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Konflikt mit dem Iran
"Die Freiheit des Seeweges muss gewährleistet bleiben"

Der Iran hat in der Straße von Hormus einen britischen Tanker festgesetzt. Das Land wolle zeigen, dass es erhebliches Störpotenzial in der Region habe, sagte der CDU-Außenpolitiker Jürgen Hardt im Dlf. Der UNO-Sicherheitsrat müsse sich mit dem Konflikt befassen - und dem Iran dennoch ein Gesprächsangebot machen.

Jürgen Hardt im Gespräch mit Sandra Schulz |
Jürgen Hardt (CDU), Abgeordneter des Bundestages
Jürgen Hardt (CDU), Abgeordneter des Bundestages (Ralf Hirschberger/dpa)
Hardt bezeichnete den Iran als ausgesprochen aggressive Nation in der Region. Die westlichen Nationen seien deshalb gut beraten gewesen, im Rahmen des Atom-Abkommens mit dem Iran über Mäßigung zu verhandeln. Es sei ein großer Fehler gewesen, dass US-Präsident Donald Trump die Vereinbarungen mit dem Iran aufgekündigt habe, ohne dem Land ein alternatives diplomatisches Angebot zu machen.
Nun müsse es gemeinsame Maßnahmen des UNO-Sicherheitsrates zumindest für die Sicherheit und Freiheit in der Straße von Hormus geben. Die Vereinten Nationen sollten klarmachen, dass die Freiheit des Seewegs gewährleistet bleiben müsse. Es würde sonst ein Präzedenzfall geschaffen, wenn die Völkergemeinschaft akzeptiere, dass ein einzelnes Land eine Schifffahrtsstraße blockiere. Das bringe Probleme für den freien Welthandel mit sich.
Wenn das Atomabkommen mit dem Iran aus Trumps Sicht unbefriedigend gewesen sei, dann müsse weiterverhandelt werden. Die Europäer sollten keinen Versuch auslassen, die Amerikaner zu diplomatischen Vereinbarungen mit dem Iran zu bewegen. Militärisch sei der Konflikt nicht lösbar.

Das Interview in voller Länge:
Sandra Schulz: Seit Anfang Mai folgt ein Zwischenfall auf den nächsten an der Straße von Hormus, der wichtigen Meerenge vor der iranischen Küste, durch die rund ein Fünftel des Erdöls muss für den Export. Angriffe auf Tankerschiffe hat es gegeben, Teheran hatte da eine Verantwortlichkeit noch bestritten, jetzt aber scheint der Iran die offene Konfrontation zu suchen. Am Wochenende setzen iranische Behörden einen unter britischer Flagge fahrenden Tanker fest. Heute tagt in London erneut der nationale Sicherheitsrat, und die Vorzeichen, unter denen diese jüngste Krise steht, die sind schon die seit Wochen wachsenden Spannungen zwischen den USA und dem Iran. Darüber können wir in den kommenden Minuten sprechen. Am Telefon ist Jürgen Hardt, er ist der außenpolitische Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion. Schönen guten Morgen!
Jürgen Hardt: Guten Morgen, Frau Schulz!
"Iran hat ein enormes Stör- und Unruhepotenzial"
Schulz: Wir haben die Frage x-mal gestellt, sie stellt sich aber quasi wie von selbst, auch heute Morgen: Wie gefährlich ist die Situation?
Hardt: Die Situation ist extrem gefährlich. In der Region gibt es enorme Spannungen, die auch in den letzten Monaten durch die Aufkündigung des Nuklearabkommens mit dem Iran, meines Erachtens, gestiegen sind, und das, was in diesen Tagen und Wochen seitens des Iran in der Region passiert, zeigt, dass der Iran ein enormes Stör- und Unruhepotenzial in der Region hat und dass wir deswegen gut beraten waren, als westliche Nationen mit dem Iran im Rahmen eines Abkommens über Mäßigung zu verhandeln und das nicht einfach aufzukündigen, und das, was Teheran jetzt macht, ist meines Erachtens, er zeigt, dass er doch ein erhebliches Störpotenzial hat, und das muss jetzt eingehegt und diplomatisch eingefangen werden, und das ist superschwierig.
