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Kontrolle von Moscheen
Kauder "will der AfD ein bisschen das Wasser abgraben"

Der Bund Deutscher Kriminalbeamter sieht die Forderung von Unions-Fraktionschef Volker Kauder nach Kontrollen von Moscheen skeptisch. Der CDU-Politiker sage nicht, wer das überhaupt machen solle, sagte der stellvertretende Vorsitzende Sebastian Fiedler im DLF. Es sei zudem längst bekannt, dass in einigen Moscheen Imame predigten, die radikalisierten.

Sebastian Fiedler im Gespräch mit Bettina Klein |
    Muslime beten beim Freitagsgebet in der Moschee Eyüp Sultan Camii in Ronnenberg in der Region Hannover.
    Muslime beten beim Freitagsgebet in der Moschee Eyüp Sultan Camii in Ronnenberg in der Region Hannover. (dpa-Bildfunk / Julian Stratenschulte)
    "Kauder verschweigt die entsprechenden Zuständigkeiten", kritisierte Fiedler. Gebe es bereits entsprechende Strafverfahren, seien die Kriminalbeamten zuständig. Gehe es um Ermittlungen im Vorfeld von Straftaten, sei es der Verfassungsschutz. Zudem gebe es gar nicht das Personal, um alle Moscheen zu kontrollieren.
    sagte der stellvertretende Vorsitzende des Bunds Deutscher Kriminalbeamter, Sebastian Fiedler, im DLF.
    Sebastian Fiedler, stellvertretender Bundesvorsitzender des Bundes Deutscher Kriminalbeamter (BDK). (Imago / Horst Galuschka)
    Fiedler betonte, die Ermittler wüssten bereits, welche Prediger wo unterwegs seien. Kauders Aussage, das in einigen Moscheen Predigten gehalten würden, die mit dem deutschen Staatsverständnis nicht im Einklang stünden, sei deshalb nicht neu. Er bewerte den Vorstoß des Unions-Fraktionschef daher als einen Versuch, der AfD "ein bisschen das Wasser abzugraben." Das sei "ein politischer Ritt auf der Rasierklinge". Wenn man hier etwas Intelligentes fordern wolle, dann wäre das, Radikalisierungstendenzen von staatlicher Seite etwas entgegenzusetzen. Dies sei zum Beispiel durch Islamunterricht möglich.

    Das Interview in voller Länge:
    Bettina Klein: Über den Islam und seine Strömungen ist in Deutschland in den vergangenen Jahren immer wieder ausführlich diskutiert worden. Anlässe gab es genug. Häufig ging es um Gerichtsurteile. Es ging um das Kopftuch-Verbot, um Beschneidungen, um die Rolle radikaler Prediger und um Fragen der Gleichberechtigung von Mann und Frau in unserer Gesellschaft.
    Die AfD, die alternative für Deutschland hat das Thema weiter zugespitzt mit der Formulierung, der politische Islam sei unvereinbar mit dem Grundgesetz, und dies vor allem mit Blick auf ihren Parteitag am Wochenende, wo ein Parteiprogramm beschlossen werden soll, in dem sich die Kritik am Islam und der Umgang mit der Religion wiederfinden soll. Das Thema ist damit wieder in aller Munde und auch die Union greift es nun noch einmal auf.
    Mitgehört hat Sebastian Fiedler. Er ist der stellvertretende Bundesvorsitzende des Bundes Deutscher Kriminalbeamter. Ich grüße Sie, Herr Fiedler.
    Sebastian Fiedler: Hallo! Ich grüße Sie.
    Klein: Beginnen wir mal mit diesem Punkt. Wir haben es gerade gehört: Es gibt bereits den Anspruch des Staates, genau hinzuschauen, was sich in den Moscheen abspielt. Inwieweit ist das für die Ermittlungsbehörden im Augenblick ein Thema?
