Vor dem Vertriebenenministerium in Tiflis haben Demonstranten Zelte aufgeschlagen. Der Wind zerrt an Plastikplanen. Etwa zwei Dutzend Menschen, meist Frauen, hocken auf Liegen und auf umgedrehten Kisten. Oksana Poljans' Haar ist weiß und zu einem Knoten gesteckt. Die Rentnerin verbirgt die Hände in den Ärmeln ihres Wollpullovers und starrt zornig auf den Boden.
"Die Regierung interessiert sich überhaupt nicht dafür, wo wir unterkommen. Wir wollen ein Dach über dem Kopf, und zwar sofort. Von mir aus auch befristet. Ich habe kein Geld, um eine Mietwohnung zu bezahlen."
Oksana Poljans und die anderen sind Vertriebene aus Abchasien. Dort gab es Anfang der 90er-Jahre einen Krieg. Seit nunmehr 17 Jahren sind diese Menschen ohne feste Bleibe. Die Vertriebenen des letzten Krieges, des Augustkrieges von 2008, dagegen haben binnen weniger Monate Unterkünfte in Neubausiedlungen bekommen. Dass der Staat diese Gruppe von Flüchtlingen so viel besser behandelt, sorgt unter den "alten" Flüchtlingen, wie sie in Georgien genannt werden, für Unmut. Sie fühlen sich benachteiligt.
Dabei soll auch ihnen bald geholfen werden. Die Regierung hat bereits 2007 eine Strategie zur Integration der Abchasien-Flüchtlinge verabschiedet. Mit internationalen Geldern schießen zur Zeit überall in Georgien Wohnsiedlungen aus dem Boden. Bis 2012 sollen alle Vertriebenen versorgt sein. Aber die Menschen wollen die Wohnungen sofort. Die Behörden sind überfordert. Das ist der Mitarbeiterin des Ministeriums anzusehen, die aus dem sechsstöckigen Gebäude zu den Vertriebenen herausgekommen ist. Sie wird beschimpft, mit Fäusten traktiert. Ihre Hände zittern, sie möchte ihren Namen nicht sagen.
"Wir haben nicht erwartet, dass dieser Prozess so schwierig sein wird. Die Zahl der Anspruchsberechtigten wird immer größer. Die Kinder der Vertriebenen sind mittlerweile verheiratet und wollen eine eigene Unterkunft. Das ist wie ein Schneeballsystem. Das Ministerium hat nicht genügend Personal, und es ist erst der erste Versuch, dieses 17 Jahre alte Problem anzugehen. Das dauert. Die Leute haben es aber satt zu warten."
Und sie greifen deshalb zu immer radikaleren Methoden. Im Oktober zündete sich eine Frau vor dem Vertriebenenministerium selbst an. Sie erlitt schwere Verbrennungen. Monate zuvor besetzten hunderte Abchasien-Flüchtlinge ein leer stehendes Krankenhaus in Tiflis. Dort waren vorübergehend Vertriebene des Krieges von 2008 untergebracht. Als diese Leute in ihre neuen Wohnungen umzogen, rückten die "alten" Flüchtlinge einfach nach. Unter ihnen auch die Rentnerin Oksana Poljans. Die Besetzung war illegal. Im August räumten Spezialeinheiten der Polizei das Gebäude.
"Das geschah mitten in der Nacht, ohne jede Vorwarnung.
Die Spezialeinheiten haben als erstes die elektrischen Leitungen gekappt, die wir gelegt hatten, und dann haben sie uns alle auf die Straße gejagt. Wir durften nicht mal unsere Sachen packen. Die haben sie einfach in Müllsäcke gestopft und rausgetragen."
Die brutale Räumung des Gebäudes scheint symptomatisch für den Umgang der Behörden mit den Abchasien-Flüchtlingen. Sie wurden bisher zu wenig über ihre Rechte und über ihre Wahlmöglichkeiten informiert, bemängeln georgische und internationale Menschenrechtsorganisationen gleichermaßen. Der Europarat hat die Regierung in Tiflis aufgefordert, die Vertriebenen stärker am Entschädigungsprozess zu beteiligen. Es geht vor allem um die Frage, wohin die Menschen ziehen. Die Regierung lässt die Siedlungen vor allem in strukturschwachen, abgelegenen Regionen bauen. Dort gibt es bisher teils weder vernünftige Straßen noch Schulen - und erst Recht keine Arbeit. Viele Vertriebene wollen deshalb lieber in Tiflis bleiben.
Und auch bei der ortsansässigen Bevölkerung in den Regionen wachsen die Ängste. In Poti zum Beispiel, einer Hafenstadt mit 50.000 Einwohnern, entsteht ein ganz neuer Stadtteil für etwa 30.000 Vertriebene - ein Anstieg der Bevölkerung um mehr als die Hälfte. Manon Basilaia, Psychologin aus Poti, warnt:
"Halb im Scherz sagen die Leute schon: Dort wird 'Abchasien' gebaut. Das heißt, Poti distanziert sich von dieser Siedlung. Die Alteingesessenen fragen sich, was sie den Vertriebenen bieten können, wenn es doch auch so schon nicht rosig in Poti aussieht."
