Archiv


Kontinent der Extreme

Die Antarktis ist eine Welt der Superlative: Es ist der kälteste, windigste, trockenste, höchste, dunkelste und wildeste Kontinent. Kein Wunder, dass nur selten Touristen dorthin reisen. So waren in der Sommersaison 2009/2010 gerade einmal 37.000 Besucher auf dem gesamten Kontinent - auf einer Fläche von 52 Millionen Quadratkilometern! Viele Reisefreunde lassen sich davon abschrecken, dass es dort weder Luxus-Hotels noch Schnäppchen-Shops gibt. Doch gerade die pure Wildnis hat Jens Rosbach angezogen. Mit einem Expeditionskreuzfahrtschiff war der Reporter fast zwei Wochen lang in der südpolaren Welt.

Von Jens Rosbach |
    Die antarktische Nacht ist tiefschwarz und das Meer wie flüssiges Blei. Ein Schiffs-Scheinwerfer zerschneidet die Dunkelheit mit einem grellen Weiß, tastet vorsichtig den Horizont ab. Nebelfetzen streichen übers Wasser.

    Im Lichtkegel erscheint ein grauer Punkt. Wird größer. Kurz darauf schält sich aus dem Dunst ein unförmiger Koloss heraus. Ein haushoher Eisberg! Der erste Eisberg meiner Reise. Er schimmert leicht hellblau, wie von innen angestrahlt. Ein unwirkliches, fast kosmisches Leuchten. Weitere Eis-Blöcke folgen: kleine, bizarr geformte Skulpturen sowie gigantische, hundert Meter lange Quader. Sie treiben langsam an unserem Schiff vorbei - in endloser Ruhe. Fünf Uhr dreißig, Morgengrauen in der südpolaren Welt.

    "Ich habe das Gefühl, dass ich über einen mystischen antarktischen Ozean reise - wie durch ein wunderschönes Fegefeuer. Das Licht ist spektakulär. Überall Blau, dann die Farben von Diamanten, die im Wasser glitzern: Grau und Purpur und auch Schwarz. Und der Himmel ist verhangen. Ich stelle mir vor, dass gleich ein gigantischer blauer Wal neben dem Boot auftaucht und an einem Gletscher entlang schwimmt. Es ist wie ein Traum. Ich habe in meinem Leben noch nie so etwas Unglaubliches gesehen!"

    Matt Burns steht auf dem Oberdeck unseres Schiffes - mit einer roten Wollmütze auf dem Kopf und einer Kaffeetasse in der rechten Hand. Der 26-jährige New Yorker begrüßt seinen ersten antarktischen Tag. Burns greift immer wieder zur Digitalkamera, um die vorbei ziehenden Eisberge zu filmen. Stundenlang. Der Schauspieler und Unternehmer wird am Ende der Reise, in seiner Kabine, die Aufnahmen auf seinem Laptop schneiden und mit Musik unterlegen. Das fertige Video zieht den Betrachter in eine unberührte Welt aus Meer, Eis und tief liegenden Wolken in ständig wechselnden, graublauen Tönen.

    "Wir sind auf einem mystischen Kontinent. Es raubt mir den Atem. Und ich bin stolz, zu den wenigen Entdeckern zu gehören, die zu diesem Ende der Welt reisen. Wir kommen hierher, um uns selbst zu finden!"

    Magische Reise zum südlichsten Kontinent: Ich werde auf Wale treffen, die direkt vor uns auftauchen und Fontänen in die Luft blasen - so dicht, dass der feine Sprühnebel in unsere Gesichter weht.

    Robben werden mich böse anfauchen und Pinguine neugierig an meinen Hosenbeinen knabbern. Schließlich wird - vor meinen Augen - ein jagender Seeleopard ein blutiges Naturschauspiel liefern, das selbst ausgewiesene Polarforscher noch nicht zu Gesicht bekommen haben.

    Der Weg in die Antarktis ist weit. Zuerst geht es mit dem Flieger nach Argentinien, nach Buenos Aires. Von dort weiter in den Süden nach Feuerland, genauer: nach Ushuaia. Hier legt unser Polarschiff ab, um uns in die Eislandschaft zu bringen.

