Konflikt im Dannenröder Forst
Warum der Ausbau der A49 polarisiert

Der Ausbau der Bundesautobahn 49 ist seit Jahren beschlossen und wurde letztinstanzlich durchgeklagt. Dafür muss nun ein Stück des mittelhessischen Dannenröder Forstes weichen. Doch gegen die Rodung protestieren Ausbaugegner. Immer wieder kommt es zu Auseinandersetzungen mit der Polizei. Ein Überblick.

    Spezialeinsatzkräfte der Polizei holen bei einem Großeinsatz im Dannenröder Forst A49-Gegner von einem Baumhaus. Sie haben ihre Hände mit Sekundenkleber zusammengeklebt. Im Dannenröder Forst wird der Wald für die geplante Autobahn 49 gerodet.
    Polizeieinsatz am Dannenröder Forst (dpa/ Nadine Weigel)
    In Hessen läuft seit Anfang November die Rodung des Dannenröder Forstes für die A49. Dagegen gibt es erheblichen Widerstand. Die Kritik von Umweltschützern richtet sich auch gegen die Grünen, die in Hessen Teil der Landesregierung sind.
    Warum will der Bund die Autobahn 49 ausbauen?
    In Hessen soll zwischen Neuental und Gemünden (Felda) die Bundesautobahn 49 so ausgebaut werden, dass sie auf die A5 trifft. Das Ziel: eine bessere Verbindung zwischen Kassel und Gießen. Autobahnbefürworter in der Region hoffen auf eine Entlastung der Ortsdurchfahrten vor allem beim Lkw-Verkehr von Kassel etwa auf der B3 Richtung Marburg und Gießen. Der Bundestag hat sich mehrheitlich vor allem deshalb für den Weiterbau ausgesprochen, weil er sich davon eine Entlastung der wichtigen Durchgangsautobahnen A5 und A7 verspricht. Dazu soll die vierspurige Autobahn A49 um 61,8 Kilometer ausgebaut werden. Ein erstes Teilstück ist bereits fertiggestellt, es fehlen jedoch noch etwa 30 Kilometer. Der Plan sieht vor, dass für die Autobahn 85 Hektar Wald gerodet werden, davon 27 Hektar im Dannenröder Forst.
    Ausbau der A49 in Hessen
    Konflikt um den Ausbau der A49: Geplante Streckenführung (dpa-infografik / A. Brühl)
    Warum wollen die Demonstranten den Ausbau verhindern?
    Widerstand gegen den Ausbau formierte sich bei Bürgern und Klimagruppen wie Fridays For Future, Greenpeace, Robin Wood und anderen. Zudem entstand das Aktionsbündnis "Keine A49" - ein Zusammenschluss mittelhessischer Umweltschutz-, Naturschutz- und Bürgerinitiativen, dem unter anderem BUND und Nabu angehören. Die Initiative setzt sich für den Erhalt des Arten-, Natur- und Trinkwasserschutzgebiets ein und lehnt die Rodung von gesundem Mischwald für den Bau der Autobahn ab. Sie argumentiert:
    Wald- und Klimaschutz
    Der Wald, insbesondere der Mischwald, spielt bei der Speicherung von CO2 eine elementare Rolle. Der Dannenröder Forst ist ein dichtes Waldgebiet mit bis zu 250 Jahre altem Eichenbestand. Zudem handelt es sich um einen vergleichsweise gesunden Mischwald, der als besonders klimaresistent gilt. Geplante Wiederaufforstungsmaßnahmen nach der Rodung für den Autobahnbau können erst nach Jahrzehnten ihre volle Wirkung als Kohlendioxidspeicher entfalten. Anhaltende Trockenheit und sinkender Grundwasserspiegel lassen befürchten, dass ein Großteil der Aufforstungsmaßnahmen nicht greifen wird. Einen über 250 Jahre alten Wald zu erhalten, ist zielführender und effektiver als Rodungen und Ersatzpflanzungen.
    Die Befürworter des Autobahnausbaus halten dagegen, dass nicht alle Bäume im Dannenröder Forst so alt seien und der Wald zudem forstwirtschaftlich genutzt werde.
