Die Studie über das Langzeitrisiko für die Gehirne von Fußballern wurde im November in den USA veröffentlicht. Beteiligt: Eine Gruppe von Medizinern. Federführend: Die Münchner Medizinerin Dr. Inga Koerte. Sie ist Radiologin und arbeitet mit Geräten in der Hirntomografie, die erstmals bis in feinste Gewebebeschaffenheiten hineinschauen können. Das eröffnet ganz neue Möglichkeiten. Auch für den Sport. Denn bislang ließen sich sichere Erkenntnisse über die Langzeitschäden nur anhand der Gehirne von Toten ermitteln. Koerte forscht zurzeit in Harvard und nimmt an einer Langzeitstudie über die Gehirnschäden von Football-Profis teil.
Die Studie erschien Ende letzten Jahres in einer angesehenen medizinischen Fachpublikation, dem Journal of the American Medical Association. Ihr Titel rückte auf eine sehr akademische Weise jenen Teil des menschlichen Gehirns in den Mittelpunkt, den die Wissenschaftler als "Weiße Substanz” bezeichnen. "White Matter Integrity in the Brains of Professional Soccer Players without a Symptomatic Concussion”.
Genau genommen geht es um die Leitungsbahnen des zentralen Nervensystems. Und zwar die von Berufsfußballern. Doch die Erkenntnisse dieser Untersuchung reichen weiter. Selbst Spieler, die noch nie eine Gehirnerschütterung hatten, leiden irgendwann unter den gleichen Folgen. Betroffen sind die Schaltstellen für Aufmerksamkeit und das Erinnerungsvermögen. Mutmaßliche Ursache: die Belastungen, die durch Kopfbälle entstehen. Die Reaktionen auf ihre Forschungsresultate, so sagt die Radiologin Koerte, die Erstautorin, fielen allerdings gemischt aus:
""Unsere Studie stieß sofort auf großes Medieninteresse in den USA. Wir bekamen sofort Anfragen von großen Tageszeitungen und Zeitschriften, von Online-Portalen, vom Fernsehen. Und obwohl die Presseerklärung auch in Deutschland von der LMU versandt wurde, kam keine einzige Anfrage aus Deutschland.”"
Die LMU, das ist die Ludwig-Maximilians-Universität in München, Heimat-Hochschule von Koerte, die dort mit Hilfe einer besonderen Magnetresonanztomographie die Gehirne von zwölf deutschen Profi-Fußballern untersucht und mit denen von acht Schwimmern verglichen hatte. Keiner in beiden Gruppen hatte je eine ärztlich diagnostizierte Gehirnerschütterung erlitten.
""Was wir versuchen, ist tatsächlich, das mal quantitativ auszudrücken diese Veränderungen. Nicht nur zu beschreiben "cognitive impairment” oder "Gedächtnislücken” oder "Impulsivität”. Wir versuchen wirklich, das in Zahlen auszudrücken und ein bisschen tiefer zu graben. Wie sieht’s denn das Gehirn aus? Warum funktioniert es denn nicht mehr richtig? Was geht denn eigentlich da drinnen vor? Wenn ich weiß, was da drinnen vorgeht, dann habe ich eine bessere Vorstellung davon, warum es solche Symptome verursacht. Aber ich habe auch mehr Angriffsfläche für Prävention oder möglicherweise Therapie.”"
In Amerika erreicht man mit solchen Aussagen ein stark sensibiliertes Publikum. Was unter anderem an einer intensiven Forschungsarbeit liegt und daran, dass Neurologen bei der Untersuchung der Gehirne von toten Sportlern die nachhaltigen Veränderungen nachweisen konnten. Alarmierend wirkte aber auch die Information über eine Epidemie von Gehirnerschütterungen im Mädchenfußball an amerikanischen Schulen, wo Millionen von ihnen spielen. Über die Gründe kann derzeit nur spekuliert werden. Doch Koertes Ansatz – die radiologische Untersuchung von Aktiven – könnte Abhilfe schaffen.
