"Ich finde den Ansatz wirklich gut, ich finde es auch extrem wichtig, dass so ein Eckpunktepapier auf den Weg kommt. Es ist schon lange fällig, kann man sagen."
Die Erleichterung ist Karsten Lemmer anzuhören. Im Vorstand des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt ist er für Energiethemen zuständig. Wasserstoff als Energieträger der Zukunft wird zwar schon lange beforscht. Doch um zu zeigen, ob Wasserstoff tatsächlich für den Einsatz im großen Maßstab taugt, braucht es eine klare Strategie, einen Masterplan der Politik.
Auf diesen musste die Branche lange warten. Letzte Woche, im Rahmen des Corona-Konjunkturpakets, präsentierte die Bundesregierung nun die Eckpunkte für ihre Nationale Wasserstoffstrategie. Garniert ist es mit einem überraschend üppigen Preisschild: Neun Milliarden Euro sollen in die Förderung der Wasserstoffwirtschaft fließen – zur Freude der Fachleute.
"Da ist dieses Programm im wahrsten Sinne des Wortes Gold wert, dieses Thema entsprechend zu beflügeln."
Es braucht große Produktionsanlagen
Was nun soll mit dem Geld passieren? Vor allem aber: Kann das Konjunkturpaket der Wasserstoff-Wirtschaft zum Durchbruch verhelfen? Neue Grundlagenforschung jedenfalls braucht es eher nicht, meint Kurt-Christoph von Knobelsdorff, Geschäftsführer der Nationalen Organisation Wasserstoff- und Brennstoffzellentechnologie.
"Wenn es um grundsätzliche Forschung geht, würde ich schon sagen, dass viele der Technologien durch die Anstrengungen der letzten Jahre im Grunde marktreif sind. Und dass es jetzt vor allem darum geht, den Markthochlauf in Gang zu kriegen."
Konkret heißt das, statt kleiner Demonstrationsprojekte nun große Industrieanlagen zur Wasserstofferzeugung und -verarbeitung zu bauen. Zum Beispiel riesige Elektrolyseure, die Wasser mit Hilfe von erneuerbarem Strom spalten und dadurch Wasserstoff in Tonnenmengen produzieren können statt nur im Kilogrammmaßstab. Eine Massenproduktion, die das Kardinalproblem von grünem Wasserstoff lösen soll: Bislang ist er schlicht zu teuer, sagt Christopher Hebling vom Fraunhofer-Institut für Solare Energiesysteme.
"Die Frage, die über allem steht, sind die Kosten. Wie kann nicht nur die Wasserstofferzeugung über die Elektrolyseure, sondern auch Transport, Speicherung, Rückwandlung so kostengünstig gestaltet werden, dass sie auch in einer fossilen Welt überleben kann?"
Bis dato kostet grüner Wasserstoff rund fünf Euro pro Kilogramm. Dieser Preis müsste auf die Hälfte gedrückt werden, am besten auf ein Drittel. Nur durch Produktionsanlagen in Deutschland sei das nicht zu schaffen, meinen viele Fachleute. Das geht anderswo günstiger, und zwar in Südeuropa und Nordafrika, sagt von Knobelsdorff.
"Wir haben Gegenden in der Welt, wo jetzt schon die Kilowattstunde Solarstrom weniger kostet als 1,5 Dollar-Cent. Das heißt, da kann man unbegrenzt in großen Mengen und sehr günstig Wasserstoff produzieren."
Günstige Produktion in südlichen Ländern
Mit Mitteln aus dem Konjunkturpaket sollen Produktionsanlagen deutscher Hersteller in sonnenreichen Partnerländern entstehen. Ebenso soll Geld in die Entwicklung von Speicher- und Transporttechnologien fließen. Die braucht man, um den Wasserstoff per Pipeline oder Tanker nach Mitteleuropa zu bringen. Und hier gibt es, meint Karsten Lemmer, durchaus noch offenen Fragen.
"Die geringe volumetrische Energiedichte von gasförmigem Wasserstoff bei Umgebungstemperatur erfordert besondere Maßnahmen für effizienten Transport und Speicherung. Und hier ist noch viel Forschungsbedarf notwendig."
Gebrauchen kann diesen Wasserstoff unter anderem die Industrie, etwa für die Düngemittelproduktion. Bislang gewinnt sie ihn im Wesentlichen aus Erdgas, einer fossilen Energiequelle. Und bis dato hat die Industrie wenig Grund, ihn durch den teureren grünen Wasserstoff zu ersetzen, sagt von Knobelsdorff, denn:
"Bislang ist die Situation so, dass grüner Wasserstoff als grüner Wasserstoff keinen Wert hat. Das heißt, er konnte nicht in irgendeiner Form verwendet werden, um CO2-Minderungsziele zu erreichen."
Wasserstoff-LKW könnten der Anfang sein
Geld allein reicht also nicht, um dem Wasserstoff zum Durchbruch zu verhelfen. Es muss auch manch ein regulatorischer Hemmschuh beseitigt werden. Auch das soll im Zuge der Nationalen Wasserstoffinitiative passieren, fordert die Fachwelt.
Bleibt noch der Verkehrssektor. Lange galt das wasserstoffbetriebene Brennstoffzellen-Auto als das klimafreundliche Gefährt der Zukunft. Mittlerweile aber setzt die deutsche Automobilindustrie auf Batterie und Elektro. Deshalb könnte sich laut der Wasserstoffstrategie die Brennstoffzelle zunächst an Bord von Lkws durchsetzen. Hier scheinen Batterien für längere Strecken wenig tauglich, sagt Christopher Hebling.
"Der jetzige Druck ist am höchsten im Schwerlastverkehr. Da muss schnell was passieren, weil die Strafzahlungen auf europäischer Ebene jegliche Gewinne quasi wieder zunichte machen. Dort wird sich's schnell durchsetzen."
Also: Auch wenn die Herausforderungen noch groß sind – die neun Milliarden aus dem Konjunkturpaket sorgen in der Fachwelt für einige Zuversicht.
"Der Zug rollt jetzt. Wenn sich man gleichzeitig anschaut, was von der EU-Seite zusätzlich noch kommen wird über den Green Deal, dann kann ich mit einigem Optimismus sagen, dass jetzt das Zeitalter des Wasserstoffs begonnen hat."