Christoph Schmitz: Jeder ist seines Glückes eigener Schmied. Jeder soll nach seiner eigenen Fasson selig werden. Jeder soll leben können, wie es ihm am besten gefällt, solange er die anderen dabei nicht behindert. Darum sollen Frauen in Deutschland, die genauso gut ausgebildet sind wie Männer, dieselben Karrieren bis in die Spitzenpositionen machen können. Denn ganz oben wird es vor allem in der Wirtschaft ganz dünn, was Frauen betrifft. Ob und wie das per Quote festgelegt werden soll und kann, das diskutiert die Politik derzeit.
Das Meinungsforschungsinstitut Allensbach hat nun herausgefunden, dass die Ansichten dazu in der Bevölkerung etwas anders sind. Mit der Debatte um die Frauenquote kann die große Mehrheit der Bevölkerung "nur wenig anfangen" und bleibt stoisch bei ihrer Überzeugung, dass Führungspositionen ausschließlich aufgrund von Qualifikation und Leistung vergeben werden sollten, nicht aufgrund sozio-demographischer Merkmale. Das schreibt Renate Köcher vom Allensbach-Institut in der "FAZ". 59 Prozent der Frauen unter 45 halten es persönlich für ideal, die Mutterrolle mit einer Teilzeitbeschäftigung zu verbinden.
Die Literaturwissenschaftlerin Barbara Vinken von der Ludwig-Maximilians-Universität in München hat sich intensiv mit Frauenrollen befasst. Stoßen die jahrzehntelangen Bemühungen um Gleichberechtigung an eine natürliche, gesellschaftliche oder kulturelle Grenze? Das habe ich Barbara Vinken zuerst gefragt.
Barbara Vinken: Also von Natur aus kann man hier ganz sicher nicht sagen, weil das Westdeutschland in dieser Hinsicht ja wirklich innerhalb von Europa einen absoluten Sonderweg darstellt. Das heißt, von Natur kann man gar nicht reden; man muss wohl davon reden, dass wir in Westdeutschland extrem, wenn Sie so wollen, konservative Rollenbilder haben und dass die eine große Prägekraft haben, wie das Rollenbilder so an sich haben.
Schmitz: Aber dennoch scheint es so zu sein, dass die Mehrheit der Bevölkerung, der gesamtdeutschen Bevölkerung, nämlich über 50 Prozent, in diese Richtung tendiert.
Vinken: Kulturelle Prägung heißt ja, man glaubt vielleicht, jeder ist seines eigenen Glückes Schmied, de facto folgt man aber den Rollenvorgaben, die man auch nicht in Frage stellt und die man meistens akzeptiert. Genau das heißt ja kulturelle Prägung, weil sonst bräuchten wir davon ja gar nicht zu reden.
Schmitz: Von dieser kulturellen Prägung spricht auch Renate Köcher. Sie schreibt in ihrem Artikel an einer Stelle – ich darf das mal zitieren -, "Die starke kulturelle Prägung durch Rollenbilder und Vorstellungen von einer idealen Familienkonstellation, also von Leitbildern für die Betreuung und Erziehung von Kindern, wird in der aktuellen Debatte über die Präsenz von Frauen in Führungspositionen völlig übersehen oder ausgeblendet." Müsste man, wenn man über Frauenquote beispielsweise in der Wirtschaft spricht, auch diese kulturellen Prägungen viel stärker mit in die Diskussion einbeziehen?
Vinken: Ja! Ich glaube, wenn wir nicht bereit sind, uns diesem Faktum zu stellen, dass wir da also einen Sonderweg eingehen, dass wir diesen Sonderweg hinter unseren eigenen Ansprüchen, was Emanzipation angeht, weit zurückfallen, ich glaube, solange wir das nicht analysieren, werden wir da auch keinen Schritt weiterkommen.
Schmitz: Das heißt, trotz der gleichen Ausbildungslaufbahnen interessieren sich – das wäre ein anderes Feld – statistisch gesehen in Ost und West Frauen eher für Tätigkeiten, die mit Menschen zu tun haben, für sogenannte Frauenberufe, in der Pädagogik, Psychologie, sie interessieren sich mehr für kulturelle Themen, und Männer nach wie vor, trotz Jahrzehnten der Emanzipation und der Gleichberechtigungsbemühungen, mehr für Technik, Wirtschaft und Politik und kommen dann deswegen auch eher in die Spitzenpositionen in diesen Machtbereichen. Vielleicht gehört es ja doch etwas zur Natur der Geschlechter, oder einer kulturellen Prägung, die so stark ist, dass man ja möglicherweise politisch dagegen ja gar nicht ankommt, weil es nun mal so ist, wie es ist?
