Der Virunga-Nationalpark im Osten der Demokratischen Republik Kongo ist das älteste Naturschutzgebiet Afrikas. Ein UNESCO-Weltkulturerbe, Heimat der bedrohten Berggorillas. Doch nicht nur der seit 20 Jahren andauernde Krieg gefährdet die Tiere. Jüngst wurde Öl entdeckt. Die britische Ölfirma SOCO führt Testbohrungen durch – auf Wunsch der Regierung, denn die braucht das Geld. Jetzt steht zur Debatte, ob der Park nicht aufgelöst werden soll, um die Wirtschaft in Gang zu bringen.
Weltkulturerbe gefährdet
Mitten durch den Park windet sich eine Straße in den Bezirk Rutshuru, der wie eine Insel inmitten des Urwaldes liegt. 1,5 Millionen Menschen leben dicht gedrängt vom Ackerbau. Doch das Land reicht nicht für alle. Immer öfter dringen die Bauern in den Park ein. Jetzt ragt am Waldrand eine Mauer empor. Der verzweifelte Versuch, den Park zu bewahren, erklärt Parkdirektor Emmanuel de Merode.
"Der Nationalpark wurde errichtet, um ein Weltkulturerbe zu schützen. Das war unter Kolonialherrschaft 1925. Die Natur soll der Weltgemeinschaft erhalten bleiben. Doch in der Realität ist es die lokale Bevölkerung, die dafür bezahlt. Eine kongolesische Großfamilie kann im Monat rund 600 Dollar aus ihren Feldern erwirtschaften. Das reicht zum Überleben. Jetzt nimmt ihnen der Park also nicht nur Land weg, sondern auch den Ertrag. Und das auch noch in einem der ärmsten Länder der Welt. Das ist extrem ungerecht."
Als Prinz der belgischen Königsfamilie ist de Merodes Herkunft und Hautfarbe Sinnbild der Kolonialherren, die einst den Park gegründet haben. Der Anthropologe wurde von Kongos Regierung angestellt, den Balanceakt zu meisten, die Natur sowie die Menschen zu schützen. Doch wie soll das gehen? De Merode hat eine Idee.
Amerikanischer Milliardär will Park retten
Zwei Flüsse rauschen durch den Virunga. Sie sind kraftvoll genug, um Strom zu erzeugen. Elektrizität ist eine seltene Ressource. Mit einem Wasserkraftwerk lasse sich die Wirtschaft in Gang bringen – und der Park könne gerettet werden. Jetzt hat sich der amerikanische Milliardär und Coca Cola Direktor Howard Buffet auf die Fahnen geschrieben, den Virunga zu retten. Er finanziert ein Wasserkraftwerk, das Ende dieses Jahres nach vielen Anlaufschwierigkeiten fertiggestellt wird, sagt er.
"Es gab ein Schlüsselmoment 2012, an einem Abend mit Emmanuel in der Parkstation. Draußen war das Feuergefecht zu hören. Wir sprachen über das Wasserkraftwerk. Ich wollte zehn der insgesamt 20 Millionen Dollar investieren. Die andere Hälfte sollte von zwei anderen Investoren kommen. Doch dann ließen sie Emmanuel hängen. Er war so enttäuscht. Und ich erinnere mich, wie ich mich zurücklehnte. Ich saß auf seiner Couch oder an seinem Tisch, ich weiß es nicht mehr. Und ich sagte „aber wir müssen das Projekt unbedingt machen". Also habe ich das komplette Wasserkraftwerk finanziert. Denn es ist so wichtig für die Region und kann das Leben der Menschen so signifikant verändern."
Konflikte um Ackerland
Der Verwaltungsbezirk Rutshuru liegt wie eine Insel inmitten des Parks. Noch bis vor eineinhalb Jahren haben Rebellen Rutshuru belagert. Dann wurden sie besiegt. Doch immer noch verstecken sich Milizen im Unterholz des Parks, rauben Lastwagen aus, überfallen Bauern auf ihren Feldern. Der Park ist eine Quelle der Unsicherheit. Und jetzt schürt er auch noch Landkonflikte, erklärt Leonard Nyarubwa, Professor für Geografie an der Universität von Rutshuru und Vertreter der größten Volksgruppe: den Hutu.
"Als der Park gegründet wurde, war die Bevölkerungsdichte noch gering. Damals hatte man auch ein Jagdgebiet angelegt. Dort durften die Männer jagen gehen. Seitdem hat sich die Bevölkerung verdoppelt. Die Menschen haben Äcker im Jagdgebiet angelegt. Die meisten von der Ethnie der Nande, die aus dem Norden eingewandert sind. Jetzt hat die Parkverwaltung ein Kompromiss vorgeschlagen: Sie gibt die Hälfte des Jagdgebiets an die Nande-Bauern. Die andere Hälfte als Naturschutzgebiet erhalten. Das führt zu Konflikten. Wir Hutu haben unser Land 1925 dem Park gegeben, und nicht dem Nande-Volk! Die Parkverwaltung soll die Nande-Bauern evakuieren, denn wir sind nicht einverstanden."
Wie überall im Ostkongo, sind es die Konflikte um Ackerland, die den Bürgerkrieg anheizen. Immer häufiger fragen sich die Kongolesen, warum die Weltgemeinschaft Gelder bereitstellt, um Natur und Tiere zu retten, wenn die Menschen in Gefahr sind.