Sportlich gehört das 4:4 im Revierderby Ende November 2017 in die Kategorie legendär. Schalke holt beim Erzrivalen ein 0:4 auf. Was dabei fast untergegangen ist: Im Vorfeld des Spiels kesselt die Polizei hunderte Schalker ein, und erfasst ihre Personalien. Danach landen 681 Fans in der umstrittenen Datei Gewalttäter Sport. Unter anderem, weil die Polizei die Anreise der Schalker im eigenen PKW als "konspirativ" betrachtet. Dagegen wehrte sich ein Betroffener.
"Ursprung des Ganzen war, dass mein Mandant sich da zu Unrecht behandelt gefühlt hat. Weil er eben dort eingetragen worden ist, ohne jemals in irgendeiner Form negativ polizeilich aufgefallen zu sein", berichtet sein Rechtsanwalt Florian Beisenbusch aus Gelsenkirchen. "Er hat bislang keinerlei Voreintragungen in seinem Bundeszentralregister, hat sich nie an irgendwelchen gewalttätigen Auseinandersetzungen beteiligt. Hat sich nie was zu Schulden kommen lassen, bis es dann eben zu diesem Vorfall in Dortmund gekommen ist, und daraufhin haben wir den Klageweg beschritten."
Speicherung der Daten offenbar rechtswidrig
Als es vor kurzem zur Verhandlung kommen soll, löscht die Polizei Dortmund plötzlich den Eintrag des Schalke-Fans. Auf Deutschlandfunk-Nachfrage schreibt sie dazu: "Eine polizeiliche Maßnahme zur Verhinderung anlassbezogener Straftaten und die daraus gewonnenen Erkenntnisse waren im konkreten Einzelfall Grund der Speicherung. Die sogenannte 'konspirative Anreise' war hierbei ein Gesichtspunkt, der in die Gesamtbewertung der Einsatzkräfte mit eingeflossen ist."
Dennoch habe man nach einer Einzelfallprüfung im Zuge des Gerichtsverfahrens festgestellt, dass eine Löschung vorzunehmen sei, teilt die Polizei weiter mit. Durch die Löschung platzt allerdings die Verhandlung, der Klagegrund hat sich dadurch erübrigt.
Patrick Arnold von der Landesarbeitsgemeinschaft der Fanprojekte in Nordrhein-Westfalen, der soziale Arbeit für und mit Fußballfans gestaltet, hätte sich dagegen genau solch eine gerichtliche Klärung gewünscht: "Das hätte zu einer Verhaltenssicherheit für alle Beteiligten geführt. Am Ende nicht nur für die Fußballfans, sondern auch für die Polizei. Denn dann hätte man ja auch gewusst, wie man zukünftig mit solchen Maßnahmen umgeht. Hier ist ja ganz klar deutlich geworden, dass die Speicherpraxis scheinbar rechtswidrig war."
Und das sieht offenbar auch das Verwaltungsgericht in Gelsenkirchen so. Das geplatzte Verfahren endete mit einem sogenannten Erörterungstermin. Im Protokoll, dass dem Deutschlandfunk vorliegt, heißt es: "Das Gericht weist darauf hin, dass alles dafür spreche, dass die Speicherung der Daten des Klägers in der Datei Gewalttäter Sport von Anfang an rechtswidrig gewesen ist."
"Massiver Vertrauensverlust in Polizeiapparat"
Ein gültiges Gerichtsurteil mit solch einer Feststellung hätte demnach die Speicherung von allen anderen damals erfassten 680 Schalke-Fans ebenfalls in Frage stellen können. Rechtsanwalt Florian Beisenbusch rät allen anderen ebenfalls dagegen vorzugehen. Bei seinem nun gelöschten Mandanten war der Klageweg am Ende entscheidend.
"Das wäre ohne den Druck der Hauptverhandlung nicht geschehen, und auch nicht ohne das vorherige schriftliche Vorverfahren, wo das Verwaltungsgericht schon deutlich gemacht hat, in welche Richtung die Entscheidung gehen wird. Ich rate allen damals betroffenen Schalke-Fans zu beantragen, diese Einträge zu löschen. Ich denke nicht, dass die Polizei Dortmund diese Einträge aus eigenem Antrieb löschen wird."
Auf Deutschlandfunk-Anfrage gibt die Polizei Dortmund jetzt an, dass die weitergehende Speicherung der anderen 680 betroffenen Schalke-Fans personenbezogen überprüft würde. Eine pauschale Aussage zur Speicherung der Daten könne es daher nicht geben.
Für Patrick Arnold von den sozialpädagogischen Fanprojekten in NRW ist dieses Vorgehen der Polizei paradox. Wenn sie konformes Verhalten von Fußballfans einfordere, müsse sie das als staatlicher Apparat auch entsprechend selber anbieten: "Das ist ein massiver Vertrauensverlust in den Polizeiapparat. Und der macht ganz klar deutlich, dass das Spannungsverhältnis zwischen Fußballfans und der Polizei auch zeitnah nicht zum Erliegen kommen wird. Und eine solche Maßnahme, ein solches Verhalten – undurchsichtig, nicht nachvollziehbar - befeuert natürlich den Konflikt, den es da seit langem gibt."