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KOOKbooks erhält Kurt-Wolff-Förderpreis

Der Name des kleinen Verlages, KOOKbooks, steht für Lyrik, Prosa und Essays, aber auch für Hör- , Kunst- und Kinderbücher. Vergeblich jedoch hält man Ausschau nach einem Kochbuch mit Rezepten für englischen Plumpudding oder italienisches Dressing. Auch wenn die Lautassoziation anderes vorgaukelt, kook – mit k statt mit c geschrieben - heißt im Englischen Spinner. Unter diesem nicht ganz unironischen Namen gründeten vor sieben Jahren Künstler aus den Bereichen Musik, Literatur, bildende Kunst, Design, Film und Performance ein eigenes Label. Sie bauten ein produktives Netzwerk auf, das bislang u.a. eigene Theateraufführungen, Lesungen und vieles andere mehr auf über einhundert verschiedenen Bühnen organisierte. Selbst eine eigene Rechtsberatung existiert.

    So lag es fast nahe, dass eines der KOOK-Mitglieder, Daniela Seel, literaturinfiziert seit früher Kindheit, auf die Idee kam, für die Autoren des Netzwerkes auch noch einen eigenen Verlag zu gründen. Zumal sie selbst Autorin ist und eigene Gedichte veröffentlicht hat. Sie weiß um die Schwerfälligkeit und Risikoscheu großer Verlage, junge unbekannte Autoren und zudem noch Lyriker in das Verlagsprogramm aufzunehmen, geschweige denn sie geduldig zu begleiten und kenntnisreich zu fördern. Und was lag noch näher als diesem Verlag, der vorwiegend die eigene Generation der um die Dreißigjährigen ins Programm aufnehmen sollte, den Namen KOOKbooks zu verpassen.

    In nur drei Jahren hat es der Verlag zu erheblichem Erfolg gebracht.

    Umso erstaunlicher, da sein Schwerpunkt auf Lyrik liegt - einer auf dem kommerziellen Buchmarkt nicht so einfach durchzusetzenden Gattung. Die Serie der literarischen Preise für KOOKbooks-Autoren reißt nicht ab, darunter ist der Lyrikdebütpreis für Daniel Falb, der Leonce-und-Lena-Preis für Ron Winkler, der Walter-Serner-Preis für Silke Andrea Schuemmer und der Kranichsteiner Förderpreis für Steffen Popp. Der Lyrikband "kochanie, ich habe brot gekauft" der 26-jährigen Uljana Wolf war in der ersten Auflage bereits ausverkauft, noch bevor sie mit dem renommierten Peter-Huchel-Preis für diesen Band ausgezeichnet wurde.
    "Unsere Bücher sind vielleicht eine größere Zumutung für den Leser. Aber sie dürfen ruhig auch mal etwas schwieriger sein. Mainstream ist bei uns nicht drin. Wir würden schließlich darin untergehen", sagte Daniela Seel in einem Interview.

    Das offene Geheimnis ihres Erfolges ist, das ihr Verlag aus einem Kreis von Autoren heraus entstand, die sich nicht nur seit langem kennen, sondern miteinander und aneinender arbeiten, ihre Texte gegenseitig kritisieren und die sich untereinander respektieren.

