Zurheide: Im Bundestag ist diese Woche noch einmal darüber debattiert worden: Wie soll die Arbeitsmarktreform gemacht werden, zumindest im Teil bezogen auf die Sozialhilfeempfänger? Sollen es auf der einen Seite die Kommunen sein, die sich künftig, wenn denn Arbeitslosenhilfe und Sozialhilfe in dem Punkt zusammengelegt werden, sollen die Kommunen sich darum kümmern oder sollen es die Arbeitsämter machen? Die Bundesregierung hat in ihrem Gesetzentwurf zunächst die Arbeitsämter vorgesehen, aber da gibt es viel Skepsis, übrigens auch in Reihen der Bundesregierung, weil die Arbeitsämter sich ja nicht immer mit Ruhm bekleckert haben. Oder soll es möglicherweise in den Städten passieren? Wir wollen jetzt mal in die Städte schauen und deshalb begrüße ich den Sozialdezernenten der Stadt Duisburg, Reinhold Spaniel, ganz herzlich am Telefon. Guten Morgen, Herr Spaniel.
Spaniel: Morgen, Herr Zurheide.
Zurheide: Herr Spaniel, zunächst einmal, Sie in Duisburg arbeiten in einem Modellversuch seit einiger Zeit schon daran, sich intensiver, zumindest in bestimmten Stadtbezirken, um Sozialhilfeempfänger zu kümmern, die arbeitsfähig sind möglicherweise. Was tun Sie da?
Spaniel: Ja, seit vorigem Jahr haben wir hier in Duisburg einen Modellversuch, wir haben so genannte Sozialagenturen eingerichtet. Worum geht es dabei? Also, sie stellen die Arbeit der Sozialämter auf eine völlig neue Ebene und zwar bei der Beratung, bei der Hilfeplanung, und wir haben ein individuelles Fallmanagement. Das Leistungsspektrum, was wir da vorhalten, sieht so aus, dass wir eine intensive Beratung anbieten und eine Einzelfallanalyse machen. Das ist ganz wichtig. Wir sind hier also bei diesen Aufgabenfeldern weggekommen davon, dass wir quasi nur noch zahlende Behörde sind, die einen Sozialhilfefall verwaltet. Wir geben Auskunft über alle sozialen Hilfen. Ganz wichtig ist, dass wir einen persönlichen Unterstützungsplan erarbeiten, und, das ist jetzt unser Thema, natürlich uns auch um Arbeitsvermittlung kümmern, so dass letztendlich auch dann dazu gehört eine zielgenaue Qualifizierungs- und Beschäftigungsmaßnahme. Das Ganze ist so erfolgreich, wir haben schon erste Auswirkungen, dass wir sagen können, dass wir in dem Jahr schon Hunderte von Sozialhilfeempfängern aus der Sozialhilfe herausgebracht haben in den ersten Arbeitsmarkt, und das spart natürlich Sozialhilfe in Millionenhöhe.
Zurheide: Jetzt haben Sie gesagt, dass Sie das in einem bestimmten Versuch gemacht haben. Wie viele, ich sage es mal, Ihrer Kunden können Sie denn bisher so betreuen, denn Sie brauchen dafür ja durchaus mehr Betreuer?
Spaniel: Ja, wir haben ungefähr neun oder zehn Außenstellen im Moment und in vier Außenstellen laufen diese Modellversuche. Wir werden aber schon in Kürze daran gehen, weil das eben so erfolgreich ist, diese Modell auszudehnen, wir haben es im Moment nur noch nicht getan, weil wir eben zur Zeit aktuell die Diskussion haben, im Zusammenhang mit Harz, und im Moment noch nicht abschätzen können, wie denn letztendlich die Gesetze aussehen, die uns erwarten werden, sonst hätten wir im Prinzip diesen Modellversuch auf alle Außenstellen ausgeweitet. Aber da haben wir im Moment eben bedingt durch die Diskussion um Harz eine Hängepartie.
Zurheide: Wir wollen gleich noch mal auf die Kosten zu sprechen kommen, das ist ja ganz wichtig. Aber ich würde gerne noch mal, damit man es versteht, nachfragen, ein ganz konkreter Fall, ohne dass wir jetzt einen Namen nennen. Wie sieht so was aus? Da kommt ein Mensch und dann kümmern sich eben nicht nur der Sozialarbeiter um ihn, sondern dann kümmern sich auch andere Organisationen oder wie muss ich mir das vorstellen?