    " Ja, ich glaub, was mich am meisten interessiert, es ist weit weg vom Schuss. Weit weg von den Touristen, die - egal wo man ist auf der Welt - überall wird man totgetrampelt von Touristen. Also: je weniger Leute umso besser. (Sie:) Ich glaube, manchmal gehen wir ein bisschen ins Extrem, aber wir lieben das. Manchmal je wilder, je besser (lacht). "

    Kurt und Gisela Abel sind gebürtige Österreicher. Die beiden gehören zu den rund 90 Touristen aus aller Welt, denen ich an Bord begegne. Das Ehepaar - er 62, sie 63 - lebt in Australien und hat schon die ganze Welt bereist. Nun will es mal etwas ganz anderes sehen: etwas fernab der Zivilisation. Etwas Abenteuerliches. Die exotische Tour hat ihren Preis: Die 13-tägige Schiffsreise kostet - je nach Kabine - ab 6400 Euro aufwärts. Pro Person.

    Doch bevor wir auf unsere Kosten kommen, müssen wir leiden. Denn zwischen der Südspitze Feuerlands und der Antarktis liegt die berüchtigte Drake Passage. Sie ist rund 700 Seemeilen breit und bekannt für ihre besonders stürmische See. Zwei Tage benötigen wir für die Überfahrt. Auch wenn wir relativ ruhiges Wetter erwischt haben, schaukelt das Schiff unablässig. Viele Passagiere werden seekrank und kämpfen mit Übelkeit. Murray Stapleton, unser australischer Schiffsarzt, nimmt's mit Humor.

    "Also am ersten Tag war fast jeder krank. Am zweiten Tag war es stürmischer; da wurden noch mehr Leute krank. Daneben hat mich aber noch etwas anderes beschäftigt - und das betraf mich selbst. Denn als das Schiff so ständig hin und her rollte, hab' auch ich schließlich im Bett gelegen."

    Nach zweitägiger Anreise und zwei Tagen auf offener See begegne ich - endlich! - den ersten Eisbergen. Wir fahren ins Weddell-Meer. Es liegt unterhalb der Drake Passage, östlich des antarktischen Nordzipfels. Das Meer ist zumeist von Schelf- und Packeis bedeckt - Eis, das einst den berühmten Polarforscher Ernest Henry Shackleton fast das Leben kostete. 1915 wurde hier sein Segelschiff, die Endurance, vom Packeis zerquetscht. Die Geschichte seines dramatischen Überlebenskampfes lässt unsere Reise noch viel angenehmer, noch luxuriöser erscheinen. Denn w i r fahren mit einem sicheren, 90 Meter langen Stahlschiff - einem Dieselschiff mit Satellitenverbindung und Hubschrauberplattform. Es ist Ende Februar/ Anfang März, am Ende des antarktischen Sommers. Ein großer Teil des Eises ist geschmolzen, sodass die See für einige Wochen befahrbar ist. Bei Temperaturen um die fünf Grad plus tuckern wir gen Süden - bis wir an die Packeis-Grenze stoßen.

    So weit das Auge reicht: eine grün schimmernde Eisfläche. Am Horizont: goldgelbes Abendlicht. Darüber: blauviolette Wolken. Das Schiff stoppt: Weiter geht es nicht. Vor uns eine eisige Wüste. Still und endlos.

    "Rund um das Schiff sind mehrere Buckelwale! Vielleicht zehn bis zwölf Buckelwale rund um die Eisberge - vor unserer Nase! Es ist fantastisch! Wir können die Rückenflossen sehen, und wir können die Schwanzflossen sehen, wenn sie abtauchen. Sie sind nah an der Oberfläche. Ganz dicht bei uns!"

    Dick Filby ist Expeditionsführer und Spezialist für die südpolare Tierwelt. Der Brite steht ständig mit einem Fernglas auf der Schiffsbrücke und hält Ausschau nach seltenen Vögeln und Meeressäugern. Nachdem unser Schiff umgedreht und das Weddell-Meer hinter sich gelassen hat, scheucht Filby uns mit einem "Wal-Alarm" auf.

    "Sie kommen in den Süden, in die Antarktis, um zu fressen. Die Wale haben dafür eine weite Strecke zurückgelegt. In ein paar Wochen werden sie wieder in den Norden zurückkehren. Jetzt, am Ende des südpolaren Sommers, ist die beste Zeit, um Wale zu sehen. Weil es am meisten Krill zu fressen gibt. Dann sind die Wale besonders aktiv und in großer Anzahl unterwegs."

