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Konzeptkünstlerin Ceal Floyer
Ironie und Absurdität

Das Entsorgung konzeptueller Kunst in Museen durch kunstfernes Reinigungspersonal ist ein Running Gag - kommt aber immer wieder vor. Im Kunstmuseum Bonn ist ein in einer Ecke deponierter Müllsack bisher diesem Schicksal entgangen. Der Sack ist Teil einer Ausstellung der britischen Konzeptkünstlerin Ceal Floyer.

Von Georg Imdahl |
    Kunstmuseum in Bonn
    Es ist vor allem Ceal Floyers Ironie, die die Ausstellung in Bonn nachwirken lässt. (picture alliance / dpa / Wolfgang Moucha)
    Wenn der Besucher die Ausstellung betritt, hat er die erste Arbeit schon verpasst. Sie befindet sich in der ständigen Sammlung des Kunstmuseums Bonn. Dort flankiert ein kleiner roter Punkt ein Bild von Georg Baselitz. Auf einer Kunstmesse oder in einer Galerie würde ein solcher Punkt signalisieren, dass das Werk bereits verkauft ist. Aber im Museum? Dort werden Bilder doch eigentlich gesammelt, nicht verkauft - oder?
    Doch, doch, Baselitz' Frühwerk "Sandteichdamm" hatte das Kunstmuseum Bonn im Jahr 2001 tatsächlich veräußert, um damit das Defizit der umstrittenen Ausstellung "Zeitenwende" decken zu können, was damals als Sündenfall in der Museumslandschaft galt. Seitdem hängt das Bild nur mehr als Dauerleihgabe in Bonn.
    Mit dem ihr eigenen trockenen Humor setzt Ceal Floyer den unscheinbaren Punkt neben das Gemälde und erinnert damit an einen neuralgischen Aspekt des Hauses. Doch auch darin erweist sich der Punkt als typisch für das Werk der britischen Künstlerin: Es ist nicht einfach ein Aufkleber.
    Konzeptkunst als intellektuelles Schwarzbrot
    Floyer bohrte ein kleines Loch in die Wand und füllte dieses mit cadmiumroter Farbe: So ist dieser Punkt noch nicht einmal ein richtiger Punkt, sondern eine Miniatur, ein rotes Etwas, das sich jeder künstlerischen Gattung entzieht.
    Unter Konzeptkunst wird gemeinhin so etwas wie intellektuelles Schwarzbrot verstanden - eine tiefschürfende Gedankenarbeit, die infrage stellt, ob Kunst überhaupt eine materielle Form annehmen muss oder nicht vielmehr schon als Idee voll zur Geltung kommt. So haben Künstler wie Lawrence Weiner oder Joseph Kosuth jene Conceptual Art in den 1960er Jahren in Amerika in Stellung gebracht.
    Von der Idee lebt auch das Werk von Ceal Floyer, aber das Philosophische daran ist bei ihr merklich geerdet, populärer, auch spielerischer – wie die Besucher der letzten Documenta erleben konnten. Einen kleinen Ausschnitt aus einer Schnulze der Country-Sängerin Tammy Wynette wiederholte Floyer als Endlosschleife und schuf damit einen veritablen Ohrwurm.
    Kunst als subtile Anspielung
    Vor allem aber ist es Ceal Floyers Ironie, die die Ausstellung in Bonn nachwirken lässt. Die Metapher vom Licht der Erkenntnis verkehrt sie schon in ihren frühen Arbeiten der neunziger Jahre in trügerische Bilder. Etwa dann, wenn Glühbirnen scheinbar leuchten, in Wirklichkeit aber durch präzise Spots selbst angestrahlt werden. Oder wenn der Lichtschalter neben der Tür als Projektion an die Wand geworfen wird - und folglich seinerseits aus Licht besteht.
    Manchen Arbeiten sind subtile Anspielungen auf die Kunst des 20. Jahrhunderts eingeschrieben. Da ist in einem Saal der Kassenzettel irgendeines Bonner Supermarkts an die Wand geklebt. Aufgelistet sind Dutzende Alltagsartikel wie Milchreis, weiße Bohnen und Butter, dazu Haushaltskerzen, Tampons und Puderzucker. Erst der Titel des Werkes deutet auf die Farbe hin, die bei dem absurden Einkauf maßgeblich war: "Kassenzettel (Weiß)". Die Künstlerin hat ausnahmslos weiße Waren eingekauft und mokiert sich damit über den Umstand, dass die Farbe Weiß schon in den Bildern eines Kasimir Malewitsch vor hundert Jahren für soziale Utopien einstand.
    Fast folgerichtig ist auch das Ready-made in den Fundus von Ceal Floyer eingegangen: Ein zugeschnürter Müllbeutel sackt in einer Nische in sich zusammen, als hätte ihn die Putzkolonne vergessen. Die jüngste Arbeit ist ein visuelles Sprachspiel. Eine große Fotografie zeigt einen erhobenen, aufzeigenden Arm vor dem Grün einer Schultafel. Titel: "Die Antwort". Diese aber wirft nur Fragen auf. Wie nämlich lautet die Antwort und vor allem: auf welche Frage?
    Wer sich nach dem Besuch der Ausstellung in den Sammlungsbeständen des Museums im Obergeschoss umtun will, mag sich auf der hohen Freitreppe wundern. Jede einzelne Stufe ist mit einem eigenen Schild versehen: "Vorsicht Stufe". Auch dies natürlich ein Werk Ceal Floyers, das sie bereits 2006 in der Humboldt-Universität zu Berlin installierte. Jene Vorsicht hatte ein Besucher in Bonn vor einigen Monaten nicht walten lassen, war gestürzt und brach sich ein Bein. So wurde die Arbeit mit der vielfachen Warnung vorab von der Realität eingeholt.