Christoph Schmitz: Was bedeutet Konservativ? – Der Begriff ist gar nicht so leicht zu definieren, weil er so schwer auf einen Nenner zu bringen ist, wenn man nicht auf etymologisches Basiswissen zurückgreifen möchte. Im Politischen ist die Diskussion um das Konservative mit dem Rückzug von Vertriebenenpräsidentin Erika Steinbach aus dem Vorstand der CDU wieder entbrannt. Konservative Haltungen würden an den Rand gedrängt, so Frau Steinbach, und eine neue Partei rechts der Union könne leicht die Fünf-Prozent-Hürde überspringen. Konservativ – was heißt das heute? Vor allem: Was verbinden Sie damit? – Das habe ich den Publizisten und Zeithistoriker Arnulf Baring gefragt, der in seiner Antwort dem Begriff eine ganz neue Wendung gab.
Arnulf Baring: Konservativ wird ja bei uns für rechts gehalten und rechts ist natürlich furchtbar schlecht. Das ist meines Erachtens eine Schimärendebatte. Da gibt's gar nichts. Es gibt keine Bewegung, es gibt keine Führungspersönlichkeiten, es gibt kein Geld dafür. Also alle die, die jetzt von einer neuen konservativen Partei entweder schwärmen, oder sie fürchten, sind auf dem Holzweg.
Was wir in der Bundesrepublik haben, ist ein verbreitetes konservatives Gefühl, ich würde sagen ein Sozialkonservatismus im Wesentlichen, der sozusagen das Bestehende, das sich ja nun auch in Jahrzehnten bewährt hat, unbedingt erhalten möchte und vor allem eben auch die Sozialgesetzgebung, aber auch viele Dinge, die sonst sich etabliert haben, und es gibt ja viele, viele Interessengruppen, die sich darum bemühen, dass keine Veränderungen stattfinden. Das halte ich für konservativ.
Schmitz: Das, meinen Sie, sei das Sozial-Konservative in einem negativen Sinne, vermute ich. Also das Bestehende als Dinosaurier sozusagen, der überlebt ist eigentlich, der sich nicht mehr bewegen kann und der dann, vermute ich, Ihrer Meinung nach abgeschafft gehört.
Baring: Na ja, eingeschränkt, wenn man so was sagen kann. Ich glaube eben, dass die Verteilung der Mittel zulasten der Bildung, der Ausbildung, der Schulen, der Hochschulen gehen, dass wir zu wenig für die kommenden Generationen, die ja dürftig genug sind, was ihre Zahlen angeht, dass wir da viel vernachlässigen und andererseits viel zu viel im Grunde genommen für Positionen ausgeben, die fruchtlos in dem Sinne sind, dass sie nichts zur Gewinnung der Zukunft beitragen. Eine Umverteilung wäre da notwendig, die aus diesen sozial-konservativen Impulsen unterbleibt.
Schmitz: Dann definieren Sie doch bitte mal, Herr Baring, diesen Begriff Konservativ in einem positiven Sinne, wie er eigentlich gebraucht werden sollte.
Baring: Ich würde sagen, es ist – und das hat mit dem vorher gesagten durchaus zu tun – eine Mentalität. Es ist sozusagen ein Impuls, der im Grunde genommen das Konservative als Skepsis bezeichnen würde, als ein Gefühl und kein Programm. Konservatismus in diesem Sinne orientiert sich an der Wirklichkeit und nicht an irgendwelchen Theorien oder Plänen oder Festlegungen, die sozusagen mit Misstrauen betrachtet werden müssen, weil man eben bekanntlich noch nicht weiß, bevor man etwas getan hat, was die negativen Rückwirkungen sein werden, und diese Rückwirkungen fürchtend, ist eine Beharrungstendenz das, was ich, glaube ich, Konservativ nennen würde.
Schmitz: Ich würde gerne einen kleinen Sprung machen, also von der Situation in Deutschland auf die internationale Ebene. Die internationale Finanz- und Wirtschaftskrise hat uns noch einmal vor Augen geführt, wie stark vernetzt die Welt heute ist. Gewohnte Hegemonien sind mit dem Aufstieg der Schwellenländer obsolet geworden, die Welt befindet sich in einem ungeheueren wirtschaftlichen und politischen Dynamisierungsprozess. Wie passen denn in dieser Situation heute noch Konservatismus und Globalisierung zusammen?
