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Konzert als Film
Die Zukunft des Musikfilms

Konzerte kann man heute im Livestream sehen oder mit dem Smartphone filmen. Angesichts der Bilderflut im Netz fehle jedoch eine redaktionelle Auswahl, meint Katrin Rabus. Sie leitet das Forum "The Look of Sound", das über neue Trends des Musikfilms diskutiert. Einer dieser Trends sei der Konzertfilm.

Katrin Rabus im Corsogespräch mit Juliane Reil |
    "The Look of Sound" - Arte Empfang mit Katrin Rabus
    "The Look of Sound" - Arte Empfang mit Katrin Rabus (Arthur Bauer)
    Juliane Reil: Musik im Video oder auch im Film zu visualisieren, ist eine eigene Disziplin für sich. Mit dieser Disziplin setzt sich "The Look of Sound" auseinander: ein internationales Forum für Musikfilme in Mannheim. Musiker, Regisseure, Produzenten und Redakteure diskutieren drei Tage lang über aktuelle Trends in diesem Bereich. Heute beginnt in Mannheim die 14. Ausgabe des Forums. Vor der Sendung habe ich mit Katrin Rabus gesprochen, die das Forum leitet. Guten Tag, Frau Rabus.
    Katrin Rabus: Guten Tag, Frau Reil.
    Reil: Ja, was würden Sie sagen, der Musikfilm, wie würden Sie das definieren?
    Rabus: Es ist einfach eine Erweiterung des Musikerlebnisses. Also es ist nicht in erster Linie Film, es ist sozusagen der längere Atem der Musik, der über den Moment hinausgeht, der, den die Musiker gar nicht so gerne haben, weil sie leben in dem Moment, und sie produzieren den Moment, aber für die Nachwelt, für die Erinnerung, für ein breiteres Publikum, für das Gespräch darüber ist dann der Film, eine Dokumentation oder die Aufzeichnung doch ein Medium, was immer stärker beachtet wird und was vielleicht auch stärker beachtet werden sollte, was seine Qualität betrifft, gerade jetzt, wo wir auch ins Internet sehr viel gehen.
    Erinnerung und Blick nach vorne
    Reil: Also wenn ich Sie richtig verstehe, "A Hard Day's Night" von den Beatles ist genau so ein Musikfilm wie zum Beispiel das Porträt über Conny Planck, das im letzten Jahr gelaufen ist und das auch noch einmal auf Ihrem Forum zu sehen sein wird.
    Rabus: Ja. Genau. Es ist eine große Bandbreite. Sie haben also vom aufgezeichneten Konzert, auch von der musikalischen Kreation des Komponisten, der gleichzeitig mit Visualisierung arbeitet, - das ist ja heute in der neuen Musik schon gang und gäbe -, haben sie aber eben auch die Archive, das Wiederbeleben dessen, was war, was haben unsere Väter gemacht, was gab es früher, wo kommen wir eigentlich her. Und gerade die breite Akzeptanz von Popmusik, sagen wir mal, vernachlässigt ein bisschen diesen Blick zurück und das war für uns der Grund, also den Film von Conny Planck ins Festival zu nehmen, zumal ja auch der Sohn Stephan Planck jetzt sozusagen auf die Spuren seines Vaters geht, da kommt ein ganz persönlicher Touch in eine Dokumentation, und es ist dann immer gut, anlässlich eines solchen Films dann das ganz allgemein zu besprechen, wie geht man mit Archiven um, wie geht man mit Erinnerung um.
    Der Musikproduzent Conny Plank im Studio
    Der Musikproduzent Conny Plank im Studio (Pressebild)
    Reil: Erinnerungen auf der einen Seite, auf der anderen Seite auch der Blick nach vorne. Ich würde ja immer noch denken, dass ein Musikfilm eigentlich eine Nische besetzt. Aber Sie sagten gerade, im Zuge der neuen Medien bekommt das mehr und mehr Bedeutung?
    Rabus: De facto bekommt es Bedeutung. Es wird natürlich nicht mit Produktionsmitteln entsprechend versehen. Also wenn wir heute denken, mit welch riesen Produktionsmitteln man an Sportereignisse geht, dann ist das natürlich bei den kulturellen Produktionen überhaupt nicht der Fall. Und deshalb sind wir mit dem Forum auch immer wieder, jedes Jahr dabei, genau zu präzisieren, wo sind die Probleme jetzt. Ja, im Moment stehen die öffentlich-rechtlichen Sender an einem Wendepunkt: Sie dürfen für das junge Publikum - was weitgehend alles im Netz sucht - nicht so beliebig produzieren, wie das in anderen Ländern üblich ist, zum Beispiel das Internet als Träger bleibt eigentlich dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk weitgehend verschlossen, wenn es nicht mit Programm zu tun hat. Auf der anderen Seite werden die großen Akteure, sagen wir mal Berliner Philharmoniker, die Oper in London, die Oper in Paris, selber zu Sendern, ja. Also sie haben sozusagen mehr Akteure, sind nicht mehr die Einzigen, die entscheiden, was können wir jetzt produzieren. Gleichzeitig werden die Mittel weniger.