    Wir sind mittlerweile von der Ostküste zur Westküste der Antarktischen Halbinsel gefahren. Nun umschließt uns in eine völlig andere Landschaft: Anstelle von Eisbergen sehen wir eine Küstenlinie mit über einhundert Meter hohen Schelfeiskanten. Schneebedeckte Bergmassive strahlen in der Sonne. Meine Augen schmerzen von dem vielen Weiß.

    In den Buchten der Westküste tummeln sich zahlreiche Buckelwale. Mit Schlauchbooten, sogenannten Zodiacs, pirschen wir uns an die zehn bis fünfzehn Meter langen Meeressäuger heran.

    Die Wale tauchen direkt vor unseren Zodiacs auf, zeigen ihren gewaltigen, blaugrauen Rücken und ihre tellergroßen, doppelten Atemlöcher. Sie prusten Wasser in die Luft, das in unsere Gesichter weht.

    Die Humpback Whales - wie sie auf Englisch heißen - tauchen immer wieder elegant ab; ihre schwarz-gelbe Schwanzflosse peitscht in die Höhe. Millionen glitzender Wassertropfen werden dabei in die Luft geschleudert. Die Antarktis zeigt sich erneut von ihrer unfassbaren, mystischen Seite.


    "Also das Stärkste war, wo vielleicht fünf Meter vor uns ein Humpback getaucht ist und erst dachten wir, das Ding schmeißt das Boot um! Man fühlt sich auf einmal sehr klein, wenn diese großen Tiere neben dir tauchen, ja."

    Unser Schiff, die Marina Svetaeva, ist ein Polarschiff. Die Schiffswand besteht aus 16 bis 18 Millimeter dickem Spezialstahl. Der Bug ist extra verstärkt und flach geformt, damit er auf eine Eisfläche gleiten kann. So zerdrückt das Schiffsgewicht bis zu einen Meter dicke Schollen. Die Svetaeva stammt aus der ehemaligen Sowjetunion; sie wurde einst zur Versorgung von Erdöl- und Erdgasplattformen im Fernen Osten eingesetzt. Heute bringt sie Touristen in die arktischen und antarktischen Regionen.

    Der Polarkreuzer wird nach wie vor von einer russischen Besatzung gesteuert. Die Seemänner hören auf der Brücke gern ihre Heimatklänge - Musik, die aus einem Computerlautsprecher dringt. Kapitän Sergej Nesterov, ein 50-Jähriger mit Lesebrille, navigiert uns mithilfe eines blauen und eines grünen Radar-Monitors durch die Eislandschaft. Nesterov betont, dass 80 bis 90 Prozent eines Eisberges unter Wasser, also unsichtbar sind. Die antarktische See sei gefährlich.

    "Jedes Jahr kracht es bei zwei, drei Schiffen - und zwar bei Passagierschiffen! Bei der vorletzten Reise zum Beispiel haben wir das Unglück der "Polar Star" miterlebt, die auf einem Felsen festsaß, im Süden, in einem kaum erforschten Gebiet. Die "Polar Star" hat es erwischt, weil sie keine Erfahrung hatten. Häufig wechseln die Schiffsbesatzungen jedes Jahr. Und wenn sie ständig wechseln, haben sie keine Ahnung. Außerdem: Welche Erfahrung kann etwa ein philippinischer Kapitän in der Antarktis haben - inmitten der Eisberge?"

    Kapitän Nesterov kreuzt seit 16 Jahren durch die Polarmeere. Der Russe verlässt sich nicht auf die Seekarten, da die antarktische Küste immer noch nicht bis ins letzte Detail erfasst ist. Zudem verändern die Eismassen ständig die Landschaft. Das letzte schwere Unglück liegt dreieinhalb Jahre zurück: Im November 2007 rammte das Kreuzfahrtschiff "Explorer" einen Eisberg - und ging unter. Passagiere und Besatzung konnten jedoch gerettet werden.

    "Insgesamt ist das natürlich schon gefährlich. Das Meer ist sehr kalt, im Wasser hat man eine Überlebenszeit von zehn Minuten. Danach ist Schluss. Das ist die Antarktis."

