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Konflikt zwischen Nordkorea und USA
"Zu befürchten, dass sich die Situation wieder verschärft"

Der Atomstreit zwischen Nordkorea und den USA könnte sich nach Einschätzung des Asien-Experten Johannes Pflug weiter zuspitzen. An das letzte Treffen der beiden Präsidenten Donald Trump und Kim Jong-un seien beiderseits zu hohe Erwartungen geknüpft worden. Nordkorea habe nun wieder Raketentests aufgenommen.

Johannes Pflug im Gespräch mit Jürgen Zurheide |
US-Präsident Donald Trump und Nordkoreas achthaber Kim Jong Un unterhalten sich mit Medienvertretern nach dem Lunch im Capella Resort auf der Insel Sentosa.
Die Rhetorik zwischen Trump und Kim wird wieder rauher (dpa/ap/Evan Vucci)
Was sind sie denn nun die beiden? Der amerikanische Präsident auf der einen Seite und der Präsident von Nordkorea auf der anderen Seite, also Trump und Kim. Ziemlich beste Freunde, das war zumindest die Inszenierung, die sie uns gezeigt haben. Allerdings fallen sie wieder zurück in alte Rollenmuster. Der eine ist dann der Raketenmann, der andere senil. Nun ja, was lehrt uns das denn? Die Tonlage hat sich in der zurückliegenden Woche verschärft. Über all das wollen wir reden mit Hans Pflug, lange im Bundestag, kennt sich aus sowohl in Nordkorea, aber auch in Asien.
Dossier: Atomwaffen
Jürgen Zurheide: Wenn sich jetzt zum Beispiel die Vizeaußenministerin von Nordkorea äußert und dann so etwas sagt wie, nun ja, Herr Trump sei eher senil, wenn sich so eine Vizeaußenministerin äußert, welche Relevanz hat das in einem Regime von Nordkorea?
Johannes Pflug: Na ja, das sind wir gewohnt aus den vergangenen Jahrzehnten, dass also rhetorisch sehr schnell immer mal wirklich über das Maß hinausgeschossen wird, wobei solche Begriffe schlimm sind, aber was wir vor dem Treffen der beiden erlebt hatten, war natürlich viel schlimmer gewesen, nämlich diese furchtbare Drohung mit Atomkrieg und so weiter. Diese Rhetorik hatte sich zunächst mal gelegt.
"Vier Raketentests hat es mittlerweile wieder gegeben"
Zurheide: Jetzt gibt es allerdings auf der anderen Seite die Frage, wenn denn die Nordkoreaner jetzt inhaltlich wieder drohen und auch mehr und mehr Raketentests machen, worauf zielt das eigentlich ab? Man will doch zeigen, dass man es kann, weil die Amerikaner nicht schnell genug möglicherweise die Sanktionen lockern, oder welches Spiel läuft da?
Pflug: Ja, das ist natürlich die spannende Frage. Im Grunde genommen hatte Kim Jong-un ja den Amerikanern ein Ultimatum gesetzt bis zum Ende dieses Jahres, und wenn man sieht, was drumherum passiert, dann muss man natürlich schon ernsthaft auch Besorgnis haben, dass es wieder zu einer Verschärfung kommen kann. Er ist ja gesehen worden auf dem sogenannten heiligen Berg Paektu auf einem Schimmel sitzend. Er hat für die Nordkoreaner eine große symbolische Bedeutung. Außerdem ist bekannt, dass offensichtlich noch in diesem Jahr in der zweiten Dezemberhälfte eine Sitzung des Zentralkomitees der nordkoreanischen kommunistischen Partei stattfinden soll. Vier Raketentests hat es mittlerweile auch wieder gegeben. Also da ist schon zu befürchten, dass sich die Situation wieder verschärfen wird.
Zurheide: Das heißt, die Nordkoreaner haben bestimmte Erwartungen gehabt an diese Gespräche, und diese Erwartungen werden nicht erfüllt. Also verschärft man die Lage.
Pflug: Ja, das ist so, ganz offensichtlich. Nur muss man natürlich auch gucken, was gab es da für Erwartungen. Die Amerikaner haben ja ganz offensichtlich verknüpft diese Gespräche, vor allen Dingen das zweite Treffen in Hanoi, mit der Forderung, dass die Nordkoreaner ja zunächst mal ihre gesamten atomaren Ambitionen aufgeben sollen, das haben sie nicht gemacht. Das kann eigentlich auch nur ein Ergebnis von Gesprächen und Verhandlungen sein. Auf der anderen Seite hatten die Nordkoreaner erwartet, dass die Amerikaner ihre Sanktionen aufheben. Das haben die auch nicht getan. Das zeigt vor allen Dingen, dass Trump in diese Treffen gegangen ist, ohne dass es irgendwelche konzeptionellen Vorstellungen der Amerikaner gegeben hat, bis eben auf diese Maximalforderung. So, und das ist das Problem gewesen an diesem Treffen, wobei ich persönlich durchaus der Meinung bin, das ist gut gewesen, dass diese Treffen stattgefunden haben, aber ganz offensichtlich hat die amerikanische Administration überhaupt nicht dahintergestanden.
"Nordkorea und China sind näher zusammengerückt"
Zurheide: Die andere Frage ist, sind die Amerikaner der entscheidende Spieler in dieser Region, oder blicken wir auf der einen Seite nach China oder vielleicht auch nach Südkorea? Was erwarten Sie da, wen sehen Sie da noch?