    " Ja, das ist ja einer der Ausgangspunkte überhaupt gewesen, einmal das Lauter Niemand Literaturlabor, wo man ja hinging, um seine neuesten Texte dem Publikum vorzustellen, damit das Publikum sie kritisiert, und ein Feedback gibt, dort habe ich zum Beispiel Hendrik kennengelernt und Daniel und Monika, ... Steffen ist dort auch mal gewesen, also das hat schon miteinander zu tun.
    Das andere ist der so genannte Konverter, die Freuden des Konverters, das ist so ein internes Lyrikkränzchen gewesen, das es über viele Jahre gegeben hat, und da wurde eben auch über die neuesten Gedichte gesprochen, da hat man sich untereinander kennengelernt, hat die Schreibhaltungen kennengelernt, die Ansätze, die Vorstellungen und das hat auch eine unglaubliche Bestärkung bewirkt. Einerseits untereinander, dass zu einem Zeitpunkt, wo Poesie und Dichtung eigentlich vollkommen weg war und überhaupt nichts gegolten hat, sich Leute zusammengefunden haben, die ein Interesse plötzlich an Dichtung hatten, und auch ein professionelles Interesse, und ein Interesse, da was Neues zu machen und eine neue Form zu finden, und es hat dann über diese gegenseitige positive Bestärkung hinaus auch zu einer Professionalisierung und zu einer einfach verbesserten Textarbeit geführt, weil man an bestimmten Punkten auch einfach schneller über bestimmte Anfängerfehler hinweggekommern ist, dadurch dass man sich gegenseitig drauf aufmerksam machen konnte.
    0:20:15 Es ist zwar häufig auch frustrierend gewesen, da hinzugehen, weil es eben diese Offenheit hatte, und weil man von vielen auch schon von vornherein wußte, die Kritik, die von der Seite kommt, zielt eh an dem was ich will vorbei, die bringt mir eigentlich nichts. Aber es waren wirklich nützliche Hinwiese, und das hat überhaupt nicht dazu geführt, dass eine Vereinheitlichung stattgefunden hat, sondern im Gegenteil, es hat auf unerfindliche Weise letztendlich doch dazu geführt, dass das Spektrum breiter geworden ist und die Stimmen klarer geworden sind und auch klar voneinander unterschieden, weil man auch genau dann dort überhaupt gemerkt hat oder besser merken konnte, was man nicht will und wohin für einen selbst der Weg geht. "

    So entstanden Bücher von einem erstaunlich hohen Reflexionsniveau. Erst in zweiter Linie geht es Daniela Seel um ökonomischen Marktwert und finanzielles Kalkül. Zunächst muss etwas entstehen, das tatsächliche Qualität besitzt. Das ist ein bewußt anachronistisches Verhalten in einer Zeit, in der manche Verlage Autorennachwuchs züchten, indem sie ihn mit unverhältnismäßig hohen Vorschüssen auf noch ungeschriebene Werke kunstdüngen. Oder Verlage - aus rein ökonomischer Gewinnsucht - welkes Durchschnittsgemüse als exotische Frucht verkaufen, weil ihnen literarische Verantwortung gegenüber Autoren und Lesern fremd geworden ist.

    "Von daher ist es für mich schon einmal ganz klar, dass ich das höchst interessante und einfach faszinierende Ansätze finde, von denen ich überzeugt bin, dass ihnen was bestimmtes gelingt, eben in Literatur zu überführen und eine neue Richtung aufzuzeigen, und die wirklich was zu sagen haben, auch in ihren poetischen Projekten. Da ist ein Grundvertrauen einfach da in diese Autoren, die ich über Jahre hinweg kenne, auch mit ihren Stärken und Schwächen, und mit ihren Befassungen. Und dem Raum zu geben, durch den Verlag die Möglichkeit dann einfach zu eröffnen, dass das zugänglich wird, dass das auch Leser dann treffen kann, und das auch dieser Zusammenhang wiederum, oder einer der Zusammenhänge deutlich werden kann, indem es eben einen Austausch auch innerhalb des Verlages gibt."

    Daniela Seel ist eine Verlegerin, die grundsätzlich hinter ihren Autoren steht, deren Fähigkeiten und Stärken kennt und sie mit ihren Möglichkeiten fördert. Ihre eigenen literarischen Ambitionen stellt sie altruistisch hinter ihre Vermittlertätigkeit als Verlegerin. Sie kümmert sich solo um Programm, Lektorat, Herstellung und Öffentlichkeitsarbeit. Das geht nur mit einem fraglosen Pensum an Selbstausbeutung. Doch Sachkenntnis ist ebenso vonnöten. Nach einem Studium der Literaturwissenschaft in Bayreuth, Göttingen und Berlin, wo erste Kontakte zu Gleichgesinnten entstanden, kehrte Daniela Seel zurück nach Idstein in den Taunus, lernte Verlagskauffrau und sammelte Berufserfahrung als Lektorin und Projektmanagerin in einer Medienagentur. Das Startkapital für die Verlagsgründung nahm sie aus einer Erbschaft, den laufenden Unterhalt
    sichert sie sich bis heute als freie Lektorin und Gutachterin.

