Kaufhaussterben, Ladensterben, Mallsterben, Corona - die Stadtluft, die einst Menschen frei zusammenbrachte, wird dünner. Das Kaufhaus hat als Leuchtturm des Handels ausgespielt, Shopping Malls liegen wie tote Wale im Stadtraum, kleinere Geschäfte sterben reihenweise. Nicht erst seit gestern wird für die Probleme der Innenstädte nach Lösungen gesucht.
Dass es davon viele gibt, zeigte der vom Institut für Stadtbaukunst organisierte Parforce-Ritt durch Planungen und Projekte von vierundzwanig Städten. Ein breites Spektrum: Von Leverkusen, wo man sich praktisch neu erfinden muss, um ein Zentrum mit betonlastigen Großbauten urban zu machen, bis hin zum glücklichen Halle, das am Shoppingmall-Hype irgendwie vorbeikam, das sein verkommenes Gründerzeitviertel Glaucha nach der Wende sanierte, dazu eine bewohnte und geschäftige Innenstadt hat sowie einen großen Gebäudebestand in städtischem bzw. gemeinnützigem Besitz – das gibt einer Gemeinde erheblichen Einfluss im Wohnungsmarkt.
Leere Großgebäude
Viele Schwierigkeiten von heute haben ihre Ursachen in Fehlern von vorgestern, vor allem im Diktat der Trennung von Wohnung, Arbeit und Verkehr, das wiederum die Reaktion auf überfüllte, ungesunde Städte des 19. Jahrhunderts war. So wurden große Institutionen und damit viel soziales Leben ins grüne Draußen verbannt, heute wäre man froh, wenn die Uni auf dem Berg wieder in die Stadt zöge, zum Beispiel in ein leerstehendes Großgebäude.
Aber schon auf kleinerer Flamme lassen sich Lücken im Stadtgefüge füllen. Ein Beispiel gibt der Heidelberger Bürgermeister Jürgen Odszuck: "Und dann haben die so ein bisschen was gemacht. Ein paar Paletten aufgestellt, Container aus denen sie so ein bisschen Bewirtung machen. Das Grünamt hat da so ein paar Kübelpalmen und so ein Zeug hingestellt, bisschen Sand aufgeschüttet und ein paar Sonnenschirme hingestellt. Und mit einem Mal kommen die Leute."
Menschlicher Maßstab
Manche Sünden der Vergangenheit, wie die Abschaffung der Straßenbahn, sind kaum revidierbar. Innerstädtische Hochhaus-Bebauungen kann man immerhin abreißen - oder aber als interessante Herausforderung annehmen, wie in Darmstadt, wo ein solches locker-heterogenes Quartier sich beleben soll durch verdichtende Bebauung, grüne Plätze, verbreiterte Fuß- und Radwege und Gastronomie.
Und auch Halle hat schon eines seiner schützenswerten Neustadt-Hochhäuser saniert, das Ensemble soll dann zur "westlichen Innenstadt" werden, Motto: Zurück zum menschlichen Maßstab. Wie es mit dem menschlichen Maßstab unter Wolkenkratzern aussieht, ist freilich eine eigene Herausforderung.
Soziale Vielfalt, Wohnraum zurückerobern, die Nachkriegsmoderne weiter bauen, angrenzende Stadtteile einbeziehen, mehr Gewerbe zulassen - von den Mantras zeitgemäßer Planung ist die Verkehrswende am weitesten gediehen.
Die Dominanz des Autos ist unwiderruflich obsolet, alles, was folgt, wirft nur noch strategische Fragen auf: wieviel Platz für wen, wohin mit den vielen Fahrrädern, wieviel Parkraum darf gestrichen werden. Auch die Klimafrage ist allgegenwärtig, allerdings gibt es da viele Fragezeichen.
Kleine Stadtgärten
"Planzt Bäume und lasst diese dämliche Fassadenbegrünung sein. Das ist einfach wieder so ein typischer Hype. So geht Städtebau nicht", wetterte * Christoph Mäckler vom Institut für Stadtbaukunst. Offenbar hat die Begeisterung für das Mailänder Hochhaus Bosco verticale, den "vertikalen Wald" nachgelassen, sinnvoller erscheinen begrünte Flachdächer oder kleine Stadtgärten, wie Ulm sie in möglichst vielen Zwischenräumen plant und gleich eine Erfahrung mitliefert: Unter der Erde ist inzwischen soviel Infrastruktur verlegt, dass fürs Bäumepflanzen kaum Platz bleibt.
Nein, an Ideen fehlt es nicht. Wieviel davon sich verwirklichen lässt, hängt ab von der Energie der öffentlichen Hand, öffentliche Interessen durchzusetzen. "Also ich gucke mir nur einmal das Projekt von der Bürgermeisterin aus Paris, von Frau Hidalgo, die sozuagen da etwas gemacht hat, was mit einer ungeheuerlichen Radikalität neue Aufenthaltsräume produziert hat."
Weil aber Paris nicht in Deutschland liegt, hat man es mit hiesigen Rechtsverhältnissen zu tun. Und natürlich sind Eigentumsverhältnisse und Bodenrecht nicht die einzigen Faktoren.
"Wir brauchen Geld, wir brauchen Zeit und wir brauchen auch Personal." Was die Münchner Stadtbaurätin Elisabeth Merk meint: Viel Geld kostet allein das wichtigste Instrument der Planung, nämlich die Auseinandersetzung mit der Stadtgesellschaft. Um Partyfreaks, Gewerbetreibende, Parkplatzsucher, Kneipengäste, Skateboarder, Kleinkinder, Lastenräder, Rollatoren und überhaupt alles unter einen Hut zu bringen.
* An dieser Stelle wurde der Name des O-Ton-Gebers korrigiert.