Pflug: Die Bedeutung der Amerikaner hat nachgelassen, denn mit diesen Treffen hat es natürlich auch eins gegeben, was vorher nicht zu erkennen war: die Annäherung zwischen Nordkorea und China. Es wurde ja immer behauptet, China sei so der allerbeste Verbündete der Nordkoreaner. In Wirklichkeit hat es zwischen denen beiden Staaten immer ein sehr gespanntes Verhältnis gegeben, und Kim Jong-un hat fast fünf Jahre gebraucht, bevor er zum ersten Mal mit der chinesischen Führung zusammengetroffen ist. Das ist mittlerweile nicht mehr der Fall, sondern ganz offensichtlich gibt es mittlerweile intensive Beziehungen zwischen Nordkorea und China. Die Chinesen sehen Nordkorea mittlerweile auch eher als strategischen Verbündeten, strategisch in dem Sinne, dass sie Nordkorea weiter gebrauchen als Vorfeld zu Japan oder als Vorfeld zu Amerika, wenn ich also erkenne, dass die Amerikaner in Südkorea natürlich vorhanden sind. Also die sind näher zusammengerückt, Nordkorea und China.
Zurheide: Und jetzt haben Sie gerade Südkorea angesprochen. Das heißt, die Frage, ob es eigenständige Beziehungsmöglichkeiten zwischen Nord- und Südkorea gibt, die sind, wenn, immer nur abgeleitet jeweils von den beiden Großmächten, die sich da am Ende doch gegenüberstehen, oder?
Pflug: Ja, das ist so. Es gibt zwar eine Reihe von weiterhin bilateralen Gesprächen zwischen Nordkorea und Südkorea, aber auch da sind diese Gespräche, was die Ergebnisse angeht, mittlerweile sehr stark oder fast ganz ins Stocken geraten, und zwar auch deshalb, weil die Amerikaner nicht bereit sind, den Südkoreanern mehr Raum zu geben. Ohne das Einverständnis der Amerikaner können die Südkoreaner wenig ausrichten, weil die Amerikaner auf ihren Sanktionen beharren und Nordkorea natürlich wirtschaftlich eher Leistungen erwartet von Südkorea. Das ist das eigentlich Bedauerliche, dass wir dort eine Regierung haben, die bereit ist, auch zu Ergebnissen zu kommen, und zwar nicht um jeden Preis, sondern in Abstimmung mit den Amerikanern, aber die wollen im Augenblick nicht.
Zurheide: Jetzt kommen wir vielleicht zurück zu Amerika. Was wir da feststellen, ist, dass Herr Trump wieder einmal viele Luftballons, bunte Luftballons steigen lässt. Er hat dann Fernsehbilder produziert, aber die amerikanische Außenpolitik, wenn ich einen Strich unter unser Gespräch ziehe, ist einigermaßen desaströs, oder?
Pflug: Das kann man so sagen, vor allem ist sie völlig unberechenbar. Das ist das eigentliche Problem. Man weiß nicht, ob das noch morgen gilt, was heute mit Herrn Trump vereinbart worden ist.
Zurheide: Und wenn man dann solche Sprüche hört – Herr Trump ist ja zurückgekommen, das war der Grund unseres Gespräches –, dass er wieder von dem Raketenmann spricht, das heißt, da wechseln Provokationen, die auch eine bestimmte Qualität haben, die wechseln dann wieder mit solchen Bildern ab. Da weiß man nicht, was man von halten soll.
Pflug: Ja, das ist furchtbar. Wenn diese Kriegsrhetorik wieder beginnen sollte, dann wäre das wirklich furchtbar, und man muss da was erwarten. Wie gesagt, das Zentralkomitee wird wahrscheinlich noch in diesem Jahr tagen, und dann wird man sehen. Kim Jong-un muss natürlich auch sein Gesicht wahren. Also irgendwas wird zu erwarten sein. Auf der anderen Seite gibt es ja immer seine berühmten Neujahrsansprachen, und da, wenn man da in die Tradition schaut, dann kann man sagen, dass er auch immer verbindliche Töne angeschlagen hat. Tja, aber insgesamt ist das Ganze nicht beruhigend.
"Zu Beginn des Jahres scheint es in Nordkorea Hungersnöte gegeben zu haben"
Zurheide: Die entscheidende Frage ist dahinter noch mal – ich komme auf die wirtschaftliche Lage in Nordkorea –, was weiß man denn da? Sie sind hin und wieder im Land gewesen. Ich weiß nicht, wann Sie zuletzt da waren. Gibt es da neuere Erkenntnisse? Also ich habe wieder von Hungersnöten gehört. Wie dramatisch ist die Lage?
Pflug: Das scheint so zu sein. Ich war zum letzten Mal vor fünf Jahren dort, war aber letztes Mal vor anderthalb Jahren in Seoul gewesen, in Südkorea, wo ich doch noch relativ enge Verbindungen habe. Auf der einen Seite scheint es zumindest zu Beginn des Jahres Hungersnöte gegeben zu haben. Auf der anderen Seite hat er ja diese neue Stadt Samjiyon eröffnet mit Skibetrieb und Vergnügungspark und so weiter. Er versucht da, irgendwelche Highlights zu setzen, die natürlich nur für die Privilegierten im Lande auch von Bedeutung sind. Auf der anderen Seite hungern die Menschen. Das ist natürlich ein Riesenproblem, aber Kim Jong-un hat schon erkannt, deshalb auch die Gespräche mit den Amerikanern, dass er auf Dauer gesehen beides nicht kann, nämlich atomare Rüstung betreiben und natürlich auch sowas wie zumindest mal eine vernünftige Grundversorgung der Nordkoreaner garantieren. Das ist beides zur gleichen Zeit nicht möglich.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.