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Kontrastmittel in Kresse

Umwelt. - Bei etlichen Röntgenuntersuchungen setzen Mediziner Kontrastmittel aus Gadolinium-Komplexen ein. Diese Komplexe machen das an sich giftige Metall für den Körper unschädlich, sie werden unverändert wieder ausgeschieden. Doch damit beginnt erst die Reise der Gadolinium-Komplexe durch die Natur. Berliner Forscher haben jetzt nachgewiesen, daß sie auch von Pflanzen aufgenommen werden können und so vermutlich in unserer Nahrung landen.

Von Volker Mrasek |
    Gadolinium heißt der Stoff, um den es geht. Ein Metall, das giftig ist und sich im menschlichen Körper anreichern kann, in Knochen und Organen. Trotzdem spritzen Radiologen es ihren Patienten in die Blutbahn. Als Kontrastmittel bei der Magnetresonanz-Tomographie, einem bildgebenden Diagnose-Verfahren, das zum Beispiel häufig bei Krebserkrankungen zum Einsatz kommt. Allerdings verabreichen die Mediziner Gadolinium dabei nicht als Reinsubstanz, sondern in ungiftigen, sogenannten Chelat-Komplexen. Darin ist das toxische Metall chemisch fest gebunden ...

    "Die werden innerhalb von wenigen Stunden auch wieder ausgeschieden. Unverändert."

    Doch was passiert danach? Das fragten sich die Chemikerin Silke Richter und einige Kollegen von der BAM, der Bundesanstalt für Materialprüfung und -forschung in Berlin. Sie wussten: Die Kontrastmittel landen im häuslichen Abwasser und schließlich in der Umwelt. Denn in der Kläranlage werden sie nur zu einem geringen Teil zurückgehalten. Das zeigen vergleichsweise hohe Gadolinium-Konzentrationen, die im Berliner Teltow-Kanal gemessen wurden. Jetzt konnten die BAM-Forscher zusätzlich nachweisen: Die Metall-Komplexe werden auch von Pflanzen aufgenommen und können so in die Nahrungskette gelangen. Silke Richter:

    "Die Kontrastmittel, die im Krankenhaus verwendet werden, haben wir untersucht und in Gießwasser zum Beispiel bei Kresse zugegeben. Und dann die Pflanzen untersucht, inwieweit sie diese Komplexe aufgenommen haben. Wir haben es in den Stängeln und auch in den Blättern nachgewiesen. Was aber eben eigentlich auch normal ist. Wenn man sich eine Pflanze vorstellt, dann nimmt sie das Gießwasser über die Wurzeln auf und würde es auch dann über die Blätter ja wieder abgeben."

    Aus den Kresse-Blättern stellten die Forscher nach Ende des Versuchs Extrakte her. Die Analysen ergaben, daß sich darin alle fünf getesteten Kontrastmittel angereichert hatten. Die gemessenen Gehalte in den Blättern waren demnach genauso hoch wie die Konzentrationen im Gießwasser. Die Versuche fanden zwar nur im Labor statt. Doch es ist davon auszugehen, daß das Problem auch im Freiland besteht. Die Gadolinium-Komplexe könnten zum Beispiel zunächst in Böden gelangen, wenn Landwirte ihre Felder bewässern. Und dann auch in Ackerpflanzen, wenn sie die Kontrastmittel über ihre Wurzeln mitaufnehmen. Eine entscheidende Frage für Silke Richter ist nun: Bleibt das giftige Gadolinium auf Dauer in seinem chemischen Korsett? Oder kann es daraus freigesetzt werden?

    "Wenn es weiter in diesen Chelat-Komplexen vorliegt, würde es eventuell auch nichts bedeuten. Wir können uns aber eben nicht sicher sein, ob das auch weiterhin so ist. Und deswegen, denken wir, ist es wichtig zu untersuchen, was mit diesen Chelat-Komplexen unter Umweltbedingungen – UV-Strahlung, Wärme, Einfluß von Mikroorganismen – passieren kann. Aber das ist eben noch am Anfang."

    Es gibt Schätzungen, wonach in Deutschland jährlich rund 1100 Kilogramm gadoliniumhaltige Kontrastmittel in die Umwelt gelangen. Den Einwand, es handele sich also gar nicht um so große Stoffmengen, läßt die Berliner Chemikerin aber nicht gelten:

    "Das stimmt! Aber es wird sicher nicht weniger. Die Untersuchungen werden auf jeden Fall nicht weniger, das heißt, wir geben Tausende Kilogramm an die Umwelt von einem immerhin sehr giftigen Element. Und deswegen, glaube ich, daß es sehr wichtig ist sicherzustellen, daß dieses Element ausschließlich in einer nicht giftigen Form in der Umwelt vorliegt. Gadolinium ist ein gutes Beispiel dafür, daß man eben aufpassen muss, daß den Menschen nicht geschadet wird"

    An der Bundesanstalt für Materialprüfung laufen auch noch Versuche mit anderen Pflanzen. Unterdessen denken die Forscher schon an weitere Schritte. Als nächstes wollen sie typische Umweltbedingungen im Labor simulieren - und testen, ob die Kontrastmittel auch dann noch stabil bleiben. Oder ob sie nicht doch das giftige Gadolinium freisetzen.