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Konflikt im Persischen Golf
Nahost-Experte: Iran möchte Drohpotenzial zeigen

Trotz mehrerer mutmaßlich vom Iran provozierter Vorfälle, droht der Golf-Region aktuell kein Krieg, sagte Nahost-Experte Daniel Gerlach im Dlf. Der Iran wolle vor allem zeigen, dass er Handelswege blockieren könne - und seine regionalen Feinde könnten sich eine militärische Eskalation nicht leisten.

Daniel Gerlach im Gespräch mit Christiane Kaess |
Die britische Fregatte Montrose.
Die britische Fregatte "HMS Montrose" (r.) - hier bei einem Einsatz im Mittelmeer - war in den jüngsten Zwischenfall in der Straße von Hormus involviert (dpa/EPA/Alex Knott/ ROYAL NAVY)
Christiane Kaess: Die Straße von Hormus ist ein sehr schmaler Wasserweg zwischen dem Persischen Golf und dem Indischen Ozean und sie ist für die Schifffahrt und deren Transporte eine der wichtigsten Routen. Aber sie liegt in einer Region, in der die Spannungen steigen. Hauptauslöser ist der Konflikt mit dem Iran als Anrainer des wichtigen Gewässers und dessen Atomprogramm. Seitdem die USA aus dem Atomabkommen ausgestiegen sind, den Druck auf den Iran erhöht haben und die Europäer bisher erfolglos versucht haben, das Abkommen zu retten, kommt es in der Straße von Hormus immer wieder zu Vorfällen. Nun heißt es aus Großbritannien, drei iranische Schiffe hätten versucht, ein britisches Handelsschiff zu stoppen.
Ich kann darüber jetzt sprechen mit dem Nahost-Experten Daniel Gerlach. Er ist Chefredakteur des Fachmagazins "zenith", das sich mit der arabisch-islamischen Welt beschäftigt. Guten Tag, Herr Gerlach.
Daniel Gerlach: Ja, guten Tag!
Überraschend schnelles Dementi des Iran
Kaess: Die Briten sagen, der Iran wollte das britische Handelsschiff stoppen. Der Iran dementiert. Welche Aussage ist für Sie die glaubhafte?
Gerlach: Ich kann mir schon vorstellen, dass die Iraner hier - nicht in einem Akt der Vergeltung-, aber in einer Maßnahme, mit der sie zeigen wollen, wie Du mir, so ich Dir, tatsächlich so eine Provokation unternommen haben. Interessant finde ich allerdings, wie schnell das seitens der Revolutionsgarden dementiert wurde und auch seitens des iranischen Außenministers, der sich manchmal dann doch etwas verklausulierter geäußert hat zu diesen Themen. Hier gab es ein ganz klares Dementi: Wir hatten keinen Einsatz in dem Gebiet und sind dafür auch nicht verantwortlich.
Kaess: Warum überrascht Sie das, dass das so schnell kam?
Gerlach: Weil normalerweise die Iraner ja nun, sagen wir mal, auch von der Unsicherheit etwas profitieren. Sie wollen ja durchaus zeigen, wir können, wenn wir wollen. Wir können euch Ärger machen, wir können den Handel in dieser sehr sensiblen, wie ja auch im Beitrag das deutlich wurde, Region stoppen, wenn ihr nicht aufhört, das zu tun, was man in Iran als ökonomischen Terrorismus bezeichnet, nämlich uns mit Sanktionen belegt und versucht, unsere Volkswirtschaft zu erdrosseln. Gerade diese Maßnahme in der vergangenen Woche in der Straße von Gibraltar, die nach meiner Einschätzung britischerseits auch auf sehr unsicheren Füßen steht, was die rechtliche Situation anbelangt. Da hat man diesen Tanker in Gewahrsam genommen, gestürmt mit Spezialeinheiten, und bis heute gibt es eigentlich keine wirkliche rechtliche Rechtfertigung dafür, warum man das getan hat. Denn Iran ist ja nicht Teil der Europäischen Union und selbst wenn dieser Tanker aus Iran Öl an Bord hatte, das nach Syrien gehen sollte, dann ist noch nicht klar, warum man eigentlich dann diesen Tanker entsprechend konfisziert.
