Kontroverse um die Spitzensportreform
Siegerflieger oder Holzklasse?

DOSB und Bundesinnenministerium reformieren die Förderung des deutschen Leistungssports. Das Ziel: Mehr deutsche Medaillen bei künftigen Olympischen Spielen. Was soll sich ändern? Welcher Sportverband profitiert, wer muss um seine finanzielle Existenz fürchten? Ein Überblick.

Von Sebastian Trepper und Olivia Gerstenberger |
    Bundesinnenminister Thomas de Maizière (r) und DOSB-Präsident Alfons Hörmann bei einer Pressekonferenz
    Bundesinnenminister Thomas de Maizière (r) und DOSB-Präsident Alfons Hörmann planen die Spitzensportreform (picture alliance / dpa, Britta Pedersen)
    Wechsel der Blickrichtung: Statt erreichte Medaillen zu honorieren soll das Potenzial für zukünftige Medaillen die Förderung bestimmen. "Wir fördern Exzellenz. Deutschland soll erfolgreicher sein", begründet das Bundesinnenminister Thomas de Maizière bei der Präsentation des Konzepts. Kritik gibt es u.a. von der Linken. André Hahn: "Ich war sehr erschrocken, denn das Ganze kam rüber wie das Papier einer Wirtschaftsberatung."
    Strukturabbau: DOSB und Innenministerium suchen nach Einsparmöglichkeiten. Dazu gehören zum Beispiel die Sportstätten. Von den gut 200 Bundesstützpunkten sollen etwa 40 abgeschafft werden. Von 19 Olympiastützpunkten bleiben 13. Das kritisierte unter anderem Michael Scharf vom Olympiastützpunkt Rheinland im DLF:
    Spezifischere Bewertung: Anstatt ganze Verbände einzuschätzen, sollen die Medaillenchancen der Sportler in jeder einzelnen Disziplin abgeschätzt werden.
    Neues Analysesystem: Das neu geschaffene Potenzial-Analysesystem Potas soll berechnen, in welcher Disziplin deutsche Sportler Medaillen holen könnten. Die Daten dafür soll eine Kommission liefern, die sich unter anderem aus Mitgliedern des Sports und der Wissenschaft zusammensetzt. Experten wie Wolfgang Maennig, Volkswirt und Ruder-Olympiasieger von 1988, zweifeln gegenüber dem Deutschlandfunk an dieser Methode: "Ich halte es ehrlich gesagt für mathematisch nicht lösbar. Ich glaube, dass wir einen sehr guten Prädiktor haben für den zukünftigen Erfolg und das ist der derzeitige Erfolg."
    Neue Analysekriterien: Bisher wissen nicht einmal die Mitglieder des Bundestags-Sportausschusses, nach welchen Kriterien Potas die Medaillenchancen für Disziplinen und einzelne Sportler einschätzen soll. Klar ist nur, dass 20 Attribute und 59 Unterattribute dafür vorgesehen sind. Dazu sollen klar definierte Kriterien wie die Anzahl der Finalplätze bei Olympischen Spielen zählen – aber auch schwer einschätzbare Kriterien wie das Entwicklungspotenzial. Bei den Sportverbänden sorgt Potas für Verunsicherung und löst Debatten aus.
    Entscheidung in zwei Stufen: Auf Basis der Potas-Einschätzung diskutieren der DOSB, das Innenministerium, Verbände und weitere Experten. Sie schlagen die konkrete Förderung vor. DOSB, Innenministerium und teilweise Bundesländer legen die Mittel dafür dann fest.
    Silbermedaillen bei den Olympischen Spielen in Rio 2016
    Gute Medaillenchancen bedeuten auch: mehr Geld (imago sportfotodienst)
    Neue Klasseneinteilung: Disziplinen mit hohem Medaillenpotenzial werden künftig sehr stark gefördert. Etwas geringere Medaillenaussichten führen zu weniger Förderung und Disziplinen mit geringen Medaillenchancen für deutsche Sportler bekommen kaum noch Geld vom Staat.
    Neue Kader: Im Olympiakader sind nur noch Sportler, die bei den nächsten Olympischen Spielen eine Medaille holen könnten. Der Perspektivkader bekommt vier Jahre mehr Zeit. Im Nachwuchskader sind junge Sportler, die in die beiden erstgenannten Kategorien hineinwachsen sollen. Die Talentsuche und -förderung soll schon sehr früh beginnen - durch sogenannte "Bewegungschecks" in Grundschulen. "Das erinnert mich schon an Sichtungsmethoden in der ehemaligen DDR", sagte die Ex-DDR-Turnerin Dagmar Kersten im Deutschlandfunk.
    Was bedeuten die Pläne für den Sport und die Sportler? Und welchen Spitzensport wollen wir in Deutschland? Darüber diskutieren wir bei der 6. Sportkonferenz des Deutschlandfunks "Aus Geld mach Gold - Wohin führt die deutsche Spitzensportreform?" am 15. November 2016.
    Sie können sich hier anmelden: sportkonferenz@deutschlandradio.de
    Weitere Hintergründe zur Spitzensportreform:
    Präsentation Spitzensportreform für den Sportausschuss
    DOSB-Anschreiben an die Spitzenverbände
    Liste der an der Spitzensportreform Beteiligten