Spaniel: Ja, so ist es. Also, im Prinzip war es früher beim klassischen Sozialhilfefall so, dass man eben den Antrag aufgenommen hat, dann festgestellt hat, der hat keine Arbeit, ist im Prinzip nicht arbeitsfähig und dann kam er in den laufenden Sozialhilfebezug. Etwas vereinfacht, aber um das plastisch mal so darzustellen, will ich das mal so vortragen. Heute ist es so, dass er einen Sozialhilfenantrag stellt und dann umfangreich analysiert wird, wo seine Probleme liegen. Denn es sind ja nicht nur Probleme, dass er keine Arbeit hat, sondern er kann auch Probleme haben im Bereich von Sucht, im Bereich von Schulden, im Bereich der Gesundheit, im Bereich der Kinderbetreuung. Und da wird der Fall jetzt umfassend analysiert und wir machen das auch in Kooperation, das ist ganz wichtig, mit unseren Wohlfahrtverbänden, die auch dann Fachleute zur Verfügung stellen, und auch Mitarbeitern unserer Beschäftigungsgesellschaft, die eben genau das Thema Arbeit abdecken, und die dann in einer Art Fallkonferenz einen Fall richtig durchleuchten und eben zielgenau, passgenau einen Hilfeplan entwickeln.
Zurheide: Das Entscheidende scheint mir ja die Kooperation zu sein. Also, wer macht da überall mit? Das ist nicht nur die Stadt auf der einen Seite, verstehe ich das richtig?
Spaniel: Das ist richtig. Also, es sind städtische Mitarbeiter, also eben der klassische Sozialhilfe-Sachbearbeiter, dann ein Sozialpädagoge oder Sozialarbeiter des allgemeinen Sozialdienstes oder auch der Wohlfahrtsverbände. Wir haben die Arbeiterwohlfahrt, den Caritasverband, die Diakonie, das Deutsche Rote Kreuz mit im Boot, die natürlich auch entsprechende Fachleute haben und bestimmte Problemfelder abdecken können in der Beratung und in der Hilfestellung. Ein klassisches Beispiel: Wir haben in Duisburg dieses Prinzip auch eingesetzt bei unserem berühmten Wohnungsnotfallplan, wo wir alle Hilfen, die wir haben, personell, strukturell und finanziell, gebündelt haben, mit dem Ergebnis, dass wir in Duisburg seit zwei Jahren keine obdachlosen Familien mehr in Unterkünften haben.
Zurheide: Wenn sich das so einfach anhört, fragt man sich natürlich, warum das nicht viel mehr Leute machen?
Spaniel: Ja, ich sage mal, speziell zum Thema Wohnungsnotfallplan geben sich seit langer Zeit hier die Fachleute die Klinke in die Hand bei uns in Duisburg, weil man das einfach nicht glauben wollte, dass man in der Lage ist, alle Obdachlosenunterkünfte aufzulösen. Früher war es halt so, dass man klassisch die Obdachlosen in Unterkünften untergebracht hat mit hohen Kosten, denn diese stationäre Unterbringung ist viel, viel teuerer als die Unterbringung in normalen Mietwohnungen. Aber wir haben eben das mutig angepackt und mit Erfolg.
Zurheide: Jetzt haben Sie die Kosten angesprochen. Ich meine, ich stelle mit vor, so ein Fallmanagement kostet Sie als Stadt möglicherweise doch zunächst viel mehr, denn ich weiß nicht, wie die Relationen bei Ihnen sind. Beim Arbeitsamt haben wir ja Zahlen gehört, dass ein Betreuer, was weiß ich, 250 Menschen oder 300 möglicherweise betreuen muss, dass der dann nicht Zeit hat, ist wohl klar. Wie viel Leute haben Sie denn zusätzlich eingestellt, oder regeln Sie das damit, dass Sie kooperieren eben mit den anderen sozialen Einrichtungen der Stadt?
Spaniel: So ist es. Also, wir haben keinen einzigen Sachbearbeiter zusätzlich eingestellt. Wir haben für den klassischen Sozialhilfe-Sachbearbeiter eine bestimmte Fallzahl, das heißt, er hat eine bestimmte Anzahl von Fällen, die er bearbeiten muss. Die haben wir im Rahmen der Sachbearbeitung in der Sozialagentur deutlich gesenkt, weil logischerweise die Beratung und die Abarbeitung ja viel viel intensiver ist, da muss man die Fallzahl deutlich senken. Aber wir haben das mit dem normalen Mitarbeiterstamm kompensiert, die sind sehr, sehr engagiert, und letztendlich hat es dazu geführt, dass wir enorme Kosten im Bereich der Sozialhilfe eingespart haben.
