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Konzerte von Reicha und Romberg
Cello for two

Konzerte für zwei Violoncelli und Orchester haben Seltenheitswert. Auf einer neuen CD finden sich gleich zwei dieser Raritäten von den Beethoven-Zeitgenossen Antonín Reicha und Bernhard Romberg. Die Aufnahme mit den Berliner Philharmoniker-Cellisten Bruno Delepelaire und Stephan Koncz setzt Maßstäbe.

Am Mikrofon: Elisabeth Richter |
    Das zeitgenössische Porträt zeigt den deutschen Violoncellisten und Komponisten Bernhard Romberg (1767-1841).
    Bernhard Romberg spielte mit Beethoven in der Bonner Hofkapelle (picture alliance / dpa / Bifab)
    Musik: Antonín Reicha, Sinfonia Concertante für 2 Celli und Orchester, 1. Satz
    Antonín Reicha scheint bei seiner Sinfonia Concertante für zwei Celli aus dem Jahr 1805 die später erfundenen Regeln für den klassischen Sonatensatz zu befolgen. Einem düsteren, dramatischen, eher akkordischen und, wenn man will, männlichen ersten Thema stellt er ein weicheres, melodischeres, weibliches zweites Thema gegenüber.
    Musik: Antonín Reicha, Sinfonia Concertante für 2 Celli und Orchester, 1. Satz
    Beide Themen tauchen im Verlauf des mit fast 22 Minuten recht ausufernden ersten Satzes immer wieder auf. Dabei ist das melodisch profiliertere zweite Thema leichter wieder zu erkennen. Setzen schließlich nach dreieinhalb Minuten die beiden Celli mit ihrem ersten Solo an, spielen sie einerseits bereits bekanntes thematisches Material, werfen sich aber andererseits gleich in einen ausgelassenen, musikalischen Wettstreit, sie konzertieren.
    Musik: Antonín Reicha, Sinfonia Concertante für 2 Celli und Orchester, 1. Satz
    Lustvoll musikantisch
    Die Cellisten Bruno Delepelaire und Stephan Koncz sind beide seit Jahren Mitglieder der Berliner Philharmoniker. Man spürt, dass sie sich gut vom gemeinsamen Musizieren her kennen. Ihr Spiel ist wunderbar lustvoll musikantisch, virtuos, wo nötig, ohne technische Grenzen, und hochsensibel, tonlich fein balanciert. Die Details sind herausgearbeitet und in Beziehung gesetzt. Da werden Strukturen deutlich gemacht, ohne ins Akademische zu driften, auch im langsamen zweiten Satz "Largo" von Reichas Sinfonia Concertante.
    Musik: Antonín Reicha, Sinfonia Concertante für 2 Celli und Orchester, 2. Satz
    Ein wenig erinnert dieser Satz an Haydn. Reichas Sinfonia Concertante entsteht Anfang des 19. Jahrhunderts in Wien für den gefeierten Cellisten Anton Kraft und dessen Sohn. Auch Haydn schrieb sein zweites Cellokonzert für Kraft. Antonín Reicha stammt aus Prag, sein Onkel Joseph Reicha, Cellist und Komponist, sorgt für seine Ausbildung und nimmt ihn auch mit nach Bonn, als er dort 1785 Orchesterdirektor wird. Antonín Reicha spielt als Geiger und Flötist in der Hofkapelle, wo der gleichaltrige Beethoven Bratschist ist. Über Hamburg kommt Reicha 1802 nach Wien und soll dort in eine Konkurrenzsituation zu Beethoven geraten sein. Ihm gelingt, wie Dirigent Reinhard Goebel schreibt, der Sprung in den kaiserlichen Musiksalon, Beethoven nicht. Ab 1808 lebt Reicha bis zu seinem Tod 1836 in Paris. Am Conservatoire wird er ein bedeutender Lehrer u. a. von Berlioz, Gounod und Liszt. Er unterrichtet auch Frauen, wie etwa Louise Farrenc.
    Musik: Antonín Reicha, Sinfonia Concertante für 2 Celli und Orchester, 3. Satz
    Antonín Reichas Sinfonia Concertante für zwei Celli hat mit fast 40 Minuten ausladende Dimensionen. Besonders der lange Kopfsatz wirkt formal nicht ganz griffig und stringent. Manche Passagen sind jedoch thematisch und harmonisch sehr originell und weisen bereits in die Romantik. Dagegen ist das Concertino für zwei Celli und Orchester von Bernhard Romberg viel konventioneller, wenn auch im Ganzen formal klarer profiliert. Romberg ist selbst Cellist, auch er spielt mit Beethoven in der Bonner Hofkapelle und in einem Streichquartett. Er ist einer der ersten herumreisenden Cello-Virtuosen. Angeblich hatte Beethoven vor, für ihn ein Cellokonzert zu komponieren. Romberg soll ablehnt haben, da er seine eigenen Cello-Werke habe spielen wollen.
