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Kongo
WHO: Sicherheitslage erschwert Kampf gegen Ebola

Um den Ebola-Ausbruch im Kongo zu bekämpfen, habe man eigentlich alle Instrumente, sagte der Pressesprecher der Weltgesundheitsorganisation WHO im Dlf. Doch die Rahmenbedingungen um die Region Beni im Kongo erschwerten die Hilfsarbeit. Schuld sind bürgerkriegsähnliche Zustände.

Christian Lindmeier im Gespräch mit Michael Böddeker |
    Mitarbeiter der Gesundheitsdienste mit einem Ebola-Patienten in einem speziellen Zentrum in Bunia in der Demokratischen Republik Kongo.
    Mehr als 300 Mitarbeiter der WHO sind im Kongo vor Ort um den Ebola-Virus einzudämmen. Doch die dortige Sicherheitslage erschwert die Umsetzung ihrer Arbeit. (AFP / John WESSELS)
    Michael Böddeker: Wie ist denn aktuell die Lage im Kongo?
    Christian Lindmeier: Also, die Lage, die wir im Moment sehen bei diesem mittlerweile zehnten Ausbruch in der Republik Kongo, ist wesentlich anders als die vorhergehenden. Es ist der zweitschwerste mittlerweile, wir hatten ja vor vier Jahren den großen Ausbruch mit Tausenden von Toten in Westafrika, aber dieser jetzt im Kongo ist vor allem deswegen erschwert, weil er in einer Region ist, in der außerdem bürgerkriegsähnliche Zustände herrschen. Wir haben einen Riesenkonfliktherd seit Jahren dort, es ist an der Grenze zu Uganda um die Region Beni herum, wo also bewaffnete Gruppen das Tagesbild prägen und die Bevölkerung dementsprechend verunsichert ist, keinem traut, und natürlich eine Person, die infiziert ist und die man finden müsste, teilweise schwer zu finden ist, Kontakte schwer nachzuverfolgen sind, wenn sie in Regionen untertauchen oder sich einfach nur befinden, wo eben Konfliktherde herrschen. Das macht einen perfekten Cocktail oder einen perfekten Sturm schon fast, wo der eh schon sehr gefährliche Ebola-Virus sich mit einer Sicherheitssituation am Boden mischt, wo es unheimlich schwer ist, die Operation und die nachfolgenden Maßnahmen zu ergreifen, um diesen Virus einzudämmen.
    Böddeker: Ist das denn überhaupt möglich, Maßnahmen zu ergreifen, wenn gerade dort eben Konflikte ausgetragen werden? Was wird aktuell gemacht?
    Lindmeier: Lassen Sie mich kurz den Vergleich ziehen zu dem letzten Ausbruch in Kongo, der gerade mal ein paar Monate her ist, im Westkongo war das. Das haben viele Leute vielleicht gar nicht mehr in Erinnerung, einfach deswegen, weil er so schnell vorbei war, weil genau das gemacht werden konnte, was wir wissen.
    Erschwerte Umsetzung trotz bewährter Strategie gegen Virus
    Lindmeier: Wir haben eigentlich alle Instrumente mittlerweile und wissen genau, was wir tun können und tun müssen, um so diesen Ebola-Virus und einen Ausbruch einzudämmen. Wir müssen zuerst natürlich die Fälle identifizieren, und da muss vor allem die ganze Bevölkerung mitarbeiten, und dann natürlich behandeln, und die Kontakte der Kontakte, also zwei Stufen weiter, zwei Ringe weitergehen, um jeden zu finden, der irgendwie mit dieser Person in Kontakt gewesen sein könnte – das erfordert unheimlich viel Fußarbeit im wahrsten Sinne des Wortes, Teams, die in den hintersten Winkel einer Region gehen, die schwer zugänglich ist, mit Motorrädern, Motorrollern, zu Fuß stunden-, tagelang laufen, um in irgendein Dorf zu kommen, wo Fälle gemeldet werden. Dann haben wir Gott sei Dank, kann man sagen, einen Experimentalimpfstoff, der sich als hervorragend erweist bis jetzt, wir haben Medizin, die sich auch wunderbar erweist. Also, die Maßnahmen, die Mittel hätten wir, wir brauchen nur das Klima, sozusagen, die Außenbedingungen, um hier effektiv voranzukommen.