    Auch wir bekommen einen Hauch der kalten Gefahr zu spüren. Zwar rammt unser Schiff keinen Eisberg, doch rammt ein Eisberg unser Schiff. Und zwar als wir vor einer Küste ankern und alle Passagiere an Land sind. Bis auf den Österreicher Kurt Abel.

    "Auf einmal fing da die Besatzung zu schreien an, ob es Russisch oder Polnisch war, weiß ich nicht. Und dann schau ich so raus. Und dann war da ein Eisberg vor meiner Nase! Der war fast so hoch wie das Schiff. Also ich konnte das Ding fast anfassen. Und dann ging es mit einem großem Bums gegen das Boot vorne - oder hinten. Und der i-Punkt an der ganzen Angelegenheit war: Vorne drauf auf dem Eisberg saßen zwei Pinguine. Als wenn die die Kapitäne des Eisbergs waren."

    Eisberge im Nebel, glitzernde Gletscher, tauchende Buckelwale - zudem jede Menge Albatrosse und Robben. Und natürlich treffen wir auf unzählige Pinguine.

    Eine Pinguinkolonie mit Tausenden Vögeln. Schwarz-weiße "Frackträger", die - wie auf einem Hühnerhof - herumschnattern, sich zanken und ihre Jungen füttern. Sie kennen keine Scheu und watscheln auf mich zu; einige knabbern neugierig an meinen Hosen. Eine Begegnung, die eigentlich zutiefst berührt - würde es nicht so stinken. Denn jede Kolonie ist mit Massen von streng riechendem Pinguin-Kot übersät. So wird der Besuch zu einer widersprüchlichen Erfahrung: Während Augen und Ohren die Idylle genießen, protestiert die Nase. Zudem werde ich durch eine Expertin ernüchtert, die über den Klimawandel doziert.


    "Die durchschnittliche Temperatur der westlichen Antarktischen Halbinsel ist über die letzten 50 Jahre um 2,5 Grad gestiegen. Und das macht sich natürlich bemerkbar. Man kann es zum Beispiel an den Pinguinen sehen. Das heißt, die Population der Adelie-Pinguine ist dramatisch gesunken."

    Antje Steinfurth ist Pinguinforscherin. Die deutsche Biologin, die unsere Reise begleitet, warnt vor dem Schicksal der Adelie-Pinguine. Diese Vogelart, zu erkennen an einem kurzen dunklen Schnabel, findet wegen der Erderwärmung immer weniger Krill zum Fressen. Andere Pinguinarten profitieren hingegen von der Klimaerwärmung, erklärt die Wissenschaftlerin. So dehnen etwa die rotschnabeligen Eselspinguine ihre Brutgebiete immer weiter aus.

    "Das sind eigentlich die Gewinner des Klimawandels auf der westlichen Halbinsel. Deren Population ist um 30 Prozent gestiegen."


    "Stören Sie nicht die Tiere! Weder auf See noch an Land! Beobachten Sie, wie die Tiere auf Sie reagieren! Wir gehen nicht dichter als fünf Meter an die Nester heran! "

    Jede Antarktis-Reise ist eine Reise in eine ökologisch sensible Region. So bekomme ich noch vor dem ersten Landgang zahlreiche Verhaltens-Regeln zu hören: Keinen Müll über Bord werfen! Nichts an Land liegen lassen! Die eigenen Schuhe reinigen, damit keine fremden Pflanzensamen eingeschleppt werden!

    Vorsichtsmaßnahmen hin oder her: Dürfen wir überhaupt in diese unberührte Wildnis eindringen?, schießt es mir durch den Kopf. Sind Touristen auf dem weißen Kontinent nicht generell Störfaktoren? Der Kanadier Andrew Prossin, der unsere Polarreise organisiert hat, gibt mir teilweise recht.

    "Ich denke, es ist unmöglich irgendetwas zu tun, ohne die Natur stören. Aber man wird keinen Wirtschaftszweig finden, speziell keinen Tourismus in der Welt, der so behutsam vorgeht wie unser Tourismus. Jeder Schritt wird aufgezeichnet. Jede Begegnung mit Tieren wird fest gehalten. Wir haben Wissenschaftler, die regelmäßig mit uns fahren. Es gibt keine andere Branche auf dem Planeten, die das tut."

