Die Sitzung des ukrainischen Parlaments verlief stürmisch. Zeitweise besetzten Oppositionsabgeordnete die Rednertribüne, um es nicht zu einer Abstimmung kommen lassen. Sie warfen Präsident Petro Poroschenko vor, die Ereignisse im Schwarzen Meer zu missbrauchen, um den Kriegszustand einführen zu können. Vor allem im Hinblick auf die Präsidentenwahl, die für den 31. März im nächsten Jahr vorgesehen ist. Die Oppositionspolitikerin Julia Tymoschenko, die derzeit die Umfragen anführt, erklärte:
"Wir lassen nicht zu, dass unter dem Deckmäntelchen des Kriegsrechts die fundamentalen Rechte der Ukrainer außer Kraft gesetzt werden. Die Staatsorgane sollen ohne Anlass jede Wohnung betreten können, das Briefgeheimnis soll aufgehoben und die Meinungsfreiheit eingeschränkt werden. Von uns Abgeordneten hängt ab, ob das Kriegsrecht gegen den Aggressor-Staat verhängt wird oder gegen die ukrainischen Bürger."
Opposition konnte überzeugt werden
Der Verdacht, der immer wieder geäußert wurde: Poroschenko wolle sich durch die Macht, die ihm das Kriegsrecht gibt, einen Vorteil vor der Präsidentenwahl verschaffen - um etwa die öffentliche Diskussion zu zensieren oder die Wahl nach Gutdünken verschieben zu können.
Dem Präsidenten gelang es schließlich, die Opposition von der Verhängung des Kriegsrechts zu überzeugen - aber nur, nachdem er sein ursprünglich geplantes Dekret abgemildert hatte. Der Kriegszustand wird demnach nicht für 60 Tage verhängt, sondern nur für 30 Tage. Er wird also enden, noch bevor der Wahlkampf vor der Präsidentenwahl offiziell beginnt. Außerdem werden wesentliche Bestimmungen des Kriegsrecht, dem neuen Dekret zufolge, nicht automatisch gelten, sondern nur, wenn ein ganz bestimmter Fall eintrete, so Poroschenko:
"Es wird ausschließlich dann gelten, wenn es zu einer militärischen Aggression vonseiten Russlands auf dem Land kommt. Wenn das nicht passiert, werde ich die Bürgerrechte nicht einschränken. Nur, wenn russische Soldaten unsere Grenze überschreiten, werde ich das Kriegsrecht in Kraft setzen, dann werde ich alles tun, um das ukrainische Territorium zu schützen."
Außerdem gilt das Dekret des Präsidenten nur in zehn von 24 Regierungsbezirken.
Die Ukraine betrachtet die Ereignisse im Schwarzen Meer vom Sonntag als kriegerische Aggression gegen ihr Land. So sei der Beschuss von drei Militärbooten zu bewerten, erklärte Außenminister Pawlo Klimkin:
"So ist das nach allen Grundlagen des internationalen Rechts zu bewerten. Für uns ist es jetzt wichtig, dass wir nicht nur unsere Position mit unseren Partnern koordinieren, dass nicht nur Erklärungen abgegeben werden, sondern dass konkrete gemeinsame Schritte folgen."
Ukraine hofft auf stärkere Sanktionen gegen Russland
Die Ukraine hofft auf stärkere Sanktionen gegen Russland, vor allem, falls die 23 von Russland festgesetzten ukrainischen Marinesoldaten nicht wieder freikommen sollten.
Der Vertreter Russlands bei den Vereinten Nationen rechtfertigte die Festsetzung ukrainischer Militärboote damit, dass deren Besatzung einen Anschlag auf die Brücke über die Meerenge von Kertsch geplant habe. Belege dafür legte er nicht vor. Die Verletzungen der ukrainischen Soldaten werden in Russland damit erklärt, dass diese sich ihrer Festnahme widersetzt hätten.