Vinken: Ich glaube, was man an diesen Statistiken sieht, ist eigentlich immer wieder dasselbe, dass wir darin, wie wir leben wollen, vor allen Dingen die Geschlechterklischees bestätigen wollen. Das heißt, wir wollen normale Männer, oder ganz Mann und ganz Frau sein. Und je stärker eine Gesellschaft diesen Geschlechtertypen anhängt, umso durchschlagender werden die sein. Das heißt, erst mal gibt es eine sehr starke Frauenarmut im Alter, das wird durch die neue Gesetzgebung nach der Scheidung ja noch verstärkt, und wir haben eine hohe Scheidungsrate wie alle anderen Länder auch. Außerdem sind die Frauen mit dieser Aufteilung ja nicht glücklich, genau wie die Frauen, die glauben, sich für die Karriere und gegen die Kinder entscheiden zu müssen, auch nicht glücklich sind. Das heißt, ich fände schon, dass es sinnvoll wäre, wenn wir da wirklich mal ein bisschen erst mal uns diesen Rollenbildern stellen würden und wenn wir die dann analysiert haben, überlegen wollen, ob wir daran was tun wollen.
Schmitz: Gibt es denn statistisch gesehen mehr Frauen in DAX-Unternehmen in Frankreich?
Vinken: Überall in Europa! Deutschland ist das absolut letzte Licht! Deutschland ist, was den Verdienstunterschied von Frauen und Männern angeht, irgendwie kurz vor Zypern. Wir sind hinter Indien, was die DAX-Unternehmen angeht.
Schmitz: Das müssen wir verstehen, bevor wir eine Quote einführen, zuerst mal verstehen, warum.
Vinken: Genau, und solange wir das nicht verstehen, kann man da, glaube ich, nicht viel machen.
Schmitz: Und wenn man es verstanden hat, dann würde auch die Quote etwas ziehen?
Vinken: Dann muss man überlegen, … - Genau, ja!
Schmitz: Quote nur mit Verständnis, keine Quote ohne Verständnis?
Vinken: Genau.
Schmitz: Wie sähe das Modell Ihrer Ansicht nach aus, dass sich alle um die Familie kümmern, Männer und Frauen gleichermaßen, und je nach Bedürfnissen und Interessen entschieden wird, wer stärker die Karriere verfolgt und wer nicht?
Vinken: Nein, so sieht das Modell meiner Ansicht nach gar nicht aus. Nein!
Schmitz: Sondern?
Vinken: Das Modell sieht aus wie in Skandinavien und wie in Frankreich. Das heißt, sie müssen in Deutschland endlich eine Kinderbetreuung ab einem Jahr haben, und zwar ganztags, sie müssen Ganztagskindergärten und Ganztagsschulen haben. Das heißt, es kann nicht darum gehen, dass die Kinderarbeit auf die beiden Eltern gleichmäßig verteilt wird. Ich halte das für ein völlig aussichtsloses Projekt, das hat noch nirgendwo in der Welt geklappt.
Schmitz: Und wenn das Eltern wollen?
Vinken: Können sie! Jeder kann machen was er will. Das ist ja nicht verpflichtend. Aber die Möglichkeit und die Norm muss natürlich sein, dass es diese Institutionen wie überall in Europa gibt. Das ist der erste Schritt.
Das Meinungsforschungsinstitut Allensbach hat nun herausgefunden, dass die Ansichten dazu in der Bevölkerung etwas anders sind. Mit der Debatte um die Frauenquote kann die große Mehrheit der Bevölkerung "nur wenig anfangen" und bleibt stoisch bei ihrer Überzeugung, dass Führungspositionen ausschließlich aufgrund von Qualifikation und Leistung vergeben werden sollten, nicht aufgrund sozio-demographischer Merkmale. Das schreibt Renate Köcher vom Allensbach-Institut in der "FAZ". 59 Prozent der Frauen unter 45 halten es persönlich für ideal, die Mutterrolle mit einer Teilzeitbeschäftigung zu verbinden.
Die Literaturwissenschaftlerin Barbara Vinken von der Ludwig-Maximilians-Universität in München hat sich intensiv mit Frauenrollen befasst. Stoßen die jahrzehntelangen Bemühungen um Gleichberechtigung an eine natürliche, gesellschaftliche oder kulturelle Grenze? Das habe ich Barbara Vinken zuerst gefragt.
Barbara Vinken: Also von Natur aus kann man hier ganz sicher nicht sagen, weil das Westdeutschland in dieser Hinsicht ja wirklich innerhalb von Europa einen absoluten Sonderweg darstellt. Das heißt, von Natur kann man gar nicht reden; man muss wohl davon reden, dass wir in Westdeutschland extrem, wenn Sie so wollen, konservative Rollenbilder haben und dass die eine große Prägekraft haben, wie das Rollenbilder so an sich haben.
Schmitz: Aber dennoch scheint es so zu sein, dass die Mehrheit der Bevölkerung, der gesamtdeutschen Bevölkerung, nämlich über 50 Prozent, in diese Richtung tendiert.
Vinken: Kulturelle Prägung heißt ja, man glaubt vielleicht, jeder ist seines eigenen Glückes Schmied, de facto folgt man aber den Rollenvorgaben, die man auch nicht in Frage stellt und die man meistens akzeptiert. Genau das heißt ja kulturelle Prägung, weil sonst bräuchten wir davon ja gar nicht zu reden.