    "Politischer Ritt auf der Rasierklinge"
    Fiedler: Da müssen wir ganz einfach unterscheiden, ob wir jetzt über die Kriminalpolizei reden - das heißt, da interessiert uns natürlich immer derjenige Fall, der schon strafrechtlich relevant ist -, oder ob wir über Vorfeldbeobachtungen reden, und da ist namentlich nun der Verfassungsschutz im Boot. Was Herr Kauder ja an dieser Stelle mit seinem einfachen Satz, der jetzt hier so Aufmerksamkeit erzeugt, der Staat müsse das kontrollieren, im Grunde verschweigt, sind die entsprechenden Zuständigkeiten, die sich ja dahinter verbergen. Das heißt, der Bundestag ist gar nicht in der Lage, den Ländern entsprechend vorzuschreiben, dort mehr Personal vorzuhalten. Deswegen muss man immer vor diesem Hintergrund derartige Forderungen, sage ich mal, sehr vorsichtig und zurückhaltend beurteilen. Für mich ist das aus meiner Sicht genau deswegen auch ein politischer Ritt auf der Rasierklinge und versucht natürlich, der AfD insoweit ein bisschen das Wasser abzugraben, nach meiner Bewertung.
    Klein: Herr Fiedler, sprechen wir mal darüber, wie die Praxis im Augenblick ist. Sie gehören dem Bund Deutscher Kriminalbeamter an, nicht dem Verfassungsschutz. Das ist schon klar. Aber wie müssen wir uns das im Augenblick vorstellen? Wie läuft diese Überwachung in der Praxis, wenn es sie denn gibt?
    Fiedler: Ja! Da bitte ich um Ihr Verständnis, dass ich natürlich nicht denen, die wir überwachen wollen, jetzt im Radio mitteile, wie wir das jetzt genau machen. Das ist natürlich Teil unserer Arbeit.
    Klein: Aber es gibt die Überwachung, das können wir festhalten?
    Fiedler: Na ja, es gibt natürlich - - Selbstverständlich geht die Kriminalpolizei allen Fällen nach, wo es entsprechende Strafverfahren gibt. Selbstverständlich! Da ermitteln wir nach den Grundsätzen der Strafprozessordnung. Aber das ist ja hier nicht angesprochen. In diesem Kontext ist ja nur von Kontrolle die Rede, was auch immer das genau meint, und deswegen, noch mal, muss man hier genau hingucken, ob es nicht um Fragen des Verfassungsschutzes geht, und da muss man eben dazu erläutern, wenn nun eine politische Partei insbesondere auf Berliner Bühne jetzt fordert, dass hier irgendetwas mehr kontrolliert werden soll, dann muss sie die Frage beantworten, wer das denn tun soll. Bezogen auf die Kriminalpolizei ist das Ende der Fahnenstange erreicht. Da sind zusätzliche Kontrollen aus reinen personellen Gründen nicht möglich. Das heißt, die Observationskräfte und Ähnliches, die stehen nicht zur Verfügung für zusätzliche Aufgaben. Das muss Herr Kauder dann mit sprechen, falls ihm das denn vorschweben sollte.
    Mehr Prävention nötig
    Klein: Würden Sie es denn für gerechtfertigt und für notwendig halten, da personelle Verstärkung umzusetzen?