Zurheide: Jetzt fragt man sich dann natürlich, jetzt frage ich Sie das auch als Sozialdemokrat, können Sie eigentlich verstehen, dass die Arbeitsämter das, was Sie da erfolgreich vorführen, dass die das übermorgen können?
Spaniel: Also, ich will mal vorsichtig formulieren, ich habe viel Respekt und Vertrauen in die Fähigkeiten der Mitarbeiter der Arbeitsverwaltung, aber ich denke, dass zumindest in einer Anfangsphase die Arbeitsverwaltung mit dieser Arbeit in gewisser Weise überfordert würde. Und ich denke, die Bedenken, die ich da jetzt äußere, die kommen nicht nur von der kommunalen Seite. Wenn ich richtig informiert bin, kommen die Bedenken auch aus der Spitze der Bundesanstalt für Arbeit. Ich kann mich an Presseberichterstattungen erinnern in den letzten Tagen, wonach also hochrangige Vertreter der Bundesanstalt für Arbeit ihren Minister Clement davor gewarnt haben, wenn man die Vorstellungen, die jetzt in dem Gesetzesentwurf enthalten sind, so umsetzen würde, dass man quasi die Bundesanstalt überfordern würde, also, dass das Harz-Konzept die Arbeitsämter überfordern würde und die Arbeitsämter quasi zu einem riesigen Sozialamt würden.
Zurheide: Also, Sie sehen auch die Gefahr, dass genau so etwas passiert?
Spaniel: Wenn man die Vorstellung jetzt so ein zu eins umsetzen würde, würde ich das nicht ausschließen, denn man muss ja Folgendes sehen: Die Bundesanstalt für Arbeit hat ihre Kernkompetenzen. Das ist halt das Thema Arbeitsmarkt, Vermittlung in den ersten Arbeitsmarkt, und die Sozialämterhaben andere Kernkompetenzen. Die würden sich dann kümmern um die Arbeitsmarktfernen, die Suchtkranken, Alkoholiker, Behinderte, Obdachlose, und ob das die Bundesanstalt für Arbeit, also die Arbeitsämter, auf Anhieb bearbeiten könnten, hätte ich so meine Bedenken, denn die Aufgabenfelder gehörten bisher nicht zu den Kernkompetenzen der Arbeitsämter.
Zurheide: Auf der anderen Seite soll ihnen ja finanzielle Entlastung gegeben werden und da hat natürlich die Bundesregierung Angst, so zusagen, dass sie über die Bundesanstalt irgendwas zahlen muss und manche Städte tun es dann vielleicht nicht, so wie Sie in Duisburg. Halte Sie diese Sorgen für berechtigt?
Spaniel: Ja gut, ich meine, da muss man vielleicht auf so ein Instrument zurückgreifen, dass man sagt, man versucht das Ganze mal drei oder fünf Jahre und wertet dann mal die Erfahrungen aus, das muss man dann sehen. Aber man darf, das ist jedenfalls Meinung der Vertreter der Kommunen, die Instrumente, die jetzt in den Kommunen vorhanden sind, nicht einfach verloren gehen lassen. Man muss die Instrumente, die man jetzt hat, beispielsweise die Sozialagenturen, die wir haben, oder auch die Beschäftigungsgesellschaften, die die Kommunen vorhalten, im Kern erhalten, denn man darf sich ja nichts vormachen. Selbst wenn man das jetzt so machen, würde, dass man alle Kompetenzen zum Arbeitsamt transferiert, dann würden die ganzen Sozialhilfeakten ins Arbeitsamt wechseln müssen. Ich kann mir nicht vorstellen, dass jetzt Sachbearbeiter des Arbeitsamtes Unterhaltsfragen lösen können, die sind hochkompliziert im Bereich der Sozialhilfe. Hinzu kommt jetzt parallel zum Vorhaben Harz umzusetzen - ich darf mal hinweisen, der Gesetzentwurf enthält 600 Seiten - parallel zu diesem Vorhaben gibt es jetzt Überlegungen, das Bundessozialhilfegesetz zu ändern. Das ist hochkompliziert und hochkomplex. Da sind teilweise schon die Fachleute in den Sozialämtern überfordert, und das auf das Arbeitsamt zu übertragen, hätte ich wirklich meine Bedenken.
