Der Brexit verursacht entweder großen Schaden - oder sehr großen Schaden. Diese Einschätzung der Britischen Handelskammer in Deutschland zeigt vor allem die große Unsicherheit, die die jüngsten turbulenten Tage im britischen Unterhaus zum wiederholten Mal ausgelöst hat. Und das mache den Unternehmen mehr und zu schaffen, so Handelskammerpräsident Michael Schmidt:
"Die unklare Situation, wie es denn eigentlich weitergeht, hält nach wie vor an. Das ist nicht gut für Unternehmen, weil sich dadurch zwangsläufig Investitionsentscheidungen, Einstellungsentscheidungen und ähnliches verzögern. Man weiß schlicht nicht, wie es weitergeht."
Weshalb beim Brexit ein Ende mit Schrecken sicherlich besser sei als ein Schrecken ohne Ende. Wobei allerdings klar sei, dass ein No-Deal-Brexit erhebliche Nachteile nicht nur für britische, sondern natürlich auch für deutsche Unternehmen habe.
Vier von zehn Unternehmen sind unvorbereitet
Mit Sorge beobachtet die britische Handelskammer, dass ein Großteil der Unternehmen noch immer nicht ausreichend auf die Folgen eines Austritts der Briten aus der EU vorbereitet sei; mehr als 40 Prozent der Unternehmen beispielsweise in Großbritannien. Das müsse sich schnellstens ändern, so Michael Schmidt.
Dass Zollformalitäten stark zunehmen werden, sei nicht schwer vorauszuahnen. Dafür könnten sich die Unternehmen besser vorbereiten. Allerdings werde es langfristig auch irgendwann wieder einen "eingefahrenen Zustand" in den Handelsbeziehungen geben.
"Unternehmen sind an der Stelle immer echt flexibel gewesen. Sie wissen damit umzugehen. Aber: Es ist ganz klar, es wird eine sehr harte Phase werden."
Schon jetzt bremst der Brexit
Wobei die Brexit-Unsicherheit längst Schaden hierzulande angerichtet hat - so das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung in Berlin. Der Export schwächelt. Bei einem harten Brexit werde das EU-Wachstum in den kommenden zwei Jahren um jeweils 0,2 Prozentpunkte zurückgehen, sagt Claus Michelsen, DIW-Konjunkturchef. In Deutschland aber spürbarer als anderswo.
"Der Brexit hat durch die Verunsicherung der Unternehmen dazu geführt, dass weniger investiert wurde. Dass seit Beginn des Jahres der Handel mit Großbritannien deutlich weniger intensiv geführt wird, als wir das in den Vorjahren beobachtet haben. Der zweite Effekt ist - wenn man sich nicht einigen kann - dann hat das neben der Verunsicherung der Unternehmen auch ganz konkrete Auswirkungen auf die Handelsbeziehungen. Wir rechnen damit, dass ein harter Brexit ohne Abkommen dazu führen würde, dass wir im nächsten Jahr 0,4 Prozent weniger Wachstum in Deutschland sehen werden."
DIW fordert mehr Investitionen
Für Deutschland rechnet das Forschungsinstitut nur noch mit einem Gesamt-Wirtschaftswachstum von 0,5 Prozent für das laufende Jahr. Weshalb die Bundesregierung mehr investieren müsste, kritisiert Marcel Fratzscher, der DIW-Präsident.
"Größenordnung: Ein Prozent der Wirtschaftsleistung. Also rund 30 Milliarden Euro, die jedes Jahr - über einen Zeitraum von 15 Jahren - in eine bessere Verkehrsinfrastruktur, in den Aufbau der digitalen Infrastruktur, besonders in Energienetze, und auch in Bildung, Forschung und Entwicklung investiert werden sollten."
Denn bislang sei es vor allem der private Konsum, der derzeit noch für Wachstumsimpulse sorge, nicht die notwendige Nachfrage nach Investitionsgütern.