Für ein einziges Konzert kommt sie mit ihrem Album "Poppy.Computer" nach Europa: die kindlich wirkende Frau mit der monotonen Piepsstimme - Poppy. Viele kannten sie bislang nur aus dadaistischen Videos, makellos gestylt in einem weißen Raum - gern hellrosa gekleidet. Doch nun kommt sie ins echte Leben. Fans sind von der bisherigen US-Tour begeistert; Podcasterin Lindsey Weber auch:
"Ihre Lieder sind wirklich großartig. Sie sind gut geschrieben - und man hat Spaß beim Mitsingen. Poppy weiß, wie sie ihre Lieder performen muss. Sie hat auch mit dem Publikum interagiert. Deshalb sind die Menschen ja eigentlich da gewesen."
Nicht-netzaffine Menschen hingegen tun sich mit Poppy schwer. Sie verstehen sie einfach nicht. Denn vieles von dem, was Poppy tut, ergibt keinen Sinn - auf den ersten Blick. Zunächst waren da diese komischen Videos, lange bevor Poppy mit dem Musizieren begann. In ihrem ersten YouTube-Clip aus dem Jahr 2014 isst sie Zuckerwatte, sonst passiert nichts. Trotzdem bekommt sie 2,3 Millionen Clicks. Ein anderes Mal zählt sie fünf Minuten lang Namen berühmter Persönlichkeiten auf. Das war's.
"Elvis Presley. Abraham Lincoln. Martin Luther King. George Washington. Walt Disney. Michael Jackson."
Gaga, würde man sagen. Doch Exzentrik ist gut für's Geschäft - wenn man ein Star werden will: Gerade YouTube ist ja das Selbstvermarktungsinstrument für Musiker schlechthin. Justin Bieber ist hier groß geworden, Lana del Rey und Cro. Der nächste Kandidat könnte Poppy sein.
Mit Basilikumpflanze und Schaufensterpuppe
Mit ihren Songs hält sie ihren Fans sanft den Spiegel vor, ohne anzuprangern. Poppy kommentiert das Zeitgeschehen auf ungewohnte Weise - findet Video-Bloggerin ReignBot, ebenfalls auf Youtube:
"Es ist offensichtlich, dass sich Poppy über die weniger guten Seiten der Gesellschaft lustig macht - wie unsere Fixierung auf Stars, Materialismus und die Besessenheit mit Main-Stream-Popkultur. Sie macht sich auch über Netzkultur lustig, wie Überschriften, die Clicks ködern sollen und Internet-Meme."
Poppy ist erfolgreich, gerade weil sie ein Mysterium ist. Lange kursierten Spekulationen: Mensch - Maschine? Wer oder was ist Poppy? Mittlerweile wissen wir: Poppy wird von der 22-jährigen Moriah Pereira gespielt. Das Projekt ausgetüftelt hat Corey Michael Mixter, der unter dem Namen Titanic Sinclair als Singer-Songwriter in Los Angeles firmiert. Poppys musikalischen Erfolg erklärt er im britischen Guardian so:
"Wenn wir das Radio anmachen, können wir die Sänger gar nicht mehr unterscheiden. Es hört sich alles so homogen und wenig enthusiastisch an. Die Leute wollen was anderes."
Und das bekommen sie auch: Zwar unterscheiden sich Poppys Songs musikalisch kaum vom gegenwärtigen Einheitsbrei, den sie vorgibt zu kritisieren. Allein schon der Versuch einer bizarren Gesellschaftskritik aber, ihre kühle, roboterhafte Art, macht sie für viele Zuhörer attraktiv. Sie arbeitet bereits am neuen Album; im Januar kommt ihr erster Film raus - schreibt sie auf Twitter:
"Hocherfreut möchte ich mitteilen, dass meine neue Show 'I am Poppy' auf dem Sundance Film Festival seine Premiere feiern wird."
Poppy betritt darin die echte Welt und merkt schnell, dass Ruhm und Glück ihren Preis haben - schreibt das angesehene Filmfestival auf seinen Seiten. Mit dabei sind natürlich Poppys beste Freunde - eine Basilikumpflanze und die Schaufensterpuppe Charlotte. Wem das zu hoch ist: Die Show wurde bereits an YouTube verkauft und wird dort nur gegen Gebühr abrufbar sein.