"Die Regierung interessiert sich überhaupt nicht dafür, wo wir unterkommen. Wir wollen ein Dach über dem Kopf, und zwar sofort. Von mir aus auch befristet. Ich habe kein Geld, um eine Mietwohnung zu bezahlen."
Oksana Poljans und die anderen sind Vertriebene aus Abchasien. Dort gab es Anfang der 90er-Jahre einen Krieg. Seit nunmehr 17 Jahren sind diese Menschen ohne feste Bleibe. Die Vertriebenen des letzten Krieges, des Augustkrieges von 2008, dagegen haben binnen weniger Monate Unterkünfte in Neubausiedlungen bekommen. Dass der Staat diese Gruppe von Flüchtlingen so viel besser behandelt, sorgt unter den "alten" Flüchtlingen, wie sie in Georgien genannt werden, für Unmut. Sie fühlen sich benachteiligt.
Dabei soll auch ihnen bald geholfen werden. Die Regierung hat bereits 2007 eine Strategie zur Integration der Abchasien-Flüchtlinge verabschiedet. Mit internationalen Geldern schießen zur Zeit überall in Georgien Wohnsiedlungen aus dem Boden. Bis 2012 sollen alle Vertriebenen versorgt sein. Aber die Menschen wollen die Wohnungen sofort. Die Behörden sind überfordert. Das ist der Mitarbeiterin des Ministeriums anzusehen, die aus dem sechsstöckigen Gebäude zu den Vertriebenen herausgekommen ist. Sie wird beschimpft, mit Fäusten traktiert. Ihre Hände zittern, sie möchte ihren Namen nicht sagen.
"Wir haben nicht erwartet, dass dieser Prozess so schwierig sein wird. Die Zahl der Anspruchsberechtigten wird immer größer. Die Kinder der Vertriebenen sind mittlerweile verheiratet und wollen eine eigene Unterkunft. Das ist wie ein Schneeballsystem. Das Ministerium hat nicht genügend Personal, und es ist erst der erste Versuch, dieses 17 Jahre alte Problem anzugehen. Das dauert. Die Leute haben es aber satt zu warten."
Und sie greifen deshalb zu immer radikaleren Methoden. Im Oktober zündete sich eine Frau vor dem Vertriebenenministerium selbst an. Sie erlitt schwere Verbrennungen. Monate zuvor besetzten hunderte Abchasien-Flüchtlinge ein leer stehendes Krankenhaus in Tiflis. Dort waren vorübergehend Vertriebene des Krieges von 2008 untergebracht. Als diese Leute in ihre neuen Wohnungen umzogen, rückten die "alten" Flüchtlinge einfach nach. Unter ihnen auch die Rentnerin Oksana Poljans. Die Besetzung war illegal. Im August räumten Spezialeinheiten der Polizei das Gebäude.
"Das geschah mitten in der Nacht, ohne jede Vorwarnung.
Die Spezialeinheiten haben als erstes die elektrischen Leitungen gekappt, die wir gelegt hatten, und dann haben sie uns alle auf die Straße gejagt. Wir durften nicht mal unsere Sachen packen. Die haben sie einfach in Müllsäcke gestopft und rausgetragen."
Die brutale Räumung des Gebäudes scheint symptomatisch für den Umgang der Behörden mit den Abchasien-Flüchtlingen. Sie wurden bisher zu wenig über ihre Rechte und über ihre Wahlmöglichkeiten informiert, bemängeln georgische und internationale Menschenrechtsorganisationen gleichermaßen. Der Europarat hat die Regierung in Tiflis aufgefordert, die Vertriebenen stärker am Entschädigungsprozess zu beteiligen. Es geht vor allem um die Frage, wohin die Menschen ziehen. Die Regierung lässt die Siedlungen vor allem in strukturschwachen, abgelegenen Regionen bauen. Dort gibt es bisher teils weder vernünftige Straßen noch Schulen - und erst Recht keine Arbeit. Viele Vertriebene wollen deshalb lieber in Tiflis bleiben.
Und auch bei der ortsansässigen Bevölkerung in den Regionen wachsen die Ängste. In Poti zum Beispiel, einer Hafenstadt mit 50.000 Einwohnern, entsteht ein ganz neuer Stadtteil für etwa 30.000 Vertriebene - ein Anstieg der Bevölkerung um mehr als die Hälfte. Manon Basilaia, Psychologin aus Poti, warnt:
"Halb im Scherz sagen die Leute schon: Dort wird 'Abchasien' gebaut. Das heißt, Poti distanziert sich von dieser Siedlung. Die Alteingesessenen fragen sich, was sie den Vertriebenen bieten können, wenn es doch auch so schon nicht rosig in Poti aussieht."