    Verkehr
    Mit Entlastung des Verkehrs in der Region Mittelhessen ist nach Ansicht der Gegner nicht zu rechnen, da laut Berechnungen des Kraftfahrt-Bundesamtes vor allem der Güterverkehr mit Lastkraftwagen stetig zunimmt. Wichtiger als ein weiterer Fernstraßenbau wäre es in Zeiten der Klimakrise aber, alternative Verkehrskonzepte zu realisieren, die den Schienenverkehr mit einbeziehen.
    Natur- und Artenschutz
    Der geplante Autobahnabschnitt führt durch ein sogenanntes europäisches FFH-Gebiet: In der Fauna-Flora-Habitatrichtlinie und der Vogelschutzrichtlinie werden Arten und Lebensraumtypen genannt, welche besonders schützenswert sind und für die ein Schutzgebietsnetz aufgebaut werden soll. Im Gebiet Herrenwald östlich von Stadtallendorf kommen sieben schützenswerte Lebensraumtypen und vier besonders schützenswerte Tierarten vor. Zudem würde ein Ausbau der A49 die Reduktion des Arten- und Individuenspektrum vor allem für Insekten weiter verstärken und außerdem die seit Jahrzehnten biodynamisch bewirtschafteten Wiesen im Gleental in ihrer Artenvielfalt zerstören.
    Trinkwasserschutz
    Die Region dient auch als Grundwasserspeicher, aus dem die Stadt Frankfurt am Main zum Teil ihr Trinkwasser bezieht. Durch die Bauarbeiten könnten Schadstoffe im Boden freigesetzt werden, welche dann möglicherweise ins Grundwasser gelangen.
    Die Autobahn soll das Gelände eines ehemaligen NS-Sprengstoffwerks und ein Trinkwasserschutzgebiet kreuzen. Der BUND sieht darin einen Verstoß gegen die europäische Wasserrahmenrichtlinie. Seine Klage vor dem Bundesverwaltungsgericht wurde jedoch abgewiesen.
    Etwa 3.000 Menschen demonstrieren am 04.10.20 gegen den Bau der Autobahn A49 und die damit verbundene Abholzung des Dannenröder Waldes in Hessen
    "Das ist natürlich etwas, was Wut und Frust auslöst"
    Nach einer Protestaktion gegen den Ausbau der A49 ist es zu einem schweren Autounfall gekommen. Ob dieser im rechtlichen Zusammenhang mit dem Protest zu sehen sei, müssten zunächst Gerichte klären, sagte die Grünen-Politikerin Katy Walther im Dlf. Die Aktivisten hätten aber ein Recht zu protestieren.
    Welche Konflikte gibt es mit der Polizei?
    Gegen den Weiterbau der Autobahn 49 zwischen Kassel und Gießen protestieren verschiedene Umweltgruppen. Demonstranten halten seit über einem Jahr Teile des Waldes besetzt und haben Barrikaden und hohe Baumhäuser errichtet. Immer wieder kommt es zu Auseinandersetzungen mit der Polizei, die am 10. November mit der Räumung des Waldes begonnen hat. Ausbaugegner werden seitdem regelmäßig in Gewahrsam genommen - darunter auch die Umweltaktivistin und Kapitänin Carola Rackete.
    Schwere Zwischenfälle
    Im Zuge der Proteste gegen die Rodung gab es einige schwere Zwischenfälle. Eine Waldbesetzerin stürzte am 15. November von einem meterhohen Gestell aus Baumstämmen, nachdem ein Polizist ein Sicherungsseil zu dem Tripod genannten Baumgestell zerschnitten hatte. Wie die Behörden in Gießen und die Polizei mitteilten, bestehe der Anfangsverdacht der fahrlässigen Körperverletzung im Amt. Es lägen bislang jedoch keine Hinweise auf vorsätzliches Handeln vor. Nach Angaben der Polizei hatte der Beamte das Seil durchtrennt, um "Gefahren für Leib und Leben von Menschen" zu verhindern. Zuvor waren mehrfach Fallen im Wald entdeckt worden.

    Bereits im Oktober hatten Aktivisten sich in der Region Frankfurt und Wiesbaden von Autobahnbrücken abgeseilt und dadurch Vollsperrungen und Staus ausgelöst. Es ereigneten sich zwei Unfälle unter anderem mit einem Schwerverletzten.