Zurheide: Herzlichen Dank. Das war Reinhold Spaniel, Sozialdezernent Stadt Duisburg, Sozialdemokrat. Er hat uns geschildert, was sie in Duisburg anders machen und möglicherweise und hoffentlich weitermachen können. Danke schön, Herr Spaniel.
Link: Interview als RealAudio
Spaniel: Morgen, Herr Zurheide.
Zurheide: Herr Spaniel, zunächst einmal, Sie in Duisburg arbeiten in einem Modellversuch seit einiger Zeit schon daran, sich intensiver, zumindest in bestimmten Stadtbezirken, um Sozialhilfeempfänger zu kümmern, die arbeitsfähig sind möglicherweise. Was tun Sie da?
Spaniel: Ja, seit vorigem Jahr haben wir hier in Duisburg einen Modellversuch, wir haben so genannte Sozialagenturen eingerichtet. Worum geht es dabei? Also, sie stellen die Arbeit der Sozialämter auf eine völlig neue Ebene und zwar bei der Beratung, bei der Hilfeplanung, und wir haben ein individuelles Fallmanagement. Das Leistungsspektrum, was wir da vorhalten, sieht so aus, dass wir eine intensive Beratung anbieten und eine Einzelfallanalyse machen. Das ist ganz wichtig. Wir sind hier also bei diesen Aufgabenfeldern weggekommen davon, dass wir quasi nur noch zahlende Behörde sind, die einen Sozialhilfefall verwaltet. Wir geben Auskunft über alle sozialen Hilfen. Ganz wichtig ist, dass wir einen persönlichen Unterstützungsplan erarbeiten, und, das ist jetzt unser Thema, natürlich uns auch um Arbeitsvermittlung kümmern, so dass letztendlich auch dann dazu gehört eine zielgenaue Qualifizierungs- und Beschäftigungsmaßnahme. Das Ganze ist so erfolgreich, wir haben schon erste Auswirkungen, dass wir sagen können, dass wir in dem Jahr schon Hunderte von Sozialhilfeempfängern aus der Sozialhilfe herausgebracht haben in den ersten Arbeitsmarkt, und das spart natürlich Sozialhilfe in Millionenhöhe.
Zurheide: Jetzt haben Sie gesagt, dass Sie das in einem bestimmten Versuch gemacht haben. Wie viele, ich sage es mal, Ihrer Kunden können Sie denn bisher so betreuen, denn Sie brauchen dafür ja durchaus mehr Betreuer?
Spaniel: Ja, wir haben ungefähr neun oder zehn Außenstellen im Moment und in vier Außenstellen laufen diese Modellversuche. Wir werden aber schon in Kürze daran gehen, weil das eben so erfolgreich ist, diese Modell auszudehnen, wir haben es im Moment nur noch nicht getan, weil wir eben zur Zeit aktuell die Diskussion haben, im Zusammenhang mit Harz, und im Moment noch nicht abschätzen können, wie denn letztendlich die Gesetze aussehen, die uns erwarten werden, sonst hätten wir im Prinzip diesen Modellversuch auf alle Außenstellen ausgeweitet. Aber da haben wir im Moment eben bedingt durch die Diskussion um Harz eine Hängepartie.
Zurheide: Wir wollen gleich noch mal auf die Kosten zu sprechen kommen, das ist ja ganz wichtig. Aber ich würde gerne noch mal, damit man es versteht, nachfragen, ein ganz konkreter Fall, ohne dass wir jetzt einen Namen nennen. Wie sieht so was aus? Da kommt ein Mensch und dann kümmern sich eben nicht nur der Sozialarbeiter um ihn, sondern dann kümmern sich auch andere Organisationen oder wie muss ich mir das vorstellen?