Schulz: Aber Schuld, verstehe ich Sie da richtig, Schuld hat indirekt Donald Trump mit seiner Kündigung des Atomabkommens?
Hardt: Der Iran ist eine ausgesprochen aggressive Nation in der Region: einmal das Programm für eine Atombombe, zweitens das Raketenprogramm, drittens die Einmischung in die terroristischen Aktivitäten etwa in Syrien, aber auch im Jemen, im Libanon und so fort, und die Rhetorik gegen Israel. Es ist ein aggressiver Staat, aber es ist so, dass in der Weltpolitik die Dinge diplomatisch auf dem Verhandlungsweg bearbeitet werden müssen und dass man nicht so einfach die Interessen eines solchen Landes, so unlauter sie vielleicht auch sein mögen in dem einen oder anderen Fall, ignorieren kann, und ich glaube, dass Teheran der Welt zeigen will, wenn ihr nicht mit uns redet, können wir euch ganz empfindlich stören und behindern. Das erleben wir genau in diesen Tagen, und das hat der amerikanische Präsident meines Erachtens nicht bedacht. Er hat das Abkommen aufgekündigt, aber er hat keine alternative diplomatische Lösung, kein alternatives diplomatisches Angebot für den Iran ins Fenster gestellt, und das war, glaube ich, der große Fehler.
Freier Welthandel in Gefahr
Schulz: Noch mal kurz der Schritt zurück zu dieser konkreten Situation jetzt. Aus Europa gab es jetzt am Wochenende die Mahnungen, dass die iranischen Behörden umgehend diesen Tanker freilassen sollen. Was passiert, wenn Teheran das nicht macht?
Hardt: Es wird heute ja in London selbst überlegt, was zu tun ist. Der britische Außenminister hat engsten Kontakt zum französischen und zum deutschen Außenminister gehalten. Ich gehe davon aus, dass die deutsche Bundesregierung auch kurzfristig konsultiert wird, wenn die britische Regierung zu ihren Entscheidungen kommt. Ich bin der Meinung, dass das im UN-Sicherheitsrat besprochen werden muss. Ich bin auch der Meinung, dass es gemeinsame Maßnahmen des Sicherheitsrates für die Sicherheit und die Freiheit dieses sehr wichtigen Meereswegs geben muss. Es ist ja auch ein Präzedenzfall vielleicht für andere Regionen, wenn hier die Völkergemeinschaft akzeptiert, dass ein einzelnes Land eine solche internationale Schifffahrtsstraße blockiert, dann bekommen wir ja enorme Probleme, was den freien Welthandel angeht.
Schulz: An welche Maßnahmen denken Sie, Herr Hardt?
Hardt: Ich glaube, dass die westliche Welt, dass die Vereinten Nationen klarmachen müssen, die Freiheit des Seeweges muss gewährleistet bleiben. Die Untersuchung dieses Vorfalls muss international sein, dann muss sich der Iran auch an die Entscheidung dieses Gremiums halten, und es muss vor allem für den Iran auch ein neues Gesprächsangebot, meines Erachtens, ins Fenster gestellt werden, derart, dass man sagt, wir sind bereit, unter bestimmten Bedingungen die Verhandlung über die Lockerung der Sanktionen wieder aufzunehmen, wenn der Iran bereit ist, seinerseits zurückzukehren zu dem Atomabkommen, was bestanden hat, möglicherweise in einer anderen Form, als das bisher der Fall war, sonst würde Amerika ja nicht mitmachen, aber ich glaube, dass dieses Angebot einer Wiederaufnahme von Gesprächen mit dem Iran in jedem Fall kommen muss.