    Böddeker: Und die haben Sie im Moment nicht?
    Lindmeier: Durch die Sicherheitslage am Boden und die damit einhergehende Verunsicherung der Bevölkerung, die also da nicht jedem traut, wird es unheimlich schwierig gemacht. Wir haben als zweiten großen Faktor noch ein großes Streben nach informellen Gesundheitszentren, wo keine offiziellen Fürsorgezentren bestehen, wo teilweise Leute mit denselben Injektionsnadeln behandelt werden oder dieselbe Injektionsnadel für mehrere Personen hintereinander verwendet wird, das ist natürlich ein Gefahrenherd für jede Art von Infektion – und besonders in einer mit Ebola infizierten Region –, die wir so nicht gerne haben und die es unheimlich erschwert, voranzukommen.
    Böddeker: Außerdem sind auch viele Menschen auf der Flucht und die Region ist außerdem noch ein Knotenpunkt für Handelsrouten.
    Zusammenarbeit mit Gesundheitsbehörden ist essenziell
    Böddeker: Wie groß ist denn die Gefahr, dass sich die Krankheit noch weiter ausbreitet?
    Lindmeier: Wir arbeiten sehr, sehr eng mit den Behörden dort zusammen, in Uganda zum Beispiel sind mittlerweile schon über tausend Gesundheitsmitarbeiter, also Krankenhauspersonal oder Gesundheitszentrumspersonal, geimpft worden. Im Südsudan werden Vorbereitungen getroffen, um bereit zu sein, falls es diese Übertragung über die Grenze gibt. Denn es ist genau wie Sie sagen, zum einen sind Menschen auf der Flucht, es sind Handelswege, Grenzen sind teilweise nur Striche auf dem Boden, und da muss gesehen werden, wie wir diesem einherkommen. Und nichtsdestoweniger haben wir jeden Tag Hunderte von Personen, die genau diese Vorbereitungen treffen, die trotz der Sicherheitslage ganz angespannt jeden Tag arbeiten, 20 Stunden am Tag dran sind, jeden einzelnen Fall bis in den hintersten Winkel zu verfolgen, mit den Behörden zu arbeiten, sogar auch die Rebellengruppen zu informieren, auch die sind wichtig in dem Fall, weil natürlich, wenn in einer Gruppe, die nur schwer zugänglich ist, eine Infektion herrscht, wird sie auch von dort weitergetragen. Also jeder einzelne Beteiligte auf dem Boden muss über dieses Risiko dieser Krankheit Bescheid wissen und am besten natürlich mit den Gesundheitsbehörden zusammenarbeiten.
    Freiwilliges Hilfspersonal sollte regelmäßig rotieren
    Böddeker: Haben Sie denn genug Leute, die dabei helfen, die Krankheit zu bekämpfen, ob es jetzt Freiwillige sind aus der Bevölkerung oder eben von den Hilfsorganisationen? Gibt es da genug Personal?
    Lindmeier: Die WHO hat in jedem Moment ungefähr 300, mehr als 300 Mitarbeiter vor Ort, die teilweise bis zu 20 Stunden pro Tag arbeiten, auch verschiedene NGOs, die bekanntesten natürlich das Rote Kreuz oder die Médecins Sans Frontières, also die Ärzte ohne Grenzen, sind ebenfalls vor Ort, viele Länder geben ihre Unterstützung. Also Personal ist im Moment als solches nicht das Problem, aber dieses Personal muss natürlich erneuert werden, das heißt rotiert werden, weil Leute, die für Wochen oder teilweise Monate 20 Stunden am Tag arbeiten, da ist natürlich sehr bald die Erschöpfungsgrenze erreicht, und wir wollen nicht, dass die Leute krank werden, weil sie unvorsichtig werden oder weil sie erschöpft sind. Also hier muss Rotation stattfinden, das ist teilweise schwierig, weil wir natürlich immer wieder frisches Personal, genauso hochkarätiges oder genauso ausgebildetes Personal reinkriegen müssen – und das ist für alle Beteiligten eine ernste Herausforderung und unsere tägliche Anstrengung, dieses auch sicherzustellen.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.