Und die Fußballhochburg Deutschland könnte hierbei eine wichtige Rolle spielen. Doch die Resonanz auf den wachsenden Erkenntnisstand aus der Wissenschaft wirkt überraschend verhalten. Gerade auch deshalb, weil, wie Professor Dr. Tim Meyer von der Universität Saarbrücken sagt, der Erkenntnisstand so dürftig ist. Meyer betreut die Fußball-Nationalmannschaft:
""Ich will das gar nicht kleinreden. Ich bin absolut der Ansicht, dass man Hirnschädigungen durch wiederholte Kopfbälle oder vielleicht auch Zusammenprall nachgehen muss. Das würde ich schon sagen. Ich würde mich derzeit stärker alarmiert fühlen im Bereich von Kindern und Jugendlichen. Aber es ist natürlich wirklich die Frage, sind es hier die Kopfbälle oder ist es einfach das, was ansonsten bei der Sportart vorkommt. Oder ist es, was die Autoren selber ansprechen, vielleicht etwas außerhalb des Fußballs – die Lebensführung – dass Fußballer aus einer anderen Klientel stammen als Schwimmer. Das würde zumindest meine Lebenserfahrung oder die Erfahrung aus Sportleruntersuchungen auch lehren.”"
Dabei hat Koerte bei ihren Untersuchungen – unter anderem anhand von Extrem-Zeitlupe-Aufnahmen – bereits etwas ganz Wesentliches entdeckt:
""Der Spieler, der den Kopfball richtig spielt, also richtig trainiert ist, dass der den Ball antizipiert und er die Nackenmuskulatur anspannt und dass sein Kopf so gut wie keine Schleuderbewegung erfährt. Genau diese Schleuderbewegung, diese Beschleunigung des Kopfes, das führt zu diesen vielen kleinen Scherverletzungen im Gehirngewebe. Also es macht einen großen Unterschied, wie man in den Kopfball reingeht.”"
Eine Schlussfolgerung aus diesen Beobachtungen: Dass offensichtlich vor allem junge Spieler, deren Muskulatur noch nicht sehr kräftig und deren Kopfballtechnik noch nicht perfekt ist, mit einem deutlichen Risiko behaftet sind. Und dass sie womöglich schon früh dank tausender Kopfbälle bereits in ihren Gehirnen Schäden davontragen, die irreparabel sind und ein Leben lang nachwirken.
Die Studie erschien Ende letzten Jahres in einer angesehenen medizinischen Fachpublikation, dem Journal of the American Medical Association. Ihr Titel rückte auf eine sehr akademische Weise jenen Teil des menschlichen Gehirns in den Mittelpunkt, den die Wissenschaftler als "Weiße Substanz” bezeichnen. "White Matter Integrity in the Brains of Professional Soccer Players without a Symptomatic Concussion”.
Genau genommen geht es um die Leitungsbahnen des zentralen Nervensystems. Und zwar die von Berufsfußballern. Doch die Erkenntnisse dieser Untersuchung reichen weiter. Selbst Spieler, die noch nie eine Gehirnerschütterung hatten, leiden irgendwann unter den gleichen Folgen. Betroffen sind die Schaltstellen für Aufmerksamkeit und das Erinnerungsvermögen. Mutmaßliche Ursache: die Belastungen, die durch Kopfbälle entstehen. Die Reaktionen auf ihre Forschungsresultate, so sagt die Radiologin Koerte, die Erstautorin, fielen allerdings gemischt aus:
""Unsere Studie stieß sofort auf großes Medieninteresse in den USA. Wir bekamen sofort Anfragen von großen Tageszeitungen und Zeitschriften, von Online-Portalen, vom Fernsehen. Und obwohl die Presseerklärung auch in Deutschland von der LMU versandt wurde, kam keine einzige Anfrage aus Deutschland.”"