"Militärisch ist das Problem nicht lösbar"
Schulz: Aber welches Angebot kann Europa dem Iran denn ernsthaft machen? Wir haben die Situation, dass sich die europäischen Unternehmen quasi entscheiden müssen, was ihnen wichtiger ist, die Geschäfte mit dem Iran oder die Geschäfte mit den USA, oder sozusagen die Sorge, den US-Präsidenten gegen sich aufzubringen. Das ist für alle Unternehmen vollkommen klar, wie diese Entscheidung ausgeht für die Unternehmen. Was will Europa da anbieten?
Hardt: Zum jetzigen Zeitpunkt ist es ja sogar so, dass der Iran von sich aus verkündet hat, sich nicht mehr an das Atomabkommen halten zu wollen, und damit fehlt ja auch die Geschäftsgrundlage für das europäische Angebot, etwa Deutschlands, Großbritanniens und Frankreichs, dass Europa in dem Abkommen drinbleibt. Ich glaube aber, dass wenn der amerikanische Präsident sagt, das Atomabkommen an sich ist der richtige Weg, allerdings war das Ergebnis für mich, aus Sicht des amerikanischen Präsidenten, und im Übrigen auch aus Sicht vieler Abgeordneter im amerikanischen Kongress, unbefriedigend, wir müssen es nachverhandeln, wir müssen es weiterverhandeln etwa auf der Zeitschiene. Ein wesentlicher Kritikpunkt war ja, dass das Abkommen nur eine Laufzeit von zehn Jahren hat. Wenn man auf diesem Feld weitergeht und mit dem Iran darüber spricht, ob möglicherweise eine Erweiterung und Ergänzung des Abkommens zu einem Zustand führen könnte, dass beide Seiten sich wiederum an das Abkommen halten, dann wäre das, glaube ich, das richtige Signal, aber diese Signale sind bisher nicht zu verspüren. Ich glaube, wir Europäer sollten keinen Versuch auslassen, die Amerikaner und alle anderen dazu zu bewegen, doch diesen Weg eines Abkommens, einer Befriedung des Iran durch diplomatische Vereinbarungen, wieder näherzutreten und nicht dieses Land zu ignorieren beziehungsweise anzudrohen, den Konflikt militärisch zu lösen, denn militärisch ist das nicht lösbar.
Schulz: Herr Hardt, da würde ich jetzt gerne noch mal zu der Frage zurückkommen, bei der wir eben schon mal waren. Das ist mir nämlich durchaus aufgefallen, dass Sie das bis eben noch nicht beantwortet haben: Was ist denn jetzt das Problem? Ist das Problem der Konflikt zwischen Europa und dem Iran, oder ist das Problem, dass im Umgang mit dem Iran Europa und die USA nicht an einem Strang ziehen?
Hardt: Ich glaube, Sie haben völlig recht, Letzteres ist der entscheidende Punkt. Die westliche Welt, die übrige Welt muss gegenüber – und dazu gehört im Übrigen auch Russland und China, die ja dieses Abkommen mit unterschrieben haben –, muss eine einheitliche klare Linie gegen den Iran haben oder der Haltung zum Iran haben. An oberster Stelle muss stehen, den Iran zu einem friedlicheren Verhalten in der Region zu bewegen und auf den Bau einer Atombombe zu verzichten. Wenn das die gemeinsame Grundlage ist, dann, glaube ich, kann man auch darüber reden, wie über das bisherige Abkommen hinaus Forderungen und Erwartungen an den Iran formuliert werden können und umgekehrt aber auch ein Angebot an den Iran, Sanktionen zu lockern. Wenn es darüber, über diese Strategie, über diese Vorgehensweise keine Einigung gibt, dann wird auch dieser aktuelle Konflikt schwer lösbar sein, und ich glaube, es ist an uns, dass wir den amerikanischen Präsidenten überzeugen, dass er diesen Weg wieder einschlägt.