    Fiedler: Dann müssen Sie mir sagen, vor welchem Hintergrund. Wir reden ja davon: Das was uns vor unserem Kontext interessiert, sind Radikalisierungstendenzen. Das heißt: Was uns im Gesamtkontext natürlich interessiert ist, wie wir kriminalpräventiv, eingebettet in ein kriminalpolitisches Konzept, hier besser agieren können. Das ist unser Bezugsrahmen hier und da interessieren uns natürlich Radikalisierungstendenzen. Uns interessieren natürlich kritische Strömungen wie die des Salafismus beispielsweise, weil die deswegen interessant sind, weil sie natürlich unter anderem bei Jugendlichen, die auf der Kippe stehen, dort entsprechend abfischen und die in ihre Fänge geraten. Das sind unsere Bezugsrahmen und die interessieren uns, und deswegen muss eigentlich mit gefordert werden, wenn man überhaupt was Intelligentes hier fordert, dass man, sage ich mal, diesen Moscheen, die kritische Strömungen ausstrahlen aus unserer Sicht, auch etwas staatlich entgegensetzt, wie zum Beispiel auch staatliche Angebote an Universitäten. Das heißt, hier kann man ja durchaus - die Universität Münster macht das ja zum Beispiel vor - auch Islam-Unterricht an Universitäten vor dem Rahmen des Grundgesetzes hier anbieten, um dem auch etwas entgegenzusetzen auf der Grundlage unserer Verfassung.
    Klein: Herr Fiedler, wir versuchen ja, gerade auch mit Ihrer Hilfe uns ein bisschen allgemeiner auch ein Bild zu verschaffen, wie es in der Praxis im Augenblick aussieht. Ich habe verstanden, dass wir nicht alle Details von möglichen Überwachungen oder Verfassungsschutzbeobachten auf offener Bühne diskutieren können. Dennoch nach Ihrem Eindruck: Wie relevant ist denn dieser Aspekt nach Ihren Erkenntnissen, dass in Moscheen, wie Herr Kauder sagt, Reden gehalten werden, die mit unserem Staatsverständnis nicht im Einklang stehen? Übertreibt er da, oder ist das eine relevante Entwicklung, worauf der Staat wirklich ein besseres Auge haben muss?
    Fiedler: Das ist eine lang bekannte Entwicklung und deswegen ist der Neuigkeitsaspekt nicht enthalten in dieser Botschaft. Das wissen wir doch seit langer Zeit. Wir wissen doch nun, in welchen Moscheen welche Prediger dort unterwegs sind und entsprechend Radikalisierungsströmungen Vorschub leisten. Aber hier müssen wir nun sauber trennen. Das ist insoweit nicht neu, meines Erachtens, und insoweit spricht er etwas Richtiges an. Die Frage ist nur, in welchen Kontext er es rückt und ob er jetzt zusätzliche Maßnahmen fordert. Und hier sage ich ganz klar: Die Strafverfolgungsbehörden arbeiten hier ganz sauber nach den Maßgaben des Gesetzes und gucken natürlich, versuchen zu erkennen, an welchen Stellen strafrechtlich relevante Taten vorliegen, sind da natürlich dort zugegen, versuchen, mit ihren Schwerpunktsetzungen - wir haben ja zusätzlich Personal in diese Ecken gezogen - dort zu agieren nach bestem Wissen und Gewissen, nach bestem Können und den Möglichkeiten. Auf der anderen Seite behaupte ich, dass der Verfassungsschutz hier auch konzentriert natürlich versucht hinzugucken, aber man muss fragen, was ist jetzt neu an dieser Botschaft. Hat Herr Kauder jetzt etwas Neues festgestellt an dieser Stelle? Das glaube ich nicht. Wenn er hier einen Mangel im Bereich der staatlichen Ermittlungsbehörden oder des Verfassungsschutzes tatsächlich wahrnimmt, dann muss er ihn ansprechen. Dann muss er genau sagen, wie er den beheben will. Mit den Ländern wird das so einfach nicht werden, weil er aus der Bundesperspektive ihnen das nicht einfach so vorgeben kann. Wünschenswert wäre es!
    Klein: Herr Fiedler, ich würde hier gerne kurz einhaken.
    Fiedler: Gerne!
    Klein: Wir halten fest: Die Moscheen, wo zum Beispiel radikal gepredigt wird, da sagen Sie, das ist alles bekannt, die sind zahlenmäßig bekannt, man weiß, wo die sind. Wie läuft das denn im Augenblick ab? Da sitzen dann Leute vom Verfassungsschutz, hören sich das an und melden das dann weiter, und dann wird ein Ermittlungsverfahren eingeleitet, oder wie läuft das im Augenblick denn in der Praxis ab?