Spaniel: Ja, so ist es. Also, im Prinzip war es früher beim klassischen Sozialhilfefall so, dass man eben den Antrag aufgenommen hat, dann festgestellt hat, der hat keine Arbeit, ist im Prinzip nicht arbeitsfähig und dann kam er in den laufenden Sozialhilfebezug. Etwas vereinfacht, aber um das plastisch mal so darzustellen, will ich das mal so vortragen. Heute ist es so, dass er einen Sozialhilfenantrag stellt und dann umfangreich analysiert wird, wo seine Probleme liegen. Denn es sind ja nicht nur Probleme, dass er keine Arbeit hat, sondern er kann auch Probleme haben im Bereich von Sucht, im Bereich von Schulden, im Bereich der Gesundheit, im Bereich der Kinderbetreuung. Und da wird der Fall jetzt umfassend analysiert und wir machen das auch in Kooperation, das ist ganz wichtig, mit unseren Wohlfahrtverbänden, die auch dann Fachleute zur Verfügung stellen, und auch Mitarbeitern unserer Beschäftigungsgesellschaft, die eben genau das Thema Arbeit abdecken, und die dann in einer Art Fallkonferenz einen Fall richtig durchleuchten und eben zielgenau, passgenau einen Hilfeplan entwickeln.
Zurheide: Das Entscheidende scheint mir ja die Kooperation zu sein. Also, wer macht da überall mit? Das ist nicht nur die Stadt auf der einen Seite, verstehe ich das richtig?
Spaniel: Das ist richtig. Also, es sind städtische Mitarbeiter, also eben der klassische Sozialhilfe-Sachbearbeiter, dann ein Sozialpädagoge oder Sozialarbeiter des allgemeinen Sozialdienstes oder auch der Wohlfahrtsverbände. Wir haben die Arbeiterwohlfahrt, den Caritasverband, die Diakonie, das Deutsche Rote Kreuz mit im Boot, die natürlich auch entsprechende Fachleute haben und bestimmte Problemfelder abdecken können in der Beratung und in der Hilfestellung. Ein klassisches Beispiel: Wir haben in Duisburg dieses Prinzip auch eingesetzt bei unserem berühmten Wohnungsnotfallplan, wo wir alle Hilfen, die wir haben, personell, strukturell und finanziell, gebündelt haben, mit dem Ergebnis, dass wir in Duisburg seit zwei Jahren keine obdachlosen Familien mehr in Unterkünften haben.
Zurheide: Wenn sich das so einfach anhört, fragt man sich natürlich, warum das nicht viel mehr Leute machen?
Spaniel: Ja, ich sage mal, speziell zum Thema Wohnungsnotfallplan geben sich seit langer Zeit hier die Fachleute die Klinke in die Hand bei uns in Duisburg, weil man das einfach nicht glauben wollte, dass man in der Lage ist, alle Obdachlosenunterkünfte aufzulösen. Früher war es halt so, dass man klassisch die Obdachlosen in Unterkünften untergebracht hat mit hohen Kosten, denn diese stationäre Unterbringung ist viel, viel teuerer als die Unterbringung in normalen Mietwohnungen. Aber wir haben eben das mutig angepackt und mit Erfolg.
Zurheide: Jetzt haben Sie die Kosten angesprochen. Ich meine, ich stelle mit vor, so ein Fallmanagement kostet Sie als Stadt möglicherweise doch zunächst viel mehr, denn ich weiß nicht, wie die Relationen bei Ihnen sind. Beim Arbeitsamt haben wir ja Zahlen gehört, dass ein Betreuer, was weiß ich, 250 Menschen oder 300 möglicherweise betreuen muss, dass der dann nicht Zeit hat, ist wohl klar. Wie viel Leute haben Sie denn zusätzlich eingestellt, oder regeln Sie das damit, dass Sie kooperieren eben mit den anderen sozialen Einrichtungen der Stadt?
Spaniel: So ist es. Also, wir haben keinen einzigen Sachbearbeiter zusätzlich eingestellt. Wir haben für den klassischen Sozialhilfe-Sachbearbeiter eine bestimmte Fallzahl, das heißt, er hat eine bestimmte Anzahl von Fällen, die er bearbeiten muss. Die haben wir im Rahmen der Sachbearbeitung in der Sozialagentur deutlich gesenkt, weil logischerweise die Beratung und die Abarbeitung ja viel viel intensiver ist, da muss man die Fallzahl deutlich senken. Aber wir haben das mit dem normalen Mitarbeiterstamm kompensiert, die sind sehr, sehr engagiert, und letztendlich hat es dazu geführt, dass wir enorme Kosten im Bereich der Sozialhilfe eingespart haben.
Zurheide: Jetzt fragt man sich dann natürlich, jetzt frage ich Sie das auch als Sozialdemokrat, können Sie eigentlich verstehen, dass die Arbeitsämter das, was Sie da erfolgreich vorführen, dass die das übermorgen können?
