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Konservative Ausrichtung der Union
"Wir brauchen eine neue Parteispitze"

Unter der Führung von Frau Merkel sei die CDU immer weiter nach links geführt worden, kritisierte Alexander Mitsch, Vorsitzender der Werteunion. Er erwarte eine breite Diskussion über den "konservativen Markenkern" der Partei. "Im Grunde ist es so, dass die AfD alte CDU-Positionen kampflos übernehmen konnte", sagte er im Dlf.

Alexander Mitsch im Gespräch mit Stefan Heinlein | 23.10.2017
    Alexander Mitsch (CDU), Beisitzer im CDU Kreisvorstand im Kreisverband Rhein-Neckar (Baden-Württemberg), lächelt.
    "Wir wollen unsere alte CDU wieder so zurück haben, wie sie mal war: konservativ, christlich, geprägt von europäischen Werten. Da ist der Linkskurs der derzeitigen Parteiführung nicht das Wahre für uns als Werteunion", sagte Alexander Mitsch im Dlf. (dpa / Alexander Mitsch)
    Stefan Heinlein: In dieser Woche geht es in Berlin ans Eingemachte. In kleinen Gruppen wollen die Jamaika-Unterhändler ausloten, was geht in den schwierigen Detailfragen der großen Politik. Während in der Hauptstadt das Feld bestellt wird für eine weitere Amtszeit von Angela Merkel, ist man in den Landesverbänden der Union weiter dabei, das historisch schlechte Wahlergebnis zu verarbeiten. An der Basis rumort es, die Kritik an der CDU-Chefin wächst - so die Schlagzeile einiger Sonntagszeitungen. Vor allem junge Konservative melden sich zu Wort, um die Nach-Merkel-Zeit vorzubereiten. Der Ruf wird an vielen Stellen lauter nach einer Erneuerung der Partei, nach einem inhaltlichen und personellen Neuanfang der Union.
    Bereits im Frühjahr hat sich die Werteunion gegründet, ein Dachverband konservativer Initiativen der Union, und den Vorsitzenden Alexander Mitsch, begrüße ich jetzt am Telefon. Guten Morgen, Herr Mitsch.
    Alexander Mitsch: Einen schönen guten Morgen!
    Heinlein: Herr Mitsch, können Sie anders als Angela Merkel erkennen, was die CDU hätte anders machen müssen?
    Mitsch: Ja, es ist relativ einfach, und das sagen ja auch die meisten Umfragen, dass die Bevölkerung verunsichert ist über die Einwanderungspolitik und die langfristigen Folgen dieser Einwanderungspolitik. Ich glaube, es war ein Kardinalfehler der CDU erstens, dass sie diese Einwanderungspolitik so lange durchgehalten hat, und jetzt auch nach der Wahl immer noch nicht erkennen will, dass hier ein großes Problempotenzial steckt, dass hier dringend eine Lösung her muss.
    "Der Parteikurs der letzten zwei Jahre hat uns nicht gefallen"
    Heinlein: Geht es Ihnen allein um die Flüchtlingspolitik, Herr Mitsch, oder insgesamt um eine Rückbesinnung auf den christlich-konservativen Markenkern Ihrer Partei, der CDU?
    Mitsch: Sie haben völlig recht: Es geht natürlich um deutlich mehr als nur um die Einwanderungs- oder Flüchtlingspolitik, wenngleich das eben der entscheidende und wesentliche Punkt ist, weil er ja auch die Bürger am meisten bewegt. Das zeigen alle Umfragen. Aber natürlich ist es so, dass uns insgesamt der Parteikurs der letzten zwei bis drei Jahre nicht gefallen hat, weil unter der Führung von Frau Merkel die CDU immer weiter nach links geführt wurde. Sie wird jetzt mittlerweile wahrgenommen als eine Partei links der Mitte, und das kann der Werteunion als Sammelbecken, als Basisbewegung konservativer Gruppierungen in der Union natürlich nicht gefallen.
    "Jegliche Versuche, diesen Kurs zu korrigieren, wurden im Keim erstickt"
    Heinlein: Das heißt zu Ende gedacht, Herr Mitsch, eine inhaltliche Rückbesinnung der Union auf einen christlich-konservativen Markenkern ist mit einer Parteivorsitzenden Angela Merkel nicht möglich?
    Mitsch: Das scheint so zu sein, weil ja offensichtlich in den letzten Jahren dieser Kurs sehr konsequent von der Parteivorsitzenden so gefahren wurde und jegliche Versuche, diesen Kurs auch zu korrigieren, wurden ja innerhalb der Union im Keim erstickt. Und jetzt auch nach diesem Wahldebakel - immerhin hat die CDU ja das schlechteste Ergebnis seit 1949 erzielt -, auch nach diesem Wahldebakel ist man in der Parteispitze offensichtlich nicht bereit, etwas zu korrigieren. Das führt uns dann zu der Erkenntnis, wir brauchen eine neue Parteispitze. Im Übrigen ist das auch gar nichts Ungewöhnliches, wenn Sie nach vielen, vielen Jahren eine Parteispitze auch mal austauschen.
