Die vielzitierte Spaltung der Gesellschaft wird gerne am Streit über bestimmte Positionen festgemacht: Der Umgang mit Migration oder die Corona-Krise sind zwei besonders prominente Beispiele.
Die Medien werden in diesen Zusammenhängen immer wieder pauschal als Lügenpresse beschimpft, Journalistinnen und Journalisten angefeindet. Doch auch Medienvertreter untereinander beäugen sich oft mit Argwohn.
Streit zwischen Springer und Böhmermann
Zuletzt zeigten sich die Risse unter anderem bei verbalen Angriffen gegen die öffentlich-rechtlichen Sender, zu denen auch der Deutschlandfunk gehört. "WeltN24"-Chefredakteur Ulf Poschardt schrieb auf Twitter: "der ÖRR ist in dieser Form nicht mehr tragbar." Anlass war ein Klimaschutz-Ranking der WDR-Sendung "Quarks", in dem die FDP ganz vorne landete, aber anschließend heruntergestuft wurde, weil die Redaktion wegen der Stromversorgungsproblematik an der Durchsetzung des Klimaschutzziels durch die Partei zweifelte.
Darüber hinaus sorgten auch Aussagen des Satirikers Jan Böhmermann bei einer Veranstaltung der Wochenzeitung "Die Zeit" für Diskussionen. Bild-Chef Julian Reichelt reagierte auf ein Streitgespräch zwischen Markus Lanz und Jan Böhmermann wegen der Auswahl von Experten zum Thema Corona mit dem Vorwurf, Böhmermann wolle bestimmte Meinungen aus dem öffentlich-rechtlichen Diskurs heraushalten.
Debatte um wirtschaftliche Interessen
Aus Sicht des Kommunikationswissenschaftlers Lutz Hachmeister sind solche Kontroversen allerdings überhaupt nicht neu: "Die Angriffe des Springer-Verlages auf das öffentlich-rechtliche System, die fangen ja schon Ende der 50er, Anfang der 60er Jahre an.
Von Beginn an, so Hachmeister, habe beispielsweise die Verteilung von Werbeeinnahmen eine Rolle gespielt. "Da befürchtete Springer, dass ihm traditionelle Werbegelder für das Print-System abhandenkommen. Das ist in gewisser Weise verständlich."
"Reaktualisierung eines uralten Konflikts"
So seien die Kontroversen vor allem durch die unterschiedlichen wirtschaftlichen Rahmenbedingungen gegeben: "Da investieren wir alle Milliarden in ARD, ZDF und Deutschlandradio. Das ist aller Diskussionen wert, was da für ein Ergebnis und welche Leistung dabei herauskommen. Aber das hat mit diesen Auseinandersetzungen zwischen Springer, dem neuen Bild Live-Fernsehen und den öffentlich-rechtlichen Sendeanstalten ganz wenig zu tun. Das ist so eine schale Reaktualisierung eines uralten Konflikts."
Doch auch die Veränderungen in der Medienbranche spielten bei dem Konflikt eine wesentliche Rolle, so Hachmeister: "Springer, wie auch vielen anderen Traditionsmedien, bricht ja das Kernpublikum weg, die Leser der Bild-Zeitung. Man versucht natürlich, über neue Fernsehkanäle, über Social Media, über die Diversifizierung des Angebots die entsprechenden Einnahmen zu generieren."
Unterschiede zum US-Mediensystem
Neben der Unterscheidung zwischen Öffentlich-Rechtlichen und Privaten zeigt sich beim Vorwurf einer vermeintlichen Unausgewogenheit eine weitere Trennlinie in der Medienbranche. Begriffe wie links-grün, konservativ oder rechts werden nicht nur beschreibend, sondern wertend genutzt – oft mit negativer Konnotation.
In den USA zeigt sich schon seit Jahren, dass die großen Fernsehsender, Zeitungen oder Online-Portale völlig unterschiedliche Zielgruppen erreichen – getrennt nach politischen und ideologischen Lagern. Die Gefahr, dass es auch in Deutschland zu einer ähnlichen Polarisierung der Gesellschaft und der Medienlandschaft kommt, sieht Kommunikationswissenschaftler Hachmeister derzeit jedoch nicht:
"Man muss wissen, dass die US-Gesellschaft mit den beiden großen Parteien im politischen Raum schon immer viel polarisierter war. Und insofern haben die Medien da etwas nachvollzogen, was sich im politischen Raum längst ergeben hatte."