Baring: Na ja, ich glaube, dass der rapide Wandel, der ja von vielen auch angstvoll angesehen wird, gerade weil er global ist, wie Sie gesagt haben, den Impuls auslöst, möglichst viel in der eigenen Umgebung von dem zu bewahren, was man hat. Also insofern ist es, glaube ich, eine verständliche Gegenreaktion gegen das, was als durchlaufende Dynamisierung, wie Sie gesagt haben, mit neuen Märkten, neuen Partnern, neuen Kraftverhältnissen in der Weltwirtschaft und auch in der Politik vieles verunsichern lässt, was eben keineswegs für alle Zeiten gegeben ist.
Schmitz: Und Sie wollen jetzt sagen, dass dieser soziale Konservatismus dazu führt, dass das Bestehende unsere Gesellschaft daran hindert, auch in dieser Dynamisierung der globalisierten Welt bestehen zu können?
Baring: Nein, das würde ich nicht sagen. Ich würde sagen, ich bin erstaunt, in welchem Umfange positiv die Wirtschaft mit der Krise fertig geworden ist, aber woran es im Augenblick fehlt, ist sozusagen eine entsprechende Stabilität dieser Politik. Egal welche Partei sie nehmen, haben die alle starke Führungsprobleme, sie haben keine Sicherheit, welche Orientierung für sie und damit dann auch für die Gesellschaft und ihre Programmatik maßgeblich sein könnte, und eine Politik, die mehr und mehr sich als unfähig erweist, oder als unwillig erweist, die vielen Strömungen der Gesellschaft vorurteilslos aufzunehmen, und das ist ja eine schlimme Sache. Die Parteien sind sich ziemlich einig darin, was alles nicht mit der Bevölkerung offen diskutiert werden kann, weil zu schwierig, weil missverständlich, weil auch in den Lösungen zum Teil problematisch. Und diese Diskrepanz, die sich darin zeigt, zwischen dem, was die Menschen an Veränderung, aber auch an Problemen und Gefahren wahrnehmen, und dem sehr reduzierten Dialog auf der politischen Ebene, den die Parteien für richtig halten und durchzusetzen versuchen, das ist ein Krisenelement. Aber das hat sozusagen mit der Frage, was konservative Werte sind, nur marginal zu tun.
Schmitz: ... , sagt Arnulf Baring über sozial-konservative Lähmungen in Deutschland.
Arnulf Baring: Konservativ wird ja bei uns für rechts gehalten und rechts ist natürlich furchtbar schlecht. Das ist meines Erachtens eine Schimärendebatte. Da gibt's gar nichts. Es gibt keine Bewegung, es gibt keine Führungspersönlichkeiten, es gibt kein Geld dafür. Also alle die, die jetzt von einer neuen konservativen Partei entweder schwärmen, oder sie fürchten, sind auf dem Holzweg.
Was wir in der Bundesrepublik haben, ist ein verbreitetes konservatives Gefühl, ich würde sagen ein Sozialkonservatismus im Wesentlichen, der sozusagen das Bestehende, das sich ja nun auch in Jahrzehnten bewährt hat, unbedingt erhalten möchte und vor allem eben auch die Sozialgesetzgebung, aber auch viele Dinge, die sonst sich etabliert haben, und es gibt ja viele, viele Interessengruppen, die sich darum bemühen, dass keine Veränderungen stattfinden. Das halte ich für konservativ.
Schmitz: Das, meinen Sie, sei das Sozial-Konservative in einem negativen Sinne, vermute ich. Also das Bestehende als Dinosaurier sozusagen, der überlebt ist eigentlich, der sich nicht mehr bewegen kann und der dann, vermute ich, Ihrer Meinung nach abgeschafft gehört.
Baring: Na ja, eingeschränkt, wenn man so was sagen kann. Ich glaube eben, dass die Verteilung der Mittel zulasten der Bildung, der Ausbildung, der Schulen, der Hochschulen gehen, dass wir zu wenig für die kommenden Generationen, die ja dürftig genug sind, was ihre Zahlen angeht, dass wir da viel vernachlässigen und andererseits viel zu viel im Grunde genommen für Positionen ausgeben, die fruchtlos in dem Sinne sind, dass sie nichts zur Gewinnung der Zukunft beitragen. Eine Umverteilung wäre da notwendig, die aus diesen sozial-konservativen Impulsen unterbleibt.
