Seit Mitte Juli bombardiert das türkische Militär Stellungen der PKK im Kurdengebiet; der über mehrere Jahre angebahnte Friedenprozess zwischen der regierenden AKP und der PKK ist zum Stillstand gekommen.
Dennoch hält der kurdische Menschenrechter Sertaç Bucak daran fest, dass der Konflikt nicht ohne den türkischen Präsidenten Erdogan gelöst werden könne. Bisher habe keine andere Partei als die AKP den Konflikt mit Verhandlungen lösen wollen. Sertaç Bucak: "Eine mutige Aktion".
Der Aktivist lobte die Einführung von kurdischen Sendungen im staatlichen Fernsehen der Türkei sowie das Zulassen von kurdischen Straßennamen in der Öffentlichkeit. "Das sind meiner Meinung wichtige Schritte."
Umso trauriger sei es, dass es erneut zur Eskalation gekommen ist. Im anatolischen Diyarbakir - "der heimlichen Hauptstadt der Kurden" - herrsche eine Stimmung der Anspannung, verursacht durch zahlreiche Schießerein. Die Leute seien besorgt darüber, dass ihre Verwandten und Bekannten bei diesen Auseinandersetzungen ums Leben kommen könnten.
Ökonomische Lage der Kurdengebiete habe sich stark verschlechtert
Der Konflikt zwischen der türkischen Regierung und den Kurden herrsche schon viel zu lange - zu spüren seien die Auswirkungen nicht in Ankara oder Istanbul. "Der Kriegsschauplatz ist Kurdistan". Das merke man zum Beispiel an den fliegenden Kampfflugzeugen in Anatolien.
Viele Kurden befürchteten jetzt Verhältnisse ähnlich wie in den 90er-Jahren. "Seit 30 Jahren wird gekämpft und keine Seite hat etwas gewonnen. Wir haben Menschen verloren und sind ökonomisch zugrunde gegangen. Und wir haben kulturell verloren."
Als einen der Gründe für die jüngste Eskalation sieht Bucak die türkisch-nationalistische Propaganda Erdogans. Sorge bereite ihm auch die Lage der Kurden in Syrien. Die Menschen in den 300 bis 400 umliegenden Dörfern der syrischen Stadt Kobane mussten deshalb vor dem IS fliehen, weil die PYD - der syrische Ableger der PKK - sie nicht alleine habe verteidigen können. "Mit einer Kalaschnikow können Sie nicht gegen den IS kämpfen"
Die Situation im Irak mache ihm hingegen Hoffnung, sagte Bucak. Der kurdische Teil des Landes gewinnt zunehmend an Autonomie. "Da sehe ich, dass die westliche Art der Demokratie Schritt für Schritt verwirklicht wird." Die dortigen Kurden seien Deutschland zudem "sehr dankbar" für die Unterstützung im Kampf gegen den IS.
Der Menschenrechtler und politische Aktivist Sertaç Bucak, Jahrgang 1951, ist Mitbegründer eines Forschungs-Instituts zur Kurdenfrage im anatolischen Diyarbakir. Er hat lange in Deutschland gelebt, wo er als politischer Flüchtling Zuflucht genoss.
Die Audio-Datei zum Interview steht Ihnen sechs Monate im Bereich "Hören" zur Verfügung.