Viele offene Fragen
Kaess: Bleiben wir noch kurz bei dem aktuellen Vorfall. Warum ist das Dementi aus Teheran nicht glaubhaft?
Gerlach: Man kann sich natürlich fragen, wer ist in dieser Region, in diesem Nadelöhr des Welthandels in der Lage, solche Operationen durchzuführen. Die Revolutionsgarden benutzen natürlich solche Schnellboote. Und es gab viele Hinweise darauf auf Seiten der Militärs, auf Seiten der Revolutionsgarden, die gesagt haben: Wir müssen hier Vergeltung üben, wir müssen hier zeigen, dass wir uns nicht alles gefallen lassen können. Gleichzeitig ist auch klar: Die Staaten, die dort eine sehr antiiranische Haltung eingenommen haben, unter anderem Saudi-Arabien, die Vereinigten Arabischen Emirate, sind ja absolut davon abhängig, dass dieses Nadelöhr passierbar bleibt und dass es auch ansonsten keine Eskalation in der Region gibt, weil sie nämlich sonst keine Touristen mehr bekommen und auch nicht mehr als Flughub für den internationalen Flugverkehr tätig werden können.
Kaess: Jemand anderes kommt einfach nicht in Frage, sagen Sie?
Gerlach: Es gibt natürlich schon die Möglichkeit, dass irgendwelche anderen Milizen, auch dschihadistische Gruppen, die in der Region unterwegs sind, versuchen, dort Unruhe zu stiften und die Mächte gegeneinander aufzuhetzen. Aber ich denke mal, wenn man sich anschaut, was die Briten hier preisgeben, und wenn man sagen kann, dass das auch zutrifft, was hier passiert ist, dann können das eigentlich nur entweder iranische oder mit Iran verbündete Schiffe gewesen sein.
Es gibt allerdings noch ein paar andere offene Fragen zu diesem Thema. Dieser Tanker hatte keine Ladung an Bord. Er kam wohl aus Basra, die British Heritage. Es ist nicht klar, warum sie ihren Radartransponder ausgeschaltet hatte und sich offensichtlich nur auf die Begleitung dieses Militärschiffs verlassen hat. Möglicherweise hat man iranischerseits auch geglaubt, dass es sich hier um ein ganz anderes Objekt handelt, oder um eine militärische oder Geheimoperation oder wie auch immer, und hat sich getäuscht. Ich kann Ihnen das natürlich nicht sagen, weil ich keinen Einblick habe in die ganzen nachrichtendienstlichen Informationen, die iranischer- und britischerseits da vorliegen.
Iran Nicht unbedingt auf militärische Eskalation aus
Kaess: Sie haben das schon angesprochen: Es gab einen Vorfall kurz zuvor, vor einer Woche, diese Beschlagnahmung mit Hilfe der britischen Marine eines Tankers mit iranischem Öl. Da gab es den Verdacht, dieses Öl solle illegal nach Syrien gebracht werden. Dann hat der iranische Präsident Rohani Großbritannien mit Konsequenzen gedroht. Sie sehen durchaus diesen Zusammenhang? Sie haben von einer Provokation gesprochen. Könnte man auch sagen Racheakt?
Gerlach: Es gibt natürlich bei den Iranern und auch bei anderen Staaten die Vorstellung, wir müssen in den internationalen Beziehungen die andere Seite genauso behandeln, wie sie uns behandelt. Das gilt, wenn es um die Visa-Vergabe geht. Da gibt es Staaten, die sagen: Wir geben keine Visa an europäische Staatsbürger, die uns keine Visa geben. Aber es gilt auch auf diesem Level. Die Iraner versuchen, ganz klar hier zu zeigen: Uns zu bedrängen und uns zu versuchen, mit Sanktionen zu ersticken, ist zu jedermanns Schaden. Das bedeutet aber natürlich nicht, dass man unbedingt es auf eine militärische Eskalation abgesehen hat.

