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Konzert
Stomp goes symphonic

Dass Eimer, Besen und Kehrbleche ganz brauchbare Musikinstrumente sind, hat sich inzwischen weltweit herumgesprochen. In 50 Ländern war die Stomp-Truppe um Steve McNicholas und Luke Cresswell bereits zu Gast. Jetzt wollen die Musiker mehr Klang in ihre Rythmen bringen – mit neuen ungewöhnlichen Instrumenten.

Von Peter Backof |
    Das nennt man orchestral: Vorne an der Bühne lässt jemand Wohnungsschlüssel fallen, aus 30 Zentimetern Höhe, auf eine Membran mit einem Tonabnehmer, sodass wir das filigrane Geklimper auch hören. Während hinten zwei Mann einen riesigen Blasebalg bedienen und Luft in eine grobe Rohrleitungsorgel pumpen. Dazwischen plänkeln eine Wok-Laute und eine Bettgestellharfe. Eines der Tutti in der Show.
    Unmögliche Instrumente und Apparaturen, die aussehen wie Pippi Langstrumpfs Spunkfallen, irgendwie mit Konrads Spezialkleber zusammengepappt. Soll auch alles unerhört skurril aussehen - ein verhonepipeltes Orchester - sagt Luke Cresswell, aber: Sämtliche Frequenzen des menschlichen Hörbereichs sind abgedeckt, von der Wohnungsschlüsseltriangel über singende Sägen als Ersatz für Schmachtgeigen bis zur Subbass-Schornsteinorgel. Das ist die grundsätzliche Idee jedes Orchesters.
    Ein Orchester, das in sich bewegt ist, als Choreografie. Und das muss auch so sein, ergänzt Luke Cresswell. Eine Trompete habe ja Ventile, damit ein einziger Musiker sehr viele verschiedene Töne erzeugen könne.
    Trompetensurrogate sind zum Beispiel "Hosaphone". "Hose", englisch: der Wasserschlauch. als Verb, metaphorisch: jemanden nass machen, verhonepipeln. Auf verschiedene Längen gestutzte Wasserschläuche mit Baustellenhüten als Schalltrichter. Das Manko: Jedes Hosaphon kann nur eine einzige Tonhöhe erzeugen. Der Mehrwert: die Performer können sich nach dem Prinzip Abzählreim die Töne gegenseitig zuspielen. So entsteht eine zirkusartistisch spektakuläre Choreografie.
    Alles taugt zum Musikinstrument
    In einer der zehn Nummern wirbeln die Performer um Obsttonnen herum. Die Klöppel befinden sich an drei Meter langen Seilen. Eine Melodielinie so unter zwölf Leuten aufzuteilen, die dann auch noch Drumcomputer-präzise die Tonnen treffen, das ist eine Leistung. Das ist: Drill?
    Wer aus der Reihe tanzt, kriegt einen auf die Finger, scherzt Cresswell, der sich bei der Umsetzung auf der Bühne aber auf einige Musiker verlassen kann, die schon seit Jahrzehnten im Stomp Ensemble spielen. Sie sind die Leitwölfe, die die rhythmische Präzision in Gang halten. Bereits 2006 entstand die Idee des "Lost and Found Orchestra" als Weiterentwicklung von "Stomp". Am Anfang war das schon sehr gewagt und es lief auch einmal etwas schief, zunächst auf britischen Bühnen: mit dem Anspruch, eben nicht nur Show und Slapstik, sondern tatsächlich Musik zu bieten. Jetzt, bei der Deutschlandpremiere wirkt das alles perfekt einstudiert, die Abläufe traumhaft sicher.
    Musikalisch eine ganze Reihe von Anklängen: der spröde Sound von Kurt Weill aus der Dreigroschenoper, der Postmodernismus von Michael Nyman und Philipp Glass, die düsteren Percussion-Nummern von Tom Waits.
    Alles und jedes taugt zum Musikinstrument. Und auch der Dirigent des surrealen Orchesters legt uns zwischendurch mit seinem Taktstock in Publikumsspielen nahe: nein, bitte, jetzt mal nicht klatschen: weg mit diesen Konzertsaal-Konventionen! Das D.I.Y.-Prinzip. Recycling, Upcycling, Partizipation – das ist hier alles sehr präsent. Zumindest will man eine Weltsicht oder Botschaft, die Idee einer proletarischen Musik von und für alle da hineininterpretiereren: Wenn Clochards und Hausmeistergestalten mit Rohrzangen und Pfandflaschen wunderliche Musik machen, könnten wir das nicht auch? Wahrscheinlich, nach drei Jahren heftigen Übens. Nur wäre das am Ende wohl eine schlechte Kopie dieser höchst originellen, stellenweise hintergründigen Show.