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Kopenhagen nach den Anschlägen
Angst bei Juden und Muslimen

Jüdische Schulen haben den Betrieb wieder aufgenommen, ein jüdischer Radiosender dagegen noch nicht: In Kopenhagen kehrt drei Tage nach Anschlägen nur langsam wieder Ruhe ein, zu groß ist die Furcht vor neuer Gewalt gegen Juden. Aber auch die Muslime haben Angst.

Von Christoph Heinzle |
    Kinder stehen vor zwei schwer bewaffneten Polizisten.
    Nur mit Polizeischutz: Die Verunsicherung bei Juden in Kopenhagen ist groß. (CLAUS BJOERN LARSEN / AFP)
    Ein Mix aus jüdischer Musik und Kultur: So kennt man Radio Shalom, den kleinen Sender der jüdischen Gemeinde in Kopenhagen. Doch seit Montag hat Radio Shalom ein Problem:
    "Wir können moderieren, aber wir können nicht senden", sagt Moderator Abraham Kopenhagen - erstmals seit seiner Gründung schweigt Radio Shalom damit. Der dänische Geheimdienst PET meint, weitersenden sei nach den Attentaten vom Wochenende zu gefährlich ohne Polizeischutz. Doch den hat Radio Shalom abgelehnt.
    "Wir wollen einfach keine Polizei vor unserer Tür. Da stellen wir lieber den Sendebetrieb ein bis es wieder ruhiger ist."
    Es ist eben längst nicht alles wie vor den Attentaten. Die Unsicherheit gerade unter Dänemarks Juden ist groß. Sie fürchten weitere Gewaltakte, fordern mehr Schutz für jüdische Einrichtungen - so wie bereits in den vergangenen Wochen. Dabei betont die Kopenhagener Gemeinde aber immer wieder, an der gedeihlichen Kooperation mit den anderen Religionsgemeinschaften, vor allem mit den Muslimen dürfe sich nichts ändern. Das sagt auch deren Verbandssprecher Qaisar Najib:
    "Wir müssen weiter zusammenhalten, so wie wir das derzeit erleben. Wir müssen stärker mit Polizei und Regierung zusammenarbeiten und herausfinden, warum Menschen radikalisiert werden. Die Brücke, die wir über Jahre zwischen den Religionen gebaut haben, hat der Attentäter wieder eingerissen. Aber wir werden sie wieder aufbauen."
    "Wir sind Menschen. Wir haben Angst."
    Die Muslime befürchten tiefere Gräben in einer Gesellschaft, die zwar grundsätzlich offen und tolerant ist, aber schon lange auch sichtbare Probleme mit Migranten hat, vor allem mit Muslimen. Und nun wurde ein palästinensisch-stämmiger Däne, ein Ex-Häftling mit dickem Vorstrafenregister, zum Todesschützen. Kim Österbye vom dänischen Gefängnisverband überrascht das nicht:
    "Diese jungen Männer kommen aus sozialen Brennpunkten, sind von der Schule geflogen, gehören Banden an. Dann kommen sie ins Gefängnis und werden wütend. Wütend auf das Leben, die Gesellschaft, die Polizei - einfach auf uns alle."
    Der Attentäter Omar Abdel Hamid El-Hussein habe sich im Gefängnis völlig verändert, erzählen Bekannte. Seine Ansichten wurden immer radikaler, sein Judenhass stärker. Dass der Inlandsgeheimdienst PET davon seit fünf Monaten wusste, aber auch nach Freilassung des 22-Jährigen nichts unternommen hat, soll nach dem Willen der Opposition jetzt untersucht werden.
    Vor der Radikalisierung solcher junger Männer haben auch Muslime wie Khadija Yusuf Abdi Angst, die in El-Husseins Nachbarschaft in Kopenhagen wohnt:
    "Wir sind Menschen. Wir haben Angst vor Kriminellen und Terroristen. Und davor, dass sie einer Gehirnwäsche unterzogen und für böse Zwecke missbraucht werden. Ich hoffe, das lässt sich stoppen und wir können weiter zusammenarbeiten. Wir sind Dänen, wir leben hier."
    Nervosität und Furcht vor weiteren Taten
    Die Gewaltserie vom Wochenende wird Dänemark verändern, glaubt der international renommierte schwedische Terrorexperte Magnus Ranstorp:
    "Die Attentate werden Konsequenzen haben, ob es nun ein Einzeltäter war oder nicht. Es wird immer Nachahmer geben, auch in anderen Ländern. Ich denke, wir werden für eine lange Zeit eine deutliche Verstärkung der Sicherheitsmaßnahmen erleben."
    Nervosität und Furcht vor weiteren Taten erlebt Kopenhagen jetzt schon. Die jüdische Karolinenschule nahm zwar drei Tage nach den Anschlägen wieder den Unterricht auf, aber nur unter dem Schutz schwer bewaffneter Polizisten. Ronen Leon, Vater zweier Schüler hier, hält das für richtig:
    "Wir haben entschieden, unsere Kinder wieder in die Schule zu schicken. Aber nur, weil die Polizei uns versprochen hat, hier präsent zu sein und dafür zu sorgen, dass die Sicherheit unserer Kinder so hoch ist wie nur möglich."