    Zuspitzung der Gewalt
    Katy Walther ist verkehrspolitische Sprecherin der Grünen im hessischen Landtag. Sie ist seit Wochen bei den Protesten im Dannenröder Wald als parlamentarische Beobachterin im Einsatz und sieht eine Radikalisierung in Teilen der Protestbewegung vor Ort. Sie sagte im Deutschlandfunk, man sehe eine Zuspitzung der Gewalt. Es gebe direkte Angriffe auf die Polizei: "Ich würde mir wirklich wünschen, dass alle im Auge haben, dass wir dort Menschen sind und dass jeder dort seinen Job macht. Die einen kämpfen für ihre Zukunft im Klimaschutz, die anderen müssen dort den Rechtsstaat durchsetzen und die Waldarbeiter Unterstützung beziehungsweise die Baufirmen, um ihre Arbeit machen zu können. Und ich wünsche mir, dass dort niemand zu Schaden kommt."
    Hessen, Niederklein: Aktivisten sind in ihrem Protest-Camp von Polizeikräften umstellt.
    Die Polizei hat am 10. November mit der Räumung des Dannenröder Forstes begonnen. (Andreas Arnold/dpa)
    Polizei will Wald vor Weihnachten räumen
    Ziel der Polizei ist es, den Großeinsatz im Dannenröder Forst noch vor Weihnachten zu beenden. Nach Angaben von Harald Zwick, Landesvorstandsmitglied der Gewerkschaft der Polizei in Hessen (GdP), hängt das jedoch von den zur Verfügung stehenden Beamten ab. "Fest steht: Je weniger Kräfte wir zur Verfügung haben, um da zu räumen und anschließend zu roden, umso länger dauert das", so Zwick gegenüber dem Hessischen Rundfunk.
    Wie positionieren sich Die Grünen?
    Auf Bundesebene haben sich die Bündnisgrünen recht eindeutig gegen einen Ausbau positioniert. Die Parteispitze und die Fraktionsführung im Bundestag fordern einen Stopp des Projekts. Der Fraktionschef und Verkehrspolitiker der Grünen, Anton Hofreiter, sagte der "Süddeutschen Zeitung", dass Planungen für Autobahnen und Bundesstraßen "grundsätzlich auf die Einhaltung der Klimaziele, Notwendigkeit und die Wirtschaftlichkeit überprüft werden" sollten. Damit stellt sich die Parteispitze an die Seite der Ausbaugegner und Umweltschützer.


    Anders sieht es bei den Grünen in Hessen aus. Sie stellen zusammen mit der CDU die Landesregierung und Verkehrsminister Tarek Al-Wazir ist von den Grünen. Die hessischen Grünen haben dem Ausbau der A49 im Koalitionsvertrag zugestimmt. Der Grund: Sie argumentieren, dass sie keinen Einfluss auf den Bau der A49 haben, da es sich um eine Bundesautobahn handelt und er bereits letztinstanzlich durchgeklagt wurde. Ein Baustopp sei zu teuer und ohne Aussicht auf Erfolg. Einzig das Bundesverkehrsministerium unter Andres Scheuer (CSU) könne das Vorhaben stoppen. Ein entsprechender Antrag der grünen Bundestagsfraktion blieb jedoch ohne Erfolg.
    Grünen-Chef Robert Habeck diskutiert mit Demonstranten anlässlich der kurzzeitigen Besetzung der Parteizentrale der Grünen durch Umweltaktivisten in Berlin
    Grünen-Chef Robert Habeck diskutiert mit Demonstranten anlässlich der kurzzeitigen Besetzung der Parteizentrale der Grünen durch Umweltaktivisten in Berlin (Imago/ Lars Reimann)
    Zwar handelt es sich um eine Bundesautobahn, exekutieren muss das hessische Verkehrsministerium. Deswegen gibt es divergierende Bestrebungen zwischen den Grünen im Bunde und denen in Hessen.
    Auch Grünen-Ko-Chef Robert Habeck sagte dazu im Deutschlandfunk, dass der einzige Hebel, künftige Autobahnen oder Verkehrsplanungen anders zu machen, auf Bundesebene liege. "Wo kämen wir denn da hin, wenn Ministerinnen und Minister sagen würden, das passt mir nicht, die Gesetze halte ich einfach nicht ein?"
    Redaktion: Ludger Fittkau, Marius Gerads, Kathrin Hof, Katharina Gödde