Diese Sache, die da in Gibraltar passiert ist - ich bin kein Sanktionsrechtler-, aber die scheint, mir rechtlich sehr, sehr schwierig zu sein. Denn es ist nicht illegal für Iran, Öl nach Syrien zu exportieren. Die einzige Rechtfertigung, die es offensichtlich gegeben hat, ist die Behauptung, dass sich dieses Schiff in den Hoheitsgewässern von Gibraltar befunden hat und dass die gibraltischen Behörden die Briten um Hilfe gebeten haben, dieses Schiff zu konfiszieren. Das ist aber eine sehr, sehr ungewöhnliche Maßnahme und muss eine politische Geste sein. Was man den Iranern jetzt hier ja vorwirft ist nicht, dass sie versucht haben, unbedingt diesen Tanker im Golf, in der Straße von Hormus zu kidnappen. Sondern dass sie versucht hätten, diesen Tanker in iranische Hoheitsgewässer abzudrängen, also aus der internationalen Zone heraus.
Briten verfolgen ihre eigenen Interessen in der Region
Kaess: Warum? Das ist ein Detail, nach dem ich Sie auch fragen wollte. Mit welchem Zweck?
Gerlach: Möglicherweise, um dann vorwerfen zu können, ihr seid in unsere Gewässer eingedrungen, dieses Schiff ist hier illegal und deswegen könnten wir es konfiszieren. Ich kann mir allerdings auch schwer vorstellen, dass man die Anwesenheit dieser britischen Fregatte, der Montrose, die da ja eingeschritten ist offensichtlich, nicht bemerkt hätte. Das ist sehr absurd, dass die iranischen Revolutionsgarden mit ihren Überwachungssystemen die Anwesenheit eines solchen Schiffes nicht bemerkt haben. Ich denke mal, das war eine Geste. Man ist dann auch schnell wieder abgedreht und hat es nicht auf eine militärische Konfrontation ankommen lassen, was natürlich sehr gefährlich gewesen wäre. Zumal man auch immer aufpassen muss: Die Briten sind ja nicht die Amerikaner. Die Briten verfolgen auch ihre eigenen politischen und auch ihre eigenen handelspolitischen Interessen.
Kaess: Das genau möchte ich Sie fragen, weil das britische Militärschiff, das Sie angesprochen haben, ist schon länger vor Ort - das hat man in Großbritannien auch so bestätigt -, um Sicherheitsinteressen dort zu sichern. Kann man sagen, dass auch die westlichen Staaten wie zum Beispiel Großbritannien in der Region aufrüsten?
Gerlach: Das tun sie auf jeden Fall. Das ist ja eine hoch sensible Region. Ich erinnere daran, dass mal ein deutscher Bundespräsident zurückgetreten ist, weil man ihm das sehr übel genommen hat, dass er sagte, wir müssen im Zweifelsfall auch unsere internationalen Handelswege militärisch sichern. Für die Briten ist das selbstverständlich. Das klang ja in dem Beitrag eben auch an.
"Denke nicht, dass dort unbedingt ein Krieg droht"
Kaess: Aber ist es verstärkt, seitdem sich der Konflikt um den Iran wegen des Atomprogrammes zuspitzt?
Gerlach: Ich habe schon den Eindruck. Ja, ich habe schon den Eindruck, dass man wesentlich mehr auf Acht ist. Und es ist natürlich auch völlig klar. Da steht sehr viel auf dem Spiel. Ich denke nicht, dass dort unbedingt jetzt ein Krieg droht, aber wir vergessen bei der Diskussion um das, was dort in der Straße von Hormus passiert, sehr oft die historischen Beispiele, die es gibt. Wir hatten im Jahr 1988 mal einen Seekrieg. Der hat zwar nicht sehr lange gedauert, nur wenige Wochen, aber da wurden Schiffe versenkt, da gab es Tote. Das Ganze mündete nachher im Abschuss - amerikanischerseits sagte man immer, es sei ein Versehen gewesen - einer iranischen Passagiermaschine über dem Golf. Auch solche kontrollierten Eskalationen können es in sich haben und sehr, sehr gefährlich werden.