Spaniel: Also, ich will mal vorsichtig formulieren, ich habe viel Respekt und Vertrauen in die Fähigkeiten der Mitarbeiter der Arbeitsverwaltung, aber ich denke, dass zumindest in einer Anfangsphase die Arbeitsverwaltung mit dieser Arbeit in gewisser Weise überfordert würde. Und ich denke, die Bedenken, die ich da jetzt äußere, die kommen nicht nur von der kommunalen Seite. Wenn ich richtig informiert bin, kommen die Bedenken auch aus der Spitze der Bundesanstalt für Arbeit. Ich kann mich an Presseberichterstattungen erinnern in den letzten Tagen, wonach also hochrangige Vertreter der Bundesanstalt für Arbeit ihren Minister Clement davor gewarnt haben, wenn man die Vorstellungen, die jetzt in dem Gesetzesentwurf enthalten sind, so umsetzen würde, dass man quasi die Bundesanstalt überfordern würde, also, dass das Harz-Konzept die Arbeitsämter überfordern würde und die Arbeitsämter quasi zu einem riesigen Sozialamt würden.
Zurheide: Also, Sie sehen auch die Gefahr, dass genau so etwas passiert?
Spaniel: Wenn man die Vorstellung jetzt so ein zu eins umsetzen würde, würde ich das nicht ausschließen, denn man muss ja Folgendes sehen: Die Bundesanstalt für Arbeit hat ihre Kernkompetenzen. Das ist halt das Thema Arbeitsmarkt, Vermittlung in den ersten Arbeitsmarkt, und die Sozialämterhaben andere Kernkompetenzen. Die würden sich dann kümmern um die Arbeitsmarktfernen, die Suchtkranken, Alkoholiker, Behinderte, Obdachlose, und ob das die Bundesanstalt für Arbeit, also die Arbeitsämter, auf Anhieb bearbeiten könnten, hätte ich so meine Bedenken, denn die Aufgabenfelder gehörten bisher nicht zu den Kernkompetenzen der Arbeitsämter.
Zurheide: Auf der anderen Seite soll ihnen ja finanzielle Entlastung gegeben werden und da hat natürlich die Bundesregierung Angst, so zusagen, dass sie über die Bundesanstalt irgendwas zahlen muss und manche Städte tun es dann vielleicht nicht, so wie Sie in Duisburg. Halte Sie diese Sorgen für berechtigt?
Spaniel: Ja gut, ich meine, da muss man vielleicht auf so ein Instrument zurückgreifen, dass man sagt, man versucht das Ganze mal drei oder fünf Jahre und wertet dann mal die Erfahrungen aus, das muss man dann sehen. Aber man darf, das ist jedenfalls Meinung der Vertreter der Kommunen, die Instrumente, die jetzt in den Kommunen vorhanden sind, nicht einfach verloren gehen lassen. Man muss die Instrumente, die man jetzt hat, beispielsweise die Sozialagenturen, die wir haben, oder auch die Beschäftigungsgesellschaften, die die Kommunen vorhalten, im Kern erhalten, denn man darf sich ja nichts vormachen. Selbst wenn man das jetzt so machen, würde, dass man alle Kompetenzen zum Arbeitsamt transferiert, dann würden die ganzen Sozialhilfeakten ins Arbeitsamt wechseln müssen. Ich kann mir nicht vorstellen, dass jetzt Sachbearbeiter des Arbeitsamtes Unterhaltsfragen lösen können, die sind hochkompliziert im Bereich der Sozialhilfe. Hinzu kommt jetzt parallel zum Vorhaben Harz umzusetzen - ich darf mal hinweisen, der Gesetzentwurf enthält 600 Seiten - parallel zu diesem Vorhaben gibt es jetzt Überlegungen, das Bundessozialhilfegesetz zu ändern. Das ist hochkompliziert und hochkomplex. Da sind teilweise schon die Fachleute in den Sozialämtern überfordert, und das auf das Arbeitsamt zu übertragen, hätte ich wirklich meine Bedenken.
Zurheide: Herzlichen Dank. Das war Reinhold Spaniel, Sozialdezernent Stadt Duisburg, Sozialdemokrat. Er hat uns geschildert, was sie in Duisburg anders machen und möglicherweise und hoffentlich weitermachen können. Danke schön, Herr Spaniel.
Link: Interview als RealAudio