    "Fehlt die redaktionelle Auswahl, geht ein ganzer kultureller Zweig verloren"
    Reil: Aber wenn es Übertragungen gibt von der Metropolitan Opera, auch im Livestreaming ins Netz, warum brauche ich denn dann überhaupt noch einen Konzertfilm?
    Rabus: Die Frage geht tiefer. Warum brauche ich Redaktionen? Warum brauche ich Auswahl? Warum brauche ich in dieser riesen Fülle an Möglichkeiten jemanden, der mich da hindurchführt? Und im klassischen Bereich, in der Presse, sind das die Redaktionen, ist das die fachliche Auswahl, zu entscheiden, das ist es wert und das. Und das bereiten wir dann auch in der entsprechenden Fachlichkeit zu. Und das wird, sagen wir mal, die Sender in den letzten Jahren haben es sich auch leicht gemach. BBC zum Beispiel hat gesagt, gut, dann die Royal Opera das selber und wir kaufen von denen dann den fertigen Film, das Publikum merkt das erst mal nicht.
    Aber es fehlt natürlich die redaktionelle Auswahl, die redaktionelle Bewertung. Und damit geht ja ein ganzer kultureller Zweig verloren. Es geht ja die Bewertung verloren, die öffentliche Diskussion, was bleibt, was ist gut, das wollen ja auch die Künstler. Die wollen ja nicht nur sich selbst darstellen, die wollen auch eine fachliche Reaktion haben. Und das hatte man bisher immer im öffentlich-rechtlichen Rundfunk oder in den Feuilletons der Tageszeitungen, aber durch die Bildproduktion von Internet - Internet braucht Bilder - ist das einfach explodiert. Die Probleme der Sender liegen auch da: Mache ich einen teuren Film mit dem großen Orchester, eine riesen Produktion, und habe dann einen wunderbaren, auch wiederverwendbaren Konzertmitschnitt, oder mache ich zehn verschiedene auf Internetqualität im Netz für ein ganz anderes Publikum und gehe auch mit der Musik ganz anders um.
    "Wir wollen auch die Unterschiede zu heute zeigen"
    Reil: Die Popmusik, und Musiker überhaupt in den vergangenen Monaten, sind ja sehr viel politischer geworden mit der veränderten Weltpolitik. Spürt man davon auch etwas in Musikfilmen?
    Rabus: Also wir haben den Film gezeigt "Rammstein in Amerika" oder auch der Zappa-Film letztes Jahr von Thorsten Schütte "Eat that Question", da spüren Sie schon, wenn Sie sensibel sind, spüren Sie politische Strömungen, politische Zeit, den Zeitgeist. Aber ich würde nie sagen, das ist explizit so gedacht ist. Also wir haben heute Abend zur Eröffnung "Solidaritätslied Hanns Eisler - Eine Geschichte", das ist ein Film von 1996, der ist eminent politisch, weil er eben zeigt, wie in Deutschland jemand wie Hanns Eisler wegen seiner Kunst verfolgt wurde, nicht wegen der Inhalte, und welche Folgen seine Musik genommen hat, das ist ganz dramatisch und hochbrisant auch erzählt als Kinofilm eigentlich. Und das habe ich heute Abend mal an die Eröffnung gesetzt, um mal zu zeigen, vor 20 Jahren, da waren solche Produktionen möglich. Da trat die deutsche Kammerphilharmonie als Akteur auf, ein ganzes Orchester. Aber der Film hat auch über eine Million D-Mark gekostet, das ist heute, im Moment gar nicht denkbar. Wir wollten das einfach mal an den Anfang setzen, um zu sagen, ja, die Unterschiede auch zu zeigen zu heute.
    Reil: Katrin Rabus im Corsogespräch. Sie leitet "The Look of Sound", das internationale Forum für Filme über Musik, das heute mit Podiumsdiskussionen und Vorträgen in Mannheim beginnt. Danke Ihnen für das Gespräch.
    Rabus: Vielen Dank, Frau Reil.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.