600 Bereichsbetretungsverbote durch die Polizei Münster seit 2015. Das behauptet die dortige Fanhilfe, die Anhänger im Umgang mit der Polizei unterstützt und überhaupt erst durch viele verhängte Betretungsverbote gegründet wurde. Die Zahl 600 erscheint realistisch. Eine ARD-Recherche zählte für den Zeitraum 2015 bis 2017 allein 430 Betretungsverbote. Darin wird dem Fußball-Fan angekündigt, dass er am Spieltag festgelegte Bereiche wie z. B. das Stadionumfeld nicht betreten darf. Sonst droht eine Geldstrafe bzw. Ingewahrsamnahme durch die Polizei.
Diese Maßnahme muss aber von der Polizei begründet werden. Laut Fanhilfe war das in Münster nicht immer der Fall, deshalb hat sich nun ein Anhänger dagegen vor Gericht gewehrt: "Sie sind in der Datei Gewalttäter Sport registriert und halten sich regelmäßig in der gewaltbereiten Fußballszene auf", hieß es in einem Polizei-Schreiben, das der Deutschlandfunk einsehen konnte. Rechtsanwalt Cornelius Birr hat den Fan in dem Verfahren vertreten.
"Was mein Mandant gemacht hat, er hat dann einfach mal nachgefragt, welche konkrete Tatsachengrundlage denn jetzt konkret genannt ist, und was die Grundlage für diese Entscheidung sein soll. Das sei ihm nicht klar. Darauf hat er keine Antwort bekommen. Was ihn dabei wirklich interessiert hat, war natürlich die Frage, wie kommt die Polizei darauf, dass ich regelmäßig im Umfeld gewaltbereiter Fußballfans anzutreffen bin?"
Verwaltungsgericht erklärt Verbot für rechtswidrig
Doch diese Begründung fehlte. Noch dazu resultierte der Eintrag in der Datei Gewalttäter Sport aus einem Ermittlungsverfahren, das zu diesem Zeitpunkt schon längst eingestellt war. Deshalb erklärte das Verwaltungsgericht Münster das Verbot in diesem Fall letztendlich für rechtswidrig. Für die Polizei Münster ist das Verfahren allerdings kein Grund diese Maßnahme grundsätzlich nicht mehr anzuwenden. "Mehrere hunderte, tatsächlich, Bereichsbetretungsverbote. Da hat erst eins davon vor Gericht eben nicht standgehalten."
Rechnet der leitende Polizeidirektor Martin Mönnighoff vor. "Wir hören jeden vorher an, und jeder hat die Möglichkeit vorzubringen, warum er glaubt, warum er nicht ein Bereichsbetretungsverbot verdient hat. Ich glaube, dass macht ganz deutlich, dass die Leute eben auch sehen, und das auch akzeptieren, wenn wir sagen: Du hast jetzt ein Stadionverbot, Du hast jetzt die und die Straftaten begangen, und dann bleibt Du am besten bei den nächsten zwei, drei Risikospielen mal zu Hause."
"Wir beobachten eine Veränderung im Vorgehen der Polizei"
In dem von Gericht kassierten Bereichsbetretungsverbot war es für den betroffenen Fan jedoch wegen der fehlenden Begründung nicht möglich, ordnungsgemäß auf die polizeilichen Erkenntnisse zu reagieren. Das monierte letztendlich auch das Gericht. Laut der Fanhilfe Münster hat sich nach dem Urteil die Vorgehensweise der Polizei geändert. Auf ihrer Webseite erklärt sie: "Mittlerweile beobachten wir eine Veränderung im Vorgehen der Münsteraner Polizei, sodass nicht nur die Zahl der Bereichsbetretungsverbote rückläufig ist, sondern in den Anhörungsschreiben nun auch die polizeilichen Erkenntnisse gegen die betroffenen Personen gelistet werden."
Auch der leitende Polizeidirektor Martin Mönnighoff weist darauf hin, dass diese Maßnahme in den letzten Jahren immer weniger angewendet worden ist, aber dennoch seitens der Polizei berechtigt initiiert wird: "Wir sind der Meinung, dass wir so dezidiert auswählen, wer überhaupt in Frage kommt für ein Bereichsbetretungsverbot, dass es dort, glaube ich, zu 99,9 Prozent auch diejenigen trifft, bei denen es besser ist, wenn sie zu Hause bleiben."
Konfliktsituation noch nicht gelöst
Doch selbst wenn die Bereichsbetretungsverbote nun weniger werden, die Konfliktsituation zwischen Polizei und Fans wird dadurch nicht gelöst. Die Polizei erwähnt im Gespräch mit dem Deutschlandfunk zahlreiche Aktionen der Preußen-Fans, die solch eine Maßnahme weiter begründen. Wie zum Beispiel im Februar den Platzsturm einiger vermummter Preußen-Fans beim Heimspiel gegen den 1. FC Kaiserslautern, wo die Partie für mehrere Minuten unterbrochen werden musste.
Die Fanszene des SC Preußen Münster kritisiert das Vorgehen der Polizei. Überall in der Stadt finden sich entsprechende Aufkleber an Verkehrsschildern oder Stromkästen. "Preußen-Fans gegen Repression" heißt es darauf. Denn die Anhänger fühlten sich durch die Verbote kriminalisiert, erklärt Rechtsanwalt Cornelius Birr: "Auch wenn es sich nur in Anführungsstrichen um Bereichsbetretungsverbote handelt. Für denjenigen, der davon betroffen ist, dem kann man zwar erklären, das ist eine Maßnahme der Gefahrenabwehr. Aber trotzdem fühlt er sich alleine wegen der Vorwürfe, die da drinstehen, natürlich kriminalisiert auf irgendeine Art und Weise. Und merkt, nachdem ein Verfahren gegen ihn abgeschlossen worden ist, die Polizei ihn weiterhin belästigt."
Die Polizei kann diese Verbote übrigens alleine aussprechen. Im Gegensatz zu den Stadionverboten, wo der Fußballverein noch ein Mitspracherecht hat.