Melancholie und Schmerz ist zu spüren in der Musik von Richard Fuchs. Einem Komponisten, der von seiner geliebten Heimat verstoßen wurde und fliehen musste. Ebenso wie sein Bruder, der frühere Fußballnationalspieler Gottfried Fuchs. Dieser hält immer noch den Rekord von 10 geschossenen Toren in einem Länderspiel. Der Rekord entstand 1912 bei den Olympischen Spielen im Stockholm beim Spiel gegen Russland, das Deutschland 16:0 gewann.
Es sollte in diesem besonderen Rahmen des Fußballmuseums, in dem jedes legendäre Spiel, jedes Detail aus dem Fußballleben für Besucher anschaulich dargestellt wird, eine besondere Würdigung sein. Der Schirmherr der Veranstaltung, der frühere Bundestagspräsident, Norbert Lammert führte sie mit den Worten ein:
"Zwei Menschen, die fast keiner mehr kennt, die selbst erklärten Fußball- und oder Musikliebhabern unbekannt geblieben sind."
Gottfried Fuchs wurde nach 1933 aus den Archiven entfernt. Der Held aus der Kaiserzeit und Weimarer Republik sollte vergessen werden, weil er jüdisch war. Ebenso sein Bruder Richard Fuchs, der Komponist. Beide konnten rechtzeitig aus Deutschland emigrieren. Gottfried Fuchs floh nach Kanada, Richard Fuchs nach Neuseeland.
Im Fußballmuseum wurden drei Werke von Richard Fuchs vom Orchesterzentrum NRW uraufgeführt. Im Beisein von Enkeln und Urenkeln der beiden Brüder, die eigens aus Neuseeland, Kanada und Großbritannien angereist waren, um diese späte Ehrung zu erleben.
"Er hätte sich sehr gefreut mit der Ehre, die sie ihm jetzt machen und seinem Bruder Gottfried."
Soni Mulheron ist 91 Jahre alt. Eigentlich heißt sie Sonja, nannte sich in Neuseeland dann Soni. Sie ist die Tochter von Richard Fuchs und inzwischen 91 Jahre alt. Für sie war der Weg in ihrem hohen Alter zu weit, die Ärzte rieten ihr von der Reise ab und so schickte sie eine Grußbotschaft nach Dortmund.
Die Uraufführung bedeutet ihr und der ganzen Familie auch deswegen so viel, weil es das erste Mal ist, dass die Leistung und die Werke gewürdigt werden:
"Seine Musik konnte nicht in Deutschland aufgeführt werden und konnte auch nicht in Neuseeland aufgeführt werden, weil er deutsch war."
Auch in der neuen Heimat diskriminiert
So wurden beide Brüder, die sich nach ihrer Flucht nie mehr sahen, auch in ihrer jeweiligen neuen Heimat diskriminiert. Richard Fuchs galt ab Kriegsbeginn 1939 als Feind in Neuseeland, der sich wöchentlich bei den Behörden zu melden hatte:
"Die haben keinen Unterschied gemacht zwischen Deutschen und deutschen Juden."
Während Richard Fuchs 1947 verstarb, lebte seine Bruder Gottfried, der einst legendäre Fußballer, bis 1972. Und selbst kurz vor seinem Tod, so viele Jahre nach dem Krieg, wurde er in Deutschland immer noch nicht rehabilitiert und wieder ins Sportgedächtnis aufgenommen.
"DFB wollte keine Vergleichsfälle schaffen"
Damals wollte Sepp Herberger, für den Gottfried Fuchs das große Idol seiner Jugend war, ihn auf Kosten des Deutschen Fußballbundes einladen zur Eröffnung des Münchner Olympiastadions. Deutschland spielte gegen die Sowjetunion. Es wäre so passend gewesen, 60 Jahre nach seinem Torrekord gegen Russland. Doch:
"Der DFB hat abgesagt, nein das wolle man nicht. Man wolle keine Vergleichsfälle schaffen. Und das war ein besonderer Hohn, weil Gottfried Fuchs der einzige noch lebende, jüdische Nationalspieler war",
bemerkt Museumsdirektor Manuel Neukirchner. Das alles geschah, während Gottfried Fuchs in Kanada mit sich rang, ob er diese Einladung annehmen soll, erzählt sein Urenkel Nicolas Kaiser.
"Es brauchte viel Überzeugung von seiner Frau und seinen Kindern, die ihm sagten, das wird toll und es wird vielleicht deine einzige Chance sein wieder anerkannt zu werden und dann sagte er irgendwann doch ja."
Kurz später starb er an einem Herzinfarkt und bekam so die Ablehnung, die ihm Sepp Herberger in einem Brief übermitteln musste, nicht mehr mit.
"Gott sei Dank hat er diese zweite Abweisung nicht mehr mitbekommen, es hätte sein Herz gebrochen."
In dem Brief, den Herberger nach Kanada schickte, brachte dieser seine große Enttäuschung zum Ausdruck, Norbert Lammert zitierte daraus:
"Die Absage des DFB-Präsidiums sei für ihn eine einzige Enttäuschung und ein Anlass wieder einmal mehr festzustellen, dass auf dieser heute so verdrehten Welt auf niemanden mehr Verlass ist. Und niemanden hat er mit Großbuchstaben geschrieben."
"Ist auf uns heute Verlass?"
Das Kammermusikkonzert im Deutschen Fußballmuseum vor den Fahnen der Vereine, inmitten der Devotionalien der deutschen Fußballgeschichte war weit mehr als Musik und Erinnerung. Es hatte eine tiefe Botschaft:
"Ist auf uns heute Verlass? Wie gehen wir mit heutigen Entwicklungen um? Die entweder einzelne Personen diskriminieren, verleumden oder bedrohen und oder wie rechtsstaatliche, demokratische Verfassung unserer Gesellschaft im Ganzen zur Debatte stellen? Kann das Grundgesetz, dessen 70. Geburtstag wir im vergangenen Jahr gefeiert haben, sich auf uns verlassen?"
Lammert mahnte, sich nicht auf das geschriebene Wort im Grundgesetz zu verlassen. Es brauche Menschen, die Demokratie leben. Etwa dadurch, dass zwei Menschen zurückgeholt werden ins kollektive Gedächtnis, die ihre überragenden Fähigkeiten einst in die Gesellschaft einbrachten.