Schmitz: Von dieser kulturellen Prägung spricht auch Renate Köcher. Sie schreibt in ihrem Artikel an einer Stelle – ich darf das mal zitieren -, "Die starke kulturelle Prägung durch Rollenbilder und Vorstellungen von einer idealen Familienkonstellation, also von Leitbildern für die Betreuung und Erziehung von Kindern, wird in der aktuellen Debatte über die Präsenz von Frauen in Führungspositionen völlig übersehen oder ausgeblendet." Müsste man, wenn man über Frauenquote beispielsweise in der Wirtschaft spricht, auch diese kulturellen Prägungen viel stärker mit in die Diskussion einbeziehen?
Vinken: Ja! Ich glaube, wenn wir nicht bereit sind, uns diesem Faktum zu stellen, dass wir da also einen Sonderweg eingehen, dass wir diesen Sonderweg hinter unseren eigenen Ansprüchen, was Emanzipation angeht, weit zurückfallen, ich glaube, solange wir das nicht analysieren, werden wir da auch keinen Schritt weiterkommen.
Schmitz: Das heißt, trotz der gleichen Ausbildungslaufbahnen interessieren sich – das wäre ein anderes Feld – statistisch gesehen in Ost und West Frauen eher für Tätigkeiten, die mit Menschen zu tun haben, für sogenannte Frauenberufe, in der Pädagogik, Psychologie, sie interessieren sich mehr für kulturelle Themen, und Männer nach wie vor, trotz Jahrzehnten der Emanzipation und der Gleichberechtigungsbemühungen, mehr für Technik, Wirtschaft und Politik und kommen dann deswegen auch eher in die Spitzenpositionen in diesen Machtbereichen. Vielleicht gehört es ja doch etwas zur Natur der Geschlechter, oder einer kulturellen Prägung, die so stark ist, dass man ja möglicherweise politisch dagegen ja gar nicht ankommt, weil es nun mal so ist, wie es ist?
Vinken: Ich glaube, was man an diesen Statistiken sieht, ist eigentlich immer wieder dasselbe, dass wir darin, wie wir leben wollen, vor allen Dingen die Geschlechterklischees bestätigen wollen. Das heißt, wir wollen normale Männer, oder ganz Mann und ganz Frau sein. Und je stärker eine Gesellschaft diesen Geschlechtertypen anhängt, umso durchschlagender werden die sein. Das heißt, erst mal gibt es eine sehr starke Frauenarmut im Alter, das wird durch die neue Gesetzgebung nach der Scheidung ja noch verstärkt, und wir haben eine hohe Scheidungsrate wie alle anderen Länder auch. Außerdem sind die Frauen mit dieser Aufteilung ja nicht glücklich, genau wie die Frauen, die glauben, sich für die Karriere und gegen die Kinder entscheiden zu müssen, auch nicht glücklich sind. Das heißt, ich fände schon, dass es sinnvoll wäre, wenn wir da wirklich mal ein bisschen erst mal uns diesen Rollenbildern stellen würden und wenn wir die dann analysiert haben, überlegen wollen, ob wir daran was tun wollen.
Schmitz: Gibt es denn statistisch gesehen mehr Frauen in DAX-Unternehmen in Frankreich?
Vinken: Überall in Europa! Deutschland ist das absolut letzte Licht! Deutschland ist, was den Verdienstunterschied von Frauen und Männern angeht, irgendwie kurz vor Zypern. Wir sind hinter Indien, was die DAX-Unternehmen angeht.
Schmitz: Das müssen wir verstehen, bevor wir eine Quote einführen, zuerst mal verstehen, warum.
Vinken: Genau, und solange wir das nicht verstehen, kann man da, glaube ich, nicht viel machen.
Schmitz: Und wenn man es verstanden hat, dann würde auch die Quote etwas ziehen?
Vinken: Dann muss man überlegen, … - Genau, ja!
Schmitz: Quote nur mit Verständnis, keine Quote ohne Verständnis?
Vinken: Genau.
Schmitz: Wie sähe das Modell Ihrer Ansicht nach aus, dass sich alle um die Familie kümmern, Männer und Frauen gleichermaßen, und je nach Bedürfnissen und Interessen entschieden wird, wer stärker die Karriere verfolgt und wer nicht?
Vinken: Nein, so sieht das Modell meiner Ansicht nach gar nicht aus. Nein!
Schmitz: Sondern?
Vinken: Das Modell sieht aus wie in Skandinavien und wie in Frankreich. Das heißt, sie müssen in Deutschland endlich eine Kinderbetreuung ab einem Jahr haben, und zwar ganztags, sie müssen Ganztagskindergärten und Ganztagsschulen haben. Das heißt, es kann nicht darum gehen, dass die Kinderarbeit auf die beiden Eltern gleichmäßig verteilt wird. Ich halte das für ein völlig aussichtsloses Projekt, das hat noch nirgendwo in der Welt geklappt.
Schmitz: Und wenn das Eltern wollen?
Vinken: Können sie! Jeder kann machen was er will. Das ist ja nicht verpflichtend. Aber die Möglichkeit und die Norm muss natürlich sein, dass es diese Institutionen wie überall in Europa gibt. Das ist der erste Schritt.