Schon vor der Coronakrise wurde Konsum zunehmend kritisch hinterfragt. Zum einen standen die globalen Handelswege auf dem Prüfstand, zum anderen die Bedingungen, unter denen günstige Artikel und auch Lebensmittel produziert werden. Nachhaltigkeit, Regionalität und Verzicht galten mehr und mehr als Leitfaden für ein moralisch gutes Konsumverhalten.
Die Coronakrise schien diese Tendenz noch mal zu verstärken, der Wochenend-Trip mit dem Billigflieger, die zehnte Hose oder andere Artikel schienen Vielen plötzlich absurd. In genau diese Stimmung kommt nun der Appell der Politik, die Wirtschaft durch Konsum anzukurbeln, den Einzelhandel zu unterstützen und die drohende Rezession zumindest abzupuffern.
"Vertrauen in die Zukuft ist sehr stark geschwunden"
Michael Jäckel, Professor für Soziologie an der Universität Trier meint, für viele Bürgerinnen und Bürger sei das jedoch eine Herausforderung. Viele müssten sich durch die Folgen der Pandemie plötzlich mit ganz existenziellen Fragen auseinandersetzen. "Die andauernde Krise hat schon dafür gesorgt, dass Vertrauen in die Zukunft sehr stark geschwunden ist."
Im Vergleich zu Phasen des Wohlstands spüre man jetzt die Ungleichheit in Gesellschaften noch viel deutlicher. Die Situation verstärke zudem Phänomene wie Ungeduld. Das lange Warten in der Schlange könne in einigen Fällen auch zu massiven Konflikten führen. "Das zeigt, dass sich der Zusammenhalt und die Freude an bestimmten Ereignissen auf einem sehr dünnen Eis bewegt".
Andererseits stelle man sich in diesen Zeiten auch die Frage nach der Sinnhaftigkeit des andauernden Konsums: "Warum muss diese Permanenz der Nachfrage eigentlich existieren?" Dieser Druck werde auch geschürt durch eine weltweit wachsende Gruppe von Marketing-Experten, meint Jäckel. Dadurch würden immer wieder neue Kaufimpulse gesetzt.