Diese sollten die rund 20.000 Haitianer ersetzen, die er zuvor hatte ermorden lassen. Schließlich ließ Trujillo 800 Juden ins Land, gegen entsprechende Bezahlung.
    Am Ende überließ die Konferenz von Evian die jüdischen Flüchtlinge sich selbst. Zum Abschluss des Treffens am 15. Juli konnte allerdings noch niemand ahnen, welche tödlichen Konsequenzen der ergebnislose Verlauf haben sollte.
    "Dass Deutschland ein Mordregime war, das war zur Zeit der Evian-Konferenz noch nicht sichtbar. Das hätte man anderen Nationen eher zugetraut, Ausschwitz war jenseits jeder menschlichen Fantasie."
    Solidarität war aber nicht nur in Evian ein Fremdwort. Wenn es heute darum gehe, Menschenleben zu retten, verschließe man lieber die Augen und lasse Afrikaner im Mittelmeer ertrinken, meint der Historiker Wolfgang Benz.
    "Evian war sozusagen ein Vorspiel, war eine noch sehr harmlose Probeaufführung zu dem, was in unseren Tagen angesichts von Flüchtlingsnot und von bedrohten Menschenleben geschieht."