Die LMU, das ist die Ludwig-Maximilians-Universität in München, Heimat-Hochschule von Koerte, die dort mit Hilfe einer besonderen Magnetresonanztomographie die Gehirne von zwölf deutschen Profi-Fußballern untersucht und mit denen von acht Schwimmern verglichen hatte. Keiner in beiden Gruppen hatte je eine ärztlich diagnostizierte Gehirnerschütterung erlitten.
""Was wir versuchen, ist tatsächlich, das mal quantitativ auszudrücken diese Veränderungen. Nicht nur zu beschreiben "cognitive impairment” oder "Gedächtnislücken” oder "Impulsivität”. Wir versuchen wirklich, das in Zahlen auszudrücken und ein bisschen tiefer zu graben. Wie sieht’s denn das Gehirn aus? Warum funktioniert es denn nicht mehr richtig? Was geht denn eigentlich da drinnen vor? Wenn ich weiß, was da drinnen vorgeht, dann habe ich eine bessere Vorstellung davon, warum es solche Symptome verursacht. Aber ich habe auch mehr Angriffsfläche für Prävention oder möglicherweise Therapie.”"
In Amerika erreicht man mit solchen Aussagen ein stark sensibiliertes Publikum. Was unter anderem an einer intensiven Forschungsarbeit liegt und daran, dass Neurologen bei der Untersuchung der Gehirne von toten Sportlern die nachhaltigen Veränderungen nachweisen konnten. Alarmierend wirkte aber auch die Information über eine Epidemie von Gehirnerschütterungen im Mädchenfußball an amerikanischen Schulen, wo Millionen von ihnen spielen. Über die Gründe kann derzeit nur spekuliert werden. Doch Koertes Ansatz – die radiologische Untersuchung von Aktiven – könnte Abhilfe schaffen.
Und die Fußballhochburg Deutschland könnte hierbei eine wichtige Rolle spielen. Doch die Resonanz auf den wachsenden Erkenntnisstand aus der Wissenschaft wirkt überraschend verhalten. Gerade auch deshalb, weil, wie Professor Dr. Tim Meyer von der Universität Saarbrücken sagt, der Erkenntnisstand so dürftig ist. Meyer betreut die Fußball-Nationalmannschaft:
""Ich will das gar nicht kleinreden. Ich bin absolut der Ansicht, dass man Hirnschädigungen durch wiederholte Kopfbälle oder vielleicht auch Zusammenprall nachgehen muss. Das würde ich schon sagen. Ich würde mich derzeit stärker alarmiert fühlen im Bereich von Kindern und Jugendlichen. Aber es ist natürlich wirklich die Frage, sind es hier die Kopfbälle oder ist es einfach das, was ansonsten bei der Sportart vorkommt. Oder ist es, was die Autoren selber ansprechen, vielleicht etwas außerhalb des Fußballs – die Lebensführung – dass Fußballer aus einer anderen Klientel stammen als Schwimmer. Das würde zumindest meine Lebenserfahrung oder die Erfahrung aus Sportleruntersuchungen auch lehren.”"
Dabei hat Koerte bei ihren Untersuchungen – unter anderem anhand von Extrem-Zeitlupe-Aufnahmen – bereits etwas ganz Wesentliches entdeckt:
""Der Spieler, der den Kopfball richtig spielt, also richtig trainiert ist, dass der den Ball antizipiert und er die Nackenmuskulatur anspannt und dass sein Kopf so gut wie keine Schleuderbewegung erfährt. Genau diese Schleuderbewegung, diese Beschleunigung des Kopfes, das führt zu diesen vielen kleinen Scherverletzungen im Gehirngewebe. Also es macht einen großen Unterschied, wie man in den Kopfball reingeht.”"
Eine Schlussfolgerung aus diesen Beobachtungen: Dass offensichtlich vor allem junge Spieler, deren Muskulatur noch nicht sehr kräftig und deren Kopfballtechnik noch nicht perfekt ist, mit einem deutlichen Risiko behaftet sind. Und dass sie womöglich schon früh dank tausender Kopfbälle bereits in ihren Gehirnen Schäden davontragen, die irreparabel sind und ein Leben lang nachwirken.