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Konsequenzen eines provozierten Staus

Aus Protest gegen Studiengebühren blockierten im Mai vergangenen Jahres Marburger Studenten die Stadtautobahn. Drei der Beteiligten wurden nun hart bestraft. Das Recht auf Versammlungsfreiheit ende am Rande einer Autobahn, befand der Richter.

Von Julia Schneider | 28.08.2007
    "Also mein Eindruck vom Prozess war, dass es eine Farce ist."

    "Der Richter hatte sein Urteil schon längst gefällt, das hat er auch davor schon gehabt."

    "Ich habe es ehrlich gesagt gar nicht bis zum Ende gehört. Ich hab das Strafmaß des Richters noch abgewartet, bin dann aufgestanden und rausgegangen, hatte eine heftige Wut im Bauch, konnte erstmal für zehn Minuten gar nichts sagen,
    weil das einfach nur lächerlich war in meinen Augen."

    Die Studenten, die den Prozess als Zuschauer mitverfolgten, hatten für das Urteil nur wenig Verständnis: Freiheitsstrafen auf Bewährung zwischen vier und sechs Monaten. Außerdem muss jeder der drei verurteilten Marburger Studenten 200 Stunden gemeinnützige Arbeit leisten.

    Denn das Recht auf Versammlungsfreiheit endet am Rande einer Autobahn, sagte der Richter in seiner Urteilsbegründung. Deshalb sei die Blockade der Marburger Stadtautobahn Nötigung und Freiheitsberaubung der Autofahrer gewesen.

    Ein völlig überzogenes Urteil meint die Verteidigerin Waltraud Verleih:

    "Wenn sie sich überlegen, Freiheitsberaubung spielt in Verfahren wegen Menschenhandel eine Rolle, in denen Prostituierte wochenlang eingesperrt sind. Und eine Freiheitsberaubung im Fall von Demonstration ist in der Rechtssprechung bisher nicht entschieden worden - und wird auch nicht halten."

    Denn das Gericht habe zum Beispiel die inneren Beweggründe der Demonstranten, ihren Protest gegen die Studiengebühren nicht berücksichtigt. Ähnliche Verfahren etwa wegen der Blockade der A 66 in Frankfurt durch protestierende Studenten seien wegen der geringen Schuld der Angeklagten eingestellt worden.

    Das Urteil der Marburger Amtsrichters lag deutlich über der Forderung des Staatsanwaltes, der nur eine Geldstrafe wegen Nötigung gefordert hatte. Ein hartes Urteil hatten die verurteilten Studenten jedoch erwartet. Lena Behrendes, 23 Jahre alt und damals Marburger Asta-Vorsitzende, sieht in dem Urteil einen Beleg dafür dass der Prozess gegen sie politisch motiviert war.

    "Ich glaube, dass diese breite soziale und politische Bewegung auch einigen Leuten ein Dorn im Auge war. Und wir werden jetzt eben im Nachhinein abgestraft, wir werden kriminalisiert dadurch, dass wir hier zu Freiheitsstrafen verurteilt werden. Ich glaube aber, dass dieser Plan nicht aufgeht."

    Denn mittlerweile hätten sich fast 80.000 Hessen mit ihrer Unterschrift für eine Verfassungsklage gegen die hessischen Studiengebühren ausgesprochen. Und die Aufmerksamkeit dazu hätten eben auch friedliche Proteste wie die Besetzung der Marburger Stadtautobahn gebracht.

    Die drei verurteilten Studenten sagten vor Gericht aus, sie hätten ihre Mit-Studenten nie zur Blockade aufgerufen, zum Teil hätten sie sogar mitgeholfen, den Stau auf der Stadtautobahn wieder aufzulösen. Lena Behrendes will deshalb auf jeden Fall gegen das Urteil Rechtsmittel einlegen, genauso der mitverurteilte Philipp Ramezani. Der 23-jährige studiert auf Lehramt und sieht mit dem Urteil auch seine berufliche Zukunft in Gefahr.

    "Ich kann das Urteil so gar nicht akzeptieren, weil mit einer Vorstrafe beziehungsweise mit einer Gefängnisstrafe auch auf Bewährung, kann ich mein Lehrerdasein quasi vergessen, und das kann ich natürlich nicht hinnehmen, schon gar nicht für etwas, was eben nicht einer Bestrafung würdig wäre."