    "Konservative junge Politiker könnten neuen Schwung bringen"
    Heinlein: Wer wäre denn aus Ihrer Sicht, Herr Mitsch, die richtige Person an der Spitze der Partei? Jens Spahn - oder fallen Ihnen da noch andere Namen ein?
    Mitsch: Ach, wissen Sie, in der sogenannten zweiten Reihe der CDU gibt es ja jede Menge guter Personen, die das Thema aufgreifen könnten, die als konservative junge Politiker neuen Schwung in die CDU bringen können. Da gibt es eine ganze Menge. Ich glaube, die CDU hat selten so gute und viele Leute in der zweiten Reihe gehabt, die auch mehr Verantwortung übernehmen könnten.
    Heinlein: Dann nenne ich einen anderen Namen, Herr Mitsch. Ist die Neuausrichtung der ÖVP mit Sebastian Kurz in Österreich ein mögliches Vorbild für die inhaltliche Neuausrichtung der Union, der CDU?
    Mitsch: Na auf jeden Fall! Die ÖVP war vor wenigen Monaten noch tief versunken im Keller der Umfragen, und unter Herrn Kurz hat sich die ÖVP ja hervorragend entwickelt, ist jetzt stärkste Partei geworden, kann eine Regierung bilden, an ihr geht nichts vorbei. Und natürlich ist das ein sehr gutes Vorbild für Deutschland, auch wenn das in der Union nicht gerne gesehen wird von der Parteispitze. Aber so kann man eine konservative Partei volksnah auch reformieren. Wir würden uns wünschen, wenn wir in Deutschland auch jemanden hätten, eine Person wie Herrn Kurz, der mit dieser Programmatik und auch dieser inhaltlichen Pragmatik an die Sache herangeht.
    "Es hat sich nicht unsere Position verändert, sondern die der CDU"
    Heinlein: Herr Mitsch, ich habe in Vorbereitung auf unser Interview einiges gelesen, was die Werteunion, also Ihre Vereinigung, zu Papier gebracht hat als Forderungen an die Union, an die CDU. Ich zitiere einmal: Rückführung aller im Mittelmeer aufgegriffenen Flüchtlinge, Assimilation statt Integration, Einführung einer Obergrenze. Wo sehen Sie da noch die Unterschiede zur AfD?
    Mitsch: Zunächst mal ist es ja so, dass jeder, der bei uns mitmachen möchte, Unions-Mitglied sein muss. Das heißt, wir haben eine klare organisatorische Abgrenzung zur AfD. Das ist mal der erste Punkt. Der zweite Punkt ist: Man sollte nicht davon reden, dass es hier um AfD-Positionen geht. Wenn Sie sich anschauen, was Frau Merkel noch vor 10, 15 Jahren auf Parteitagen und im Bundestag gesagt hat, dann waren das klare Aussagen: Nein zu Multikulti und eine klare Kante in Sachen Einwanderungspolitik. Das heißt, es hat sich nicht unsere Position verändert, sondern es hat sich die Position der CDU verändert. Und im Grunde ist es so, dass die AfD ja alte CDU-Positionen letztendlich kampflos übernehmen konnte. Dadurch sind diese Positionen ja nicht falsch geworden.
    "Wir wollen auch unsere alte CDU wieder so zurück haben, wie sie mal war"
    Heinlein: Herr Mitsch, auch an anderen Stellen, wenn ich da weitergelesen habe, sind Sie in klarer inhaltlicher Nähe zur AfD: Abschaffung der doppelten Staatsbürgerschaft, Ende der Energiewende, Streichung aller Gelder für die Gender-Mainstream-Forschung. Warum wollen Sie denn die CDU verändern, wenn in der AfD die meisten Ihrer Forderungen, die Sie da auflisten, zu Papier bringen, bereits erfüllt sind?
    Mitsch: Die Abschaffung des Doppelpasses ist ein Beschluss des CDU-Bundesparteitags. Insofern ist das überhaupt keine Frage. Das ist eine Position der CDU. Das Thema Energiewende - hier wenden wir uns gegen den überhasteten Ausstieg aus der Atomkraft. Er hat ja immerhin dazu geführt, dass die Stromkosten in Deutschland sehr deutlich gestiegen sind und wir teilweise sehr starke Netzprobleme haben. Das hat durchaus seinen Hintergrund, dass wir diese Dinge fordern. Ich bin selbst jetzt seit über 32 Jahren Mitglied der CDU. So geht es vielen in der Werteunion. Die sind damals unter Helmut Kohl oder sogar noch früher eingetreten in die CDU. Wir wollen auch unsere alte CDU wieder so zurück haben, wie sie mal war: konservativ, christlich, geprägt von europäischen Werten. Und da ist der Linkskurs der derzeitigen Parteiführung eben nicht das Wahre für uns als Werteunion.