    Die Leserzielgruppe ihres Verlages sei, wie sie sagt, jeder. "Weil jeder in der Lage ist, sich mit Literatur auseinander zu setzen, wenn er sich nur darauf einläßt".

    " Ich glaube, dass es ein ganz wichtiges, auch heute unabdingbares Kriterium ist, dass der Dichter Solitär ist. Und da ist natürlich Gerhard Falkner ein Solitär, ... Henrik Jackson und Monika Rinck und Steffen Popp und Daniel Falb sind auch Solitäre, und wenn sie das nicht wären, dann hätte auch wahrscheinlich ihr Versuch oder ihr Vorschlag als Antwort nicht diese Sprengkraft, die sie entwickeln. Trotzdem glaube ich schon, dass es in der jüngeren Generation ein kooperatives Verhalten zueinander gibt, und das ist auch was wir als Rückmeldung bekommen von Dichtern aus älteren Generationen, dass wir uns eben nicht, oder diese Autoren sich einander nicht als Konkurrenz betrachten, sondern als Stimmen, die zwar sich verfolgen und ihre Richtung verfolgen, aber die gemeinsam an was Ähnlichem arbeiten, was sich ergänzt und nicht ausschließt oder in negativer Konkurrenz zueinander steht. Das hat möglicherweise auch was mit der veränderten Emanzipation zu tun. Obwohl es immer noch sehr wenige Frauen gibt, das der Frauen-Anteil höher ist, und da nicht mehr dieses Kampfhahngeschachere ist, wie es ja gerade in den siebziger Jahren unter den Dichtern noch gang und gäbe war."

    Was Daniela Seel für die Autoren beschreibt, gilt ebenso für sie als Verlegerin. Inzwischen gibt es einen ganzen Pool solch kleiner, auffallend guter Verlage, die eng zusammenarbeiten und sich gegenseitig unterstützen. Viele von ihnen sitzen in inzwischen in Berlin wie Matthes & Seitz oder der Tropen-Verlag. Örtliche Nähe war auch einer der Gründe für Daniela Seel, ihr bisheriges Hauptdomizil in Idstein bei Frankfurt/Main nach Berlin zu verlegen. Zumal in Berlin zahlreiche Lesebühnen existieren, viele ihrer Autoren leben und damit eine direkte und kontinuierliche Kommunikation noch besser möglich ist. Ein Synergieeffekt unter diesen Verlagen macht sich vor allem in der Öffentlichkeitsarbeit und der medialen Aufmerksamkeit bemerkbar.

    Ein weiteres Geheimnis des Verlagserfolges ist, dass exquisite Buchgestaltung nicht eine Frage von Hochglanz sein muss. Auch mit guten und innovativen Ideen, die in ihrer sorgfältigen Umsetzung zwar ein wenig teurer, aber immer noch verkaufbar genug zu produzieren sind, fällt man als Verlag im Buchladen auf. Der Grafiker Andreas Töpfer, der für die Gestaltung sämtlicher Bücher verantwortlich zeichnet, illustriert sie nicht einfach, sondern setzt sich vorab mit den Texten auseinander. Umschläge, pergamentene Vorsatzblätter und Grafiken reflektieren deshalb sehr genau die Texte, man kann sie praktisch mitlesen. Die Stiftung Buchkunst honorierte seine Arbeit, indem sie mehrere Bücher für den Preis des schönsten deutschen Buches nominierte.

    Soeben ist der Gedichtband "Dunkelströme" des Berliners Henrik Jackson bei KOOKbooks erschienen. Auch er ist ein vielversprechender, bereits ausgezeichneter junger Autor mit einer eigenwilligen und eigenständigen Stimme. "Meine Autoren werden in den nächsten Jahrzehnten einflußreiche Dichter werden", soll die Verlegerin einmal behauptet haben.
    Mit dieser Prognose dürfte sie sogar recht behalten.

    • kookbooks
    daniela seel • verlegerin
    magdeburgstraße 11 • 65510 idstein
    sonnenburger straße 65 • 10437 berlin
    tel./fax +49.6126.9565790
    email daniela.seel@kookbooks.de / www.kookbooks.de