    Der Touristik-Unternehmer verweist auf das strenge Regelwerk der IAATO, der Internationalen Gesellschaft der Antarktis-Reiseveranstalter. Zu ihren wichtigsten Vorschriften gehört, dass höchstens 100 Passagiere gleichzeitig an Land gehen dürfen. Kein Problem für unser relativ kleines Schiff mit seinen knapp 90 Touristen. Anders sieht es bei großen Kreuzfahrtschiffen mit mehreren Hundert Passagieren aus, die ebenfalls mit Antarktis-Abenteuern werben.

    "Wenn nur 100 Passagiere gleichzeitig an Land gehen dürfen, aber mehr Leute auf einem Schiff sind, dann hat jeder einzelne viel weniger Zeit an Land. Bei 300 oder 400 Passagieren sind das dann vielleicht nur 45 Minuten. Bei einem kleineren Schiff hingegen hat jeder Tourist drei oder vier Stunden Zeit für einen Landgang. Hier geht es also um die Intimität der Erlebnisse."

    Juan: "Die Idee ist, dass jeder die Möglichkeit bekommt, die Antarktis zu spüren - das große Erlebnis zu spüren. Es ist zwar unmöglich, dass jeder direkt hierher kommt. Aber wir können allen Menschen unsere Impressionen mitteilen - auf verschiedene Art. Durch Musik, durch Bilder, durch Skulpturen, durch Theater. Durch viele, viele Möglichkeiten!"

    Andrea Juan ist Künstlerin und arbeitet für das argentinische Außenministerium. Wir treffen sie an einem nasskalten Tag am Nordkap der Antarktischen Halbinsel auf der Esperanza-Forschungsstation. Hier leitet Juan ein spezielles Kulturförder-Programm. Es richtet sich an Künstler aus aller Welt, die zehn Tage lang auf der Forschungs-Station leben wollen. So begrüßt mich in einer Polar-Holzhütte ein Experimentalmusiker aus St. Petersburg: Alexej Plusnine, 48 Jahre alt. Plusnine will mit einem Mikrofon den antarktischen "Sound" einfangen.

    "Ich will ein paar Außenaufnahmen zu machen. Aber es ist immer windig hier. Es ist wirklich schwer, mal einen ruhigen Tag zu finden, um die Geräusche der Natur aufzuzeichnen. So werde ich wohl die Reize der Antarktis einfach imitieren - mit meiner Musik."

    Zwölf Tage lang fährt unser Schiff entlang dem südlichsten Kontinent, zwischen Eisbergen hindurch, bis zur Packeiskante. Ich stapfe über Gletscher und beobachte Wildtiere. Am letzten Tag, beim letzten Landgang, schließlich ein weiterer Höhepunkt: Ich werde Zeuge eines dramatischen Naturspektakels. An einer Inselküste, 40 Meter vor uns entfernt, zerfleischt ein Seeleopard einen Pinguin im Wasser. Eine Viertelstunde lang. Wieder und wieder wirft das Raubtier das Opfer in die Luft und versucht es zu zerreißen. Bis plötzlich zwei Vögel herab stoßen, der Robbe die Beute wegstehlen und mit den blutigen Fleischresten über die Pinguinkolonie hinweg fliegen. Live, vor unseren Augen.

    Wir schießen nonstop Fotos, bis die Kamera-Speicher voll sind. David Schultz, amerikanischer Profi-Fotograf und Expeditionsbegleiter, warnt mich, was uns zu Hause erwartet: Dort werden uns alle mit ungläubigen Augen fragen, ob die Aufnahmen auch wirklich echt sind - die Aufnahmen von den vielen Eisbergen, Gletschern und Nebelwolken. Die Bilder der mystischen, eisblauen Antarktis.

    "Die Leute sehen diese intensiven Blautöne. Und heutzutage ist es ja mit einer Computersoftware sehr einfach, solche Farben nachzubearbeiten und zu übersättigen. Und die Leute können anfangs immer nicht glauben, dass die Eisberge tatsächlich dermaßen blau sind. Sie denken, das ist künstlich! Aber wenn du das erste Mal hier runter kommst, dann wirst du es sehen - und du wirst es begreifen."