    "Es geht darum, die richtige Politik zu machen und Probleme zu lösen"
    Heinlein: Aber es bleibt die Frage, Herr Mitsch: Kann die Union, kann Ihre Partei die AfD politisch bekämpfen, indem man sich inhaltlich dann tatsächlich auf die AfD wieder zubewegt?
    Mitsch: Es geht aus meiner Sicht nicht zu sehr um Parteipolitik. Es geht im ersten Moment darum, dass eine Volkspartei wie die CDU in der Lage sein muss, Probleme zu lösen. Und wenn die Bevölkerung Sorge hat, dass aufgrund der Einwanderungspolitik Deutschland vielleicht in 30 Jahren kein westlich europäisch geprägtes Land mehr ist, sondern ein islamisch oder afrikanisch geprägtes Land, wenn diese Sorgen da sind - und das zeigen die Umfragen -, dann müssen wir als Union diese Probleme ernst nehmen und auch letztendlich lösen. Da ist es erst in zweiter Linie interessant, ob das dann Positionen der Linken, der Grünen, der SPD, der FDP oder auch der AfD sind. Es geht darum, einfach die richtige Politik zu machen, die Sorgen der Bürger aufzugreifen und auch Probleme zu lösen.
    Heinlein: Dennoch: Warum sollen rechtskonservative Wähler, die Ihre Sorgen teilen, die CDU wählen und nicht das Original der AfD? Wenn man auf die Wahlergebnisse in Ostdeutschland, vor allem in Sachsen blickt, dann ist das doch eine Tatsache.
    Mitsch: Ja. Es ist eindeutig, dass die CDU mit der derzeitigen Politik von Frau Merkel in die linke Mitte rechts natürlich ein ganz gewaltiges Wählerpotenzial freigegeben hat. Das ist vollkommen klar. Und was wollten Sie denn zum Beispiel wählen, wenn Sie gegen die Einwanderungspolitik von Frau Merkel sind? Dann konnten Sie bei der letzten Wahl ja im Grunde mit gutem Gewissen kaum eine Partei wählen außer der AfD. Und wir können dieses Feld, dieses sehr wichtige Feld nicht einfach der AfD überlassen. Wir müssen die richtigen Lösungen bieten und wir müssen dann auch entsprechend hier dafür einstehen.
    "Breite Diskussion über einen konservativen Markenkern der CDU"
    Heinlein: Herr Mitsch, wie laut ist denn nach Ihrem Eindruck das Rumoren in der CDU? Sind Sie nur eine kleine Splittergruppe? Denn wenn man die Wahlergebnisse sieht, dann ist Angela Merkel ja nach wie vor fest im Sattel.
    Mitsch: Wir sind eine Basisbewegung, eine Basisbewegung, wie Sie vorhin richtig gesagt haben, die vor sieben Monaten gegründet wurde. Seitdem haben wir uns rasant entwickelt.
    Heinlein: Was heißt rasant entwickelt?
    Mitsch: Die Werteunion ist mittlerweile zum Beispiel in 14 Landesverbänden vertreten. Das heißt, wir sind fast deutschlandweit vertreten, und das ist schon mal ein sehr großer Erfolg. Und wenn Sie sich anschauen, wer in den letzten Tagen und Wochen alles eine Diskussion gefordert hat über einen wieder konservativen Markenkern der CDU, dann fängt das an bei Herrn Manuel Hagel als Generalsekretär der CDU in Baden-Württemberg. Das geht über Ministerpräsidenten aus Ostdeutschland. Jetzt gab es letztens gerade einen Brief in Berlin, der an alle Mitglieder versendet wurde. Auch Herr Günther zum Beispiel aus Schleswig-Holstein fordert eine personelle Erneuerung. Es ist eine sehr breite Diskussion in der CDU jetzt eingetroffen, die wir als Werteunion begonnen haben. Wir haben unmittelbar nach der Wahl damit begonnen, diese Diskussion zu fordern, zu führen, und die Diskussion wird immer breiter. Ich wage die Prognose, dass es in der CDU endlich eine offene breite Diskussion gibt, und die wird auch zu einem Ergebnis führen.
    Heinlein: Im Deutschlandfunk heute Morgen Alexander Mitsch. Er ist der Vorsitzende der Werteunion, ein Dachverband konservativer Initiativen in der Union. Ich danke, Herr Mitsch, für das Gespräch und auf Wiederhören.
    Mitsch: Danke Ihnen auch. Auf Wiederhören!
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.