Die gute Nachricht verkündet Martin Wansleben gleich zu Beginn: Die Konjunktur läuft erfreulich stabil, für dieses Jahr erwartet der Deutsche Industrie- und Handelskammertag ein Wachstum von 1,3 Prozent. Das sei nicht herausragend, aber solide, sagt der DIHK-Hauptgeschäftsführer. Und fügt mit Blick auf die Talfahrt beim Dax hinzu:
"Wenn man darauf guckt, hat man keine Veranlassung davon auszugehen, dass der jetzige Börsenverlauf darauf schließen lässt, dass der Konjunktureinbruch bevorsteht."
Der Ölpreis ist niedrig, der Euro schwach, die Finanzierungssituation ist günstig. Für die meisten Unternehmen sind das sehr gute Rahmenbedingungen.
"Die Unternehmen bewerten ihre Geschäftslage Anfang 2016 so gut wie noch nie. Vor allem Handel, Dienstleistungen und Bau machen derzeit gute Geschäfte."
Und doch zeige die Konjunkturumfrage bei den Industrie- und Handelskammern – nicht zum ersten Mal – ein interessantes Ergebnis:
"Es gibt nur wenige Firmen, die uns sagen, das ist nicht so wahnsinnig gut, und wie schon in den Vorumfragen sehen wir aber, dass die wirklich gute Lage nicht wirklich durchschlägt auf die wirklich guten Erwartungen. Die Erwartungen sind eher verhalten."
Drohende Grenzkontrollen sind ein Risiko für die deutsche Wirtschaft
Das hemme erfahrungsgemäß die Bereitschaft zu Investieren. Mit Sorge schauen viele Unternehmen auf die wirtschaftliche Schwäche Chinas und vieler ölproduzierender Länder, aber auch wirtschaftspolitische Rahmenbedingungen beunruhigen die Befragten. Unsicherheit gibt es auch angesichts der Flüchtlingszahlen: Drohende Grenzkontrollen und mögliche politische Konflikte innerhalb der EU sieht Martin Wansleben als Risiko für die deutsche Wirtschaft, hinzu kommt die langfristige Herausforderung der Integration. Und die Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt: 2016 werden zwar voraussichtlich 220.000 zusätzliche Stellen geschaffen, gleichzeitig wird aber auch die Zahl der Arbeitslosen steigen. Vor allen bei den Flüchtlingen. Ihnen fehlen Sprachkenntnisse und entsprechende Qualifikationen:
"Die Flüchtlinge können die Fachkräftelücke auf lange Sicht nicht schließen. Deutschland braucht weiterhin eine aktive Einwanderungspolitik, auch das ist ein Thema, was wir bewahren müssen trotz der Flüchtlingsdiskussion, trotz der Krise. Wir brauchen offene Grenzen für diejenigen, die die Qualifikationen mitbringen, die wir dringend brauchen, um die Lücken zu schließen, damit die Unternehmen wettbewerbsfähig bleiben."
Allerdings seien die Flüchtlinge auch ein Teil der Erklärung für die gute Situation in der Bauwirtschaft, erläutert Konjunkturexperte Dirk Schlotböller:
"Unterkünfte müssen gebaut werden, hinzu kommen die Sachleistungen, die Transferleistungen für Flüchtlinge, die den Konsum ankurbeln, und auch das Sicherheitsgewerbe und die Sozialdienste profitieren von der Flüchtlingsentwicklung."
Das trage zur Konjunktur ungefähr einen Drittelprozentpunkt bei.
"Wenn man den Kostenschätzungen, die realistisch kursieren, Glauben schenkt, dann läge das Wachstum ungefähr in der Größenordnung von einem Prozent."
Gleichzeitig sorgt sich der DIHK, dass wegen der Flüchtlingskrise andere wichtige wirtschaftspolitische Themen nicht intensiv genug diskutiert werden. Etwa Beschränkungen bei Zeitarbeit und Werksverträgen.