Schulz: Warum formulieren Sie das im Konjunktiv, wenn es da keine Einigkeit gibt? Das wissen wir doch seit mehr als einem Jahr, dass es diese Einigung nicht gibt, die Einigkeit?
Hardt: Ich glaube, dass auch in Amerika ganz viele verantwortliche Politiker bis weit hinein ins Weiße Haus sehen, dass eine Eskalation, eine militärische Eskalation des Konflikts ungeahnt Risiken auch für Freunde Amerikas, etwa die Staaten auf der arabischen Halbinsel, bietet und dass deswegen ein militärischer Konflikt unbedingt vermieden werden soll. Da bleibt nur die Möglichkeit einer diplomatischen Lösung, und wenn Deutschland und Europa, die ja bisher am Abkommen weiter festhalten wollen, vielleicht eine vermittelnde Rolle einnehmen könnten, wäre das der richtige Weg. Dieses Angebot sollte weiter aufrechterhalten werden an den Iran, aber auch an die übrigen Nationen dieses JCPOA, also namentlich an den amerikanischen Präsidenten, das nicht über Bord zu werfen, sondern auf den Kurs der Verhandlungen mit dem Iran zurückzukehren.
Mittelfristige Finanzplanung des Verteidigungshaushaltes
Schulz: Und Herr Hardt, wir sind damit zwanglos bei einem Thema, das jetzt am Wochenende die neue Verteidigungsministerin gesetzt hat, Annegret Kramp-Karrenbauer, ein altes Streitthema zwischen Deutschland und den USA, die Frage nach den Militärausgaben. Annegret Kramp-Karrenbauer fordert höhere Militärausgaben, obwohl für alle praktischen Zwecke das Kabinett die schwarzrote Koalition sich da jetzt auf einen Kurs geeinigt hatte. Was sagen Sie?
Hardt: Ich habe mich über die Argumentation der Sozialdemokraten schon gewundert, denn es wird ja immer ein Zusammenhang hergestellt zwischen den Forderungen des amerikanischen Präsidenten Trump und unseren Verteidigungsausgaben. Die Zusage Deutschlands, damals unterschrieben vom Außenminister Steinmeier und von der Bundeskanzlerin Angela Merkel, an die NATO, dass wir uns auf zwei Prozent Verteidigungsausgaben zubewegen wollen bis 2024, ist gegenüber den Partnern und gegenüber dem amerikanischen Präsidenten Barack Obama abgegeben worden. Damals hat noch kein Mensch es für möglich gehalten, dass Donald Trump Präsident wird. Es gibt keinen Zusammenhang unserer Zusage einerseits und der Wahl Donald Trumps zum Präsidenten andererseits. Deswegen finde ich das sehr populistisch, auch von dem Kollegen Klingbeil, dem Generalsekretär der SPD, der ja im Übrigen in den Koalitionsverhandlungen mit akzeptiert und unterschrieben hat, dass wir unsere NATO-Verpflichtung einhalten wollen. Das tun wir im Augenblick durch eine deutliche Steigerung der Verteidigungsausgaben, aber für die mittelfristige Finanzplanung ab den Jahren '21 und folgende, sind die Zahlen, die Finanzminister Scholz bisher vorgelegt hat, unbefriedigend. Ich finde es total wichtig und richtig, dass die Verteidigungsministerin das anspricht und sagt, diese mittelfristigen Finanzplanungen, was passiert nach '21 mit dem Verteidigungshaushalt, die müssen besser werden. Für '20 ist schon eine deutliche Steigerung vorgesehen, die uns auf den Pfad Richtung 1,5 und dann vielleicht auch Richtung zwei Prozent voranbringt.
Schulz: Noch zur Auflösung für unsere Hörer: Der SDP-Generalsekretär Lars Klingbeil, der hatte unter anderem dem Deutschlandfunk gesagt, eine Aufrüstung nach den Wünschen Donald Trumps werde es nicht geben. Sein Kommentar, dazu haben wir gerade gehört, vom CDU-Außenpolitiker Jürgen Hardt.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.