Arndt Reuning: In der Volksrepublik Kongo wütet bereits seit dem vergangenen Sommer das Ebola-Fieber. Mindestens 770 Menschen sind bereits an dem Virus gestorben. Die Weltgesundheitsorganisation WHO hat Ende der vergangenen Woche verkündet, dass die Epidemie im Kongo keinen internationalen Gesundheitsnotstand darstellt. Wäre der ausgerufen worden, hätte zum Beispiel verstärkt Gesundheitskontrollen an den Landesgrenzen durchgeführt werden können. Eine Expertin für den Kampf gegen das Ebola-Virus ist Maylyn Addo, Professorin am Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf. Frau Addo, wie beurteilen Sie denn die Entscheidung der WHO?
Marylyn Addo: Es gab ja am 12.04. eine große kontroverse Diskussion, ob der internationale Gesundheitsnotstand ausgerufen werden sollte. Die Experten haben sich zusammengesetzt und haben zu diesem Zeitpunkt beschlossen, dass der Ausruf eines Notstands derzeit nicht gerechtfertigt ist. Das kann kontrovers diskutiert werden, formal gibt es durchaus Punkte, die dafürsprechen. Der Ausbruch ist nicht gut unter Kontrolle und ist in einem Gebiet, wo andere Länder auch betroffen sein könnten. Es gab noch keine Fälle in den benachbarten Ländern, aber ein solcher Notstand könnte auch ausgerufen werden, wenn die Nachbarländer bedroht sind. Zu diesem Zeitpunkt wurde dies jedoch nicht für nötig empfunden, und das muss man respektieren.
Helfer haben teilweise keinen Zugang zu Dörfern
Reuning: Woran mangelt es denn nach Ihrer Sicht in der Volksrepublik Kongo bei dem Kampf gegen das Ebola-Fieber?
Addo: Man muss ja sagen, dass auch dieses Gesundheitskomitee, das sich getroffen hat, die Bemühungen der Democratic Republic of the Congo sehr gelobt hat. Es ist eine sehr komplexe politische Situation im Land – es gibt Gegenden, die schwer zugänglich sind, es gibt bewaffneten Konflikt, die Ersthelfer und Helfer und die Organisationen, die sich dort vor Ort bemühen, haben zum Teil keinen Zugang bekommen zu Gemeinden und Dörfern, die betroffen waren. Insofern ist die Nachverfolgung von Erkrankten und von Kontakten dort sehr erschwert gewesen. Das ist, glaube ich, eine der schwierigsten Herausforderungen, denen sich die Ersthelfer dort stellen müssen.
Reuning: Und wie sieht es aus mit der Impfung der Menschen vor Ort, verläuft die denn erfolgreich?
Addo: Das ist sicherlich ein Erfolgserlebnis: Seit Beginn des Ausbruchs sind über 100.000 Impfungen durchgeführt worden von Kontakten, das heißt Personen, die mit Ebola erkrankt sind, in Kontakt gekommen sind und von Kontakten von Kontakten. Das ist sicherlich weltweit noch nie dagewesen, und es sind jetzt auch Daten zur Verfügung gestellt worden – erste Daten, noch nicht offiziell publiziert, da der Impfstoff sehr wirksam ist, über 75 Prozent.
Immer wieder Übergriffe der Bevölkerung auf Helfer
Reuning: Sie haben es ja schon erwähnt, die politische Situation ist schwierig, in den betroffenen Provinzen im Nordesten der Volksrepublik, da kämpfen Rebellentruppen gegen die Armee des Landes. Gesundheitszentren, in denen die Verdachtsfälle zunächst isoliert, beobachtet und dann gegebenenfalls behandelt werden, diese Gesundheitszentren sind schon mehrfach überfallen und niedergebrannt worden. Kann denn die Sicherheit der Helfer vor Ort überhaupt garantiert werden?
Addo: Ja, das ist die große Herausforderung dieses Ausbruchs, das Miteinander mit der Community. Es muss Vertrauen aufgebaut werden, und vertrauensbildende Maßnahmen sind hier ganz wichtig, denn es bestehen große Ängste, und deshalb kommt es immer wieder zu Übergriffen von der Bevölkerung auf Ersthelfer. Es sind Ersthelfer verschleppt worden. Die Regierung bemüht sich, die internationale Community bemüht sich, dieses Problem ganz konkret anzugehen. Das wird sicherlich auch ein maßgeblicher Faktor sein, um den Ausbruch unter Kontrolle zu bekommen. Wenn die Bevölkerung nicht mitarbeitet, sich nicht impfen lässt, keinen Zugang zu Erkrankten verschafft oder gar Behandlungszentren zerstört, dann haben wir natürlich ein großes Problem.
"Schwierige politische Situation"
Reuning: Hat denn die Ebola-Epidemie im Kongo bisher einen typischen Verlauf genommen, so wie man es von anderen Ausbrüchen her kennt?
Addo: Man muss ja sagen, dass dieser Ebola-Ausbruch im Kongo der zehnte für das Land ist und weltweit der zweitgrößte, den wir bisher gesehen haben. Insofern, die beiden letzten großen – der westafrikanische und dieser – sind die größten Ausbrüche, die wir jeweils gesehen haben. Insofern verlaufen sie aus diesem Grund nicht ganz typisch, weil normalerweise auch der letzte Ausbruch im Kongo, der ja gerade erst im Frühjahr des letzten Jahres eingedämmt wurde, hatte ja so ungefähr unter 200 Betroffene nur. Das war bisher immer relativ mit einfachen Maßnahmen möglich. Es liegt sicherlich an der Location, an der geografischen Situation, in der dieser Ausbruch stattfindet. Wie gesagt, die WCS hatte ja schon einen Ausbruch, hatte schon mehrere Ausbrüche, die sie selber gut in den Griff bekommen hat, aber diese schwierige politische Situation mit bewaffnetem Widerstand und erschwertem Zugang lässt halt die Maßnahmen, die man sonst einsetzt zur Bekämpfung des Ausbruchs, einfach schwierig vorankommen.
Reuning: Ist denn schon abzusehen, wann diese Epidemie ein Ende finden könnte?
Addo: Es ist schwer zu spekulieren. Es sah ja zunächst so aus, als hätte man schon gewisse Erfolge erzielt, auch durch diese massive Impfstoffkampagne. Jetzt in den letzten Wochen gab es wieder neue Fälle, die zum Teil auch nicht verwandt waren oder zumindest nicht nachvollziehbar waren, von schon bekannten Kontakten. Und man muss jetzt die nächsten Wochen beobachten, wie sich der Ausbruch weiterentwickelt. Ein Teil dieses Anstiegs der neuen Fälle ist wohl dem geschuldet, dass tatsächlich vertrauensbildende Maßnahmen gegriffen haben und Gegenden oder Gemeinden, die vorher den Ersthelfern nicht einen Zugang ermöglicht haben, haben sich jetzt bereiterklärt, und deswegen können dort die Fälle auch gezählt werden. Das hat zu einem Teil des Anstiegs sicherlich beigetragen, aber dennoch gibt es Fälle, wo man die Infektionsketten noch nicht entschlüsselt hat. Insofern gibt es noch viel Arbeit zu tun. Das wird sicherlich keine Wochen, sondern eher Monate sein, bis der Ausbruch unter Kontrolle gebracht wird.
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