    Musik: Bernhard Romberg, Concertino für 2 Celli und Orchester, 2. Satz
    "Paganini des Cellos"
    Bruno Delepelaire und Stephan Koncz begleitet von der Deutschen Radio Philharmonie Saarbrücken Kaiserslautern unter Reinhard Goebel mit dem Andante grazioso, dem zweiten Satz aus dem Concertino für zwei Celli von Bernhard Romberg. Der komponierende Cellist, der auch Dirigent ist und in Hamburg eine Klavierfabrik gründet, wird schon zu Lebzeiten als "Paganini des Cellos" gehandelt. Er kennt die Möglichkeiten seines Instruments aus dem Effeff und schöpft sie wirkungsvoll aus. Romberg hat seine Kompositionen oft den äußeren Gegebenheiten angepasst. Er benötigt wirkungsvolle Musik um sich als Solist in Stellung zu bringen. Die Orchesterpassagen seines Concertino umfassen nur rund 100 Takte. Wichtig ist Romberg, dass der Orchesterpart auf seinen Reisestationen leicht von den örtlichen Musikern übernommen werden kann.
    Musik: Bernhard Romberg, Concertino für 2 Celli und Orchester, 3. Satz
    Romberg schrieb sein Concertino für zwei Celli 1840, nur ein Jahr vor seinem Tod. Der Dirigent der vorliegenden Aufnahme Reinhard Goebel schätzt das an Vorbildern wie Haydn oder Mozart orientierte Werk zu Recht anachronistisch ein. Im selben Jahr schrieb etwa Robert Schumann seine erste Sinfonie in einem ganz und gar romantischen Ton und Stil. Der biedermeierliche, manchmal ein wenig süßlich schwelgende Ton der in Terzen parallel geführten Celli hat tatsächlich eine rührende Schlichtheit. Doch solides Handwerk und musikantischer Esprit sind Romberg nicht abzusprechen. Er schreibt Unterhaltungsmusik im besten Sinne. Nicht nur die beiden exzellenten Cellisten Bruno Delepelaire und Stephan Koncz zeigen hier Kunst und Können. Reinhard Goebel und die Deutsche Radio Philharmonie Saarbrücken Kaiserslautern begleiten sehr feinfühlig. Dies ist anspruchsvoller als man vermuten könnte, denn die Musik ist sehr durchsichtig und empfindlich. Das Orchester empfiehlt sich mit blitzsauberen Bläsern, niemals zu gewichtig werdendem Streichertutti und einem ausgewogenen Gesamtklang, sowie ansteckender Spiellust. Das kommt besonders dem abschließenden musikalischen "Schmankerl" zu Gute, dem "Divertisment für Fasching Dienstag" von Joseph von Eybler, einem Freund Mozarts, der Lehrer und Hofkapellmeister in Wien war.
    Musik: Josef von Eybler, Divertisment für Fasching Dienstag, 2.Satz
    Beethovens musikalisches Umfeld
    Gerade in diesem "Contredanza" (Kontratanz) zeigt sich noch einmal, wie geschmackvoll, wie anmutig, aber auch zuweilen durchaus rustikal die Deutsche Radio Philharmonie Saarbrücken Kaiserslautern unter Reinhard Goebel musiziert. Man lernt hier auf unterhaltsame Weise das musikalische Umfeld, das Beethoven und seine Zeitgenossen geprägt hat, kennen. Heute wissen wir, mit mehr als 200 Jahren Erfahrung und Rezeptionsgeschichte, wie stark die Qualität von Beethovens Musik ist, wie zwingend sie geschrieben wurde. Damals jedoch galt Beethoven keineswegs als das "non plus ultra", es gab viele andere Möglichkeiten und Facetten von Musik im Wien des beginnenden 19. Jahrhunderts.
    Musik: Josef von Eybler, Divertisment für Fasching Dienstag, 2.Satz
    Reicha - Romberg
    Concertos for two Cellos
    Bruno Delepelaire & Stephan Koncz, Cello
    Deutsche Radio Philharmonie Saarbrücken Kaiserslautern
    Leitung: Reinhard Goebel
    Label: Sony Classical