Kaess: Aber Sie sagen, Herr Gerlach, Sie glauben nicht, dass da ein Krieg droht. Worauf gründen Sie das? Denn man fragt sich ja schon, wie lange können solche Vorfälle denn noch glimpflich ausgehen.
Gerlach: Ich denke, dass die Iraner zwar zeigen wollen, sie haben keine Angst vor einem Krieg – das sagen sie auch immer wieder -, aber natürlich steckt ihnen die Erfahrung der Vergangenheit, der vergangenen Kriege, auch des Golf-Krieges sehr in den Knochen. Sie möchten Verhandlungsmasse kreieren und möchten zeigen: Wenn ihr uns wieder an den Verhandlungstisch zurückbringen wollt, dann müssen wir irgendwas in der Hand haben, auf das wir dann verzichten wollen. Damit möchten wir aber auch zeigen, dass wir euch bedrohen können, und das bedeutet in dem Fall auch, dass man Handelswege – und das hat die Regierung ja auch oft gesagt – einschränken oder sogar kappen kann. Man muss gar nicht die Straße von Hormus zumachen, um zu zeigen, dass es teurer, kostspieliger und riskanter wird, in dieser Region Handel zu treiben, und dass es deswegen im Sicherheitsinteresse aller Seiten ist, abzurüsten und in einen Dialog einzutreten.
Das was die Amerikaner da veranstaltet haben in den letzten Wochen, in den letzten Monaten, mit dem Austritt aus dem Atomabkommen, mit der massiven verbalen Aufrüstung, die dahin geht, dass Trump sagt, eine Auseinandersetzung mit Iran wäre die Vernichtung Irans – und da hat er nicht des Regimes gesagt, sondern des Irans. Was da derzeit abgelassen wird an Drohungen westlicherseits, macht es natürlich sehr, sehr schwierig, die Iraner hier dafür zu verurteilen.
Irans Feinde könne sich Eskalation nicht leisten
Kaess: Und die USA hatten ja tatsächlich auch schon einen Militärschlag gegen den Iran erwogen, nachdem eine Drohne abgeschossen worden ist durch die Iraner. – Wenn wir mal auf diese Ebene gehen: Wie gespannt ist denn die Lage in der Region?
Gerlach: Die Lage ist sehr gespannt. Aber noch mal: Ich kann da auch einen Eindruck wiedergeben, den ich habe aus Gesprächen mit westlichen, auch deutschen Diplomaten. Wenn man mit den Golf-Staaten spricht, die ja auch verbal sehr aufrüsten und sagen: Wir müssen das iranische Regime jetzt in die Schranken weisen, wir müssen was tun. Dann sagen sie natürlich unter Ausschluss der Öffentlichkeit: Wir können es uns schlichtweg nicht leisten, es hier auf eine Eskalation ankommen zu lassen.
Die Vereinigten Arabischen Emirate haben ungefähr 20 Millionen Touristen im Jahr. Da gehen im Minutentakt Flüge in die Welt, nach Asien, nach Afrika. Das sind Drehkreuze des Handels und des Passagierverkehrs. Diese Staaten können es sich nicht leisten, es wirklich auf eine militärische Eskalation ankommen zu lassen, und die Iraner wissen das natürlich. Iran ist ein Land, was eine schwache Luftwaffe hat und natürlich viele Defizite. Aber sie haben Raketen und sie haben durchaus Mittel und Wege, ihren Nachbarn, die sie ihrer Meinung nach bedrohen, weh zu tun, und das wissen die westlichen Diplomaten auch.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.