    Fiedler: Da halte ich mich einigermaßen bedeckt. Der Verfassungsschutz versucht, an diesen Stellen natürlich Augen und Ohren offenzuhalten, und in diesen Fällen, wo es relevant wird, zum Beispiel in den Fällen, wo ein Anschlag drohen würde, dann würden entsprechende Informationen weitergegeben. Und es würden Informationen tatsächlich weitergegeben, wenn sich handfeste Strafverfahren dort heraus generieren. Und dann würde die Kriminalpolizei solche Strafverfahren gegebenenfalls, je nach Relevanz unter Einschaltung des Generalbundesanwaltes, betreiben. So ist die Aufgabenaufteilung.
    Es geht nicht um einzelne Predigten
    Klein: Ist denn das immer eindeutig zu klären, wo es sich um die Ausübung von Religionsfreiheit handelt und wo im Prinzip eine solche Predigt dann mit dem Gesetz in der Bundesrepublik Deutschland in Konflikt gerät?
    Fiedler: Ich glaube, dass es weniger um die Frage geht, wie eine einzelne Predigt zu bewerten ist, sondern es geht vielmehr um die Frage, wo Radikalisierungsboden geschaffen wird am Rande dieser Predigten und in welchem Umfeld sich das befindet, und das ist problematisch meines Erachtens. Das heißt, da wo sich ein kriminelles Milieu bilden kann, wo Radikalisierung stattfinden kann, wo sie einigermaßen abgeschottet das tun kann, da ist unsere Besorgnis groß, dass an dieser Stelle insbesondere, sage ich noch mal, Jugendliche in diese Fänge geraten, um dann dort letztlich am Ende des Tages möglicherweise auch im Ausland beim IS zu landen, um dann wieder einzureisen und so weiter. Das heißt, hier fängt die Kette an, und deswegen muss hier jede kriminalpräventive Bemühung ansetzen an dieser Stelle. Das ist unser Bezugsrahmen an der Stelle.
    Klein: Und dann sagen Sie, wenn ich Sie richtig verstanden habe, das läuft im Grunde genommen. Wenn Sie sich noch was wünschen würden, dann wäre das mehr Personal?
    Fiedler: Wenn Sie es ganz vereinfacht ausdrücken wollen, ist das so, und zwar insbesondere im präventiven Bereich, um hier tatsächlich diesen Bestrebungen im Vorfeld - und zwar nicht erst, wenn Straftaten im Raume stehen, sondern im Vorfeld - etwas entgegenzusetzen. Das muss der Bezugsrahmen sein.
    Klein: Herr Fiedler, abschließende Frage und Bitte um kurze Antwort. Wir haben ja auch den Faktor, dass Kauder auch sagt, er will jetzt nicht, dass alle Deutsch reden in den Moscheen oder in diesen Gottesdiensten. Ist das ein Faktor, die Sprache, oder sind diejenigen, die sich darum kümmern, durchaus auch der Sprachen mächtig, die dort praktiziert werden?
    Fiedler: Wenn Sie meinen auf unserer Seite, dann muss ich an dieser Stelle sagen, wir wünschen uns mehr derjenigen. Das können Sie in den Integrationsrahmen setzen. Wir wünschen uns mehr derjenigen, die aus anderen Kulturräumen kommen und die entsprechende Sprachen auch sprechen. Da können wir durchaus mehr von vertragen.
    Klein: Sebastian Fiedler, stellvertretender Vorsitzender des Bundes Deutscher Kriminalbeamter, zur Forderung, der Staat müsse stärker die Moscheen kontrollieren. Herr Fiedler, danke für das Gespräch.
    Fiedler: Sehr gerne!
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.