Schmitz: Dann definieren Sie doch bitte mal, Herr Baring, diesen Begriff Konservativ in einem positiven Sinne, wie er eigentlich gebraucht werden sollte.
Baring: Ich würde sagen, es ist – und das hat mit dem vorher gesagten durchaus zu tun – eine Mentalität. Es ist sozusagen ein Impuls, der im Grunde genommen das Konservative als Skepsis bezeichnen würde, als ein Gefühl und kein Programm. Konservatismus in diesem Sinne orientiert sich an der Wirklichkeit und nicht an irgendwelchen Theorien oder Plänen oder Festlegungen, die sozusagen mit Misstrauen betrachtet werden müssen, weil man eben bekanntlich noch nicht weiß, bevor man etwas getan hat, was die negativen Rückwirkungen sein werden, und diese Rückwirkungen fürchtend, ist eine Beharrungstendenz das, was ich, glaube ich, Konservativ nennen würde.
Schmitz: Ich würde gerne einen kleinen Sprung machen, also von der Situation in Deutschland auf die internationale Ebene. Die internationale Finanz- und Wirtschaftskrise hat uns noch einmal vor Augen geführt, wie stark vernetzt die Welt heute ist. Gewohnte Hegemonien sind mit dem Aufstieg der Schwellenländer obsolet geworden, die Welt befindet sich in einem ungeheueren wirtschaftlichen und politischen Dynamisierungsprozess. Wie passen denn in dieser Situation heute noch Konservatismus und Globalisierung zusammen?
Baring: Na ja, ich glaube, dass der rapide Wandel, der ja von vielen auch angstvoll angesehen wird, gerade weil er global ist, wie Sie gesagt haben, den Impuls auslöst, möglichst viel in der eigenen Umgebung von dem zu bewahren, was man hat. Also insofern ist es, glaube ich, eine verständliche Gegenreaktion gegen das, was als durchlaufende Dynamisierung, wie Sie gesagt haben, mit neuen Märkten, neuen Partnern, neuen Kraftverhältnissen in der Weltwirtschaft und auch in der Politik vieles verunsichern lässt, was eben keineswegs für alle Zeiten gegeben ist.
Schmitz: Und Sie wollen jetzt sagen, dass dieser soziale Konservatismus dazu führt, dass das Bestehende unsere Gesellschaft daran hindert, auch in dieser Dynamisierung der globalisierten Welt bestehen zu können?
Baring: Nein, das würde ich nicht sagen. Ich würde sagen, ich bin erstaunt, in welchem Umfange positiv die Wirtschaft mit der Krise fertig geworden ist, aber woran es im Augenblick fehlt, ist sozusagen eine entsprechende Stabilität dieser Politik. Egal welche Partei sie nehmen, haben die alle starke Führungsprobleme, sie haben keine Sicherheit, welche Orientierung für sie und damit dann auch für die Gesellschaft und ihre Programmatik maßgeblich sein könnte, und eine Politik, die mehr und mehr sich als unfähig erweist, oder als unwillig erweist, die vielen Strömungen der Gesellschaft vorurteilslos aufzunehmen, und das ist ja eine schlimme Sache. Die Parteien sind sich ziemlich einig darin, was alles nicht mit der Bevölkerung offen diskutiert werden kann, weil zu schwierig, weil missverständlich, weil auch in den Lösungen zum Teil problematisch. Und diese Diskrepanz, die sich darin zeigt, zwischen dem, was die Menschen an Veränderung, aber auch an Problemen und Gefahren wahrnehmen, und dem sehr reduzierten Dialog auf der politischen Ebene, den die Parteien für richtig halten und durchzusetzen versuchen, das ist ein Krisenelement. Aber das hat sozusagen mit der Frage, was konservative Werte sind, nur marginal zu tun.
Schmitz: ... , sagt Arnulf Baring über sozial-konservative Lähmungen in Deutschland.