Es gebe Risiken, die insgesamt die Unsicherheit erhöhten, sagte Stefan Kooths, Leiter des Prognosezentrums im Kieler Institut für Weltwirtschaft. Man könne aber etwas Entwarnung geben, hinter den Wachstumszahlen stecke immer noch eine stabile, konjunkturelle Dynamik. "Die Tatsache, dass wir auf den Jahresdurchschnitt bezogen eine vergleichsweise magere Zahl haben, sagt noch nichts über die zugrundeliegende Konjunkturdynamik aus." Es sei wenig sinnvoll, jetzt zu viel "Moll" zu intonieren, so Kooths. Die deutsche Wirtschaft sei immer noch überausgelastet.
Für die Partei Die Linke erklärte Fabio De Masi, der Abschwung stehe vor der Tür. Zwar sei es gut, dass die Binnenkonjunktur mittlerweile mehr zum Wachstum beitrage, aber Deutschland habe "für die Größe der Volkswirtschaft einen außerordentlich hohen Exportanteil". Der Aufschwung sei außerdem ein gespaltener Aufschwung gewesen, er sei bei vielen Menschen der unteren Einkommensskala nicht angekommen. Deshalb sei es dringend nötig, dass Deutschland sich vom Export unabhängiger mache, mehr Geld in öffentliche Investitionen stecke, die Binnenwirtschaft stärker fördere und für mehr Sozialausgleich sorge.
EZB und Geldpolitik
Es gehe darum, dass ein größerer Teil dessen, was Deutschland erwirtschafte, auch investiert werde, unterstrich auch Sven Giegold von den Grünen, Mitglied des Europaparlaments. Viele Kollegen im EP seien der Auffassung, dass er Leistungsüberschuss Deutschlands zu hoch sei. Problematisch sei, so Giegold, dass die Europäische Zentralbank habe einspringen müssen, als es darum gegangen sei, den Krisenländern zu helfen. Ohne die Geldpolitik der EZB wäre der Euro in noch schwieriges Fahrwasser gekommen. Aber nachdem die Politik sich europaweit geweigert habe, eine gemeinsame Lösung für die Schuldenkrise zu finden, habe die Zentralbank in die Bresche springen müssen.
Die Zeit der niedrigen Zinsen, so Stefan Kooths, sei nicht ausreichend für Reformen genutzt worden. "Wir haben die Krise nicht bereinigt". Und jetzt werde die Geldpolitik Gefangene ihrer eigenen Strategie. Insofern sei die Weltwirtschaft nicht in ruhigem Fahrwasser.
Es sei richtig gewesen, billiges Geld in den Markt zu pumpen, meinte Fabio De Masi, aber die Kürzung von öffentlichen Investitionen habe in Südeuropa dazu geführt, dass die Depression nicht überwunden werden konnte. Im übrigen müsste die Geldpolitik fiskalisch und durch öffentliche Investitionen entlastet werden, es herrsche eine Überforderung der Geldpolitik.
Defizitfragen und Investitionen
De Masi sagte weiter, Strukturwandel werde nicht durch das Vernachlässigen von öffentlichen Investitionen befördert. Auch Italien müsse zum Beispiel die Gelegenheit haben, zu investieren.
Stefan Kooths vom Kieler Institut für Weltwirtschaft erinnerte daran, dass die Niedrigzinspolitik nicht zuletzt eine Folge der Überschuldungsprobleme in der Eurozone sei. Ein Land könne nicht dadurch wieder wachstumsstark gemacht werden, dass neue Schulden oben drauf gelegt würden. Höhere Investitionen seien das eine, die müssten aber nicht durch höhere Defizite finanziert werden, sie könnten auch durch Umschichtungen in den Haushalten finanziert werden. Es sei ein Fehlschluss, Investitionen durch Defizite zu finanzieren. Je mehr Staatsschulden in das Wirtschaftssystem gegeben würden, desto größer werde das Ruhekissen für Vermögende.
Klemens Kindermann vom Deutschlandfunk unterstrich, es sei richtig, ein Planungsbeschleunigungsgesetz ins Auge zu fassen und die Forschungsförderung zu erhöhen. Das Problem derzeit seien fehlende Planungskapazitäten in Kommunen, Ländern und Behörden.
Giegold unterstrich, Deutschland investiere zu wenig. Er halte aber wenig davon, alle Investitionen jetzt aus den Schuldenregeln herauszurechnen, wie es unter anderem in Italien gefordert wird. Wichtiger seien intelligente Anreize für Investitionen.
Schwindsucht auf dem Sparbuch
Was soll der deutsche Sparer machen, fragte Klemens Kindermann vom Deutschlandfunk. Deutschland sei schließlich auch ein Teil des EZB-Systems und die Verluste der Anleger müssten berücksichtigt werden. Fabio De Masi forderte einen strengeren Umgang mit großen Konzernen wie Apple, die zu wenig Steuern zahlten. Die Sparer sollten sich eine Regierung wählen, die die gesetzliche Renten wieder stärke. Sven Giegold plädierte für gemeinsame Unternehmensbesteuerung in Europa, es sei ein schwerer Fehler dies nicht zu nutzen, um dann gemeinsam große Projekte anzuschieben.