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Kopflos in Thüringen

Seit zwei Jahren schon sucht die Universität Erfurt einen neuen Präsidenten. Nach drei vergeblichen Anläufen soll der Senat im Januar einmal mehr einen Kandidaten wählen, danach beginnen die Verhandlungen mit dem Ministerium. Ob es dieses Mal klappt, bleibt abzuwarten.

Von Hilde Weeg |
    Mit rund 100 Professoren und 4.300 Studenten zählt die geisteswissenschaftlich orientierte Reformuniversität Erfurt zu den kleinen Hochschulen. In Thüringen ist sie die zweitstärkste nach Jena. Seit 2005 wird ein neuer Präsident für die Uni gesucht. Die Kriterien für die Auswahl der Bewerber nennt der zur Findung ernannte Dr. Winfried Benz:

    "Eine Persönlichkeit, die in der Wissenschaft ausgewiesen ist, in der Community anerkannt ist, die Managementqualitäten hat und nachgewiesene Führungserfahrung."

    Ein Forscher, der gerne Verwaltungsaufgaben übernimmt? So jemand ist nicht leicht zu finden. Student Ivo Schnipkoweit, bis zum Sommer Senatsmitglied, beneidet den Neuen nicht:

    "Nein, ich würde den Job mit Verlaub nicht gerne machen wollen, ist wirklich keine einfache Sache hier in Erfurt."

    Dennoch war es dreimal fast soweit. Der erste - interne - Kandidat zog sich im Streit zurück; eine Kandidatin pokerte nur um bessere Konditionen für ihren Job in Bremen - und der dritte sagte krankheitsbedingt kurzfristig ab. Jetzt wird dem Senat mit dem Althistoriker Kai Brodersen ein neuer Kandidat präsentiert:

    "Wir sind nach dem jetzigen Stand der Dinge zuversichtlich, dass die Universität Erfurt im Januar ihren künftigen Präsident wählen kann."

    Mit Glück könnte der Prozess im Frühjahr abgeschlossen sein. Dass es überhaupt so lange dauern würde, damit hatte niemand gerechnet. Erschwerend kommt hinzu, dass die Politik verschlafen hatte, für funktionsfähige Gremien zu sorgen: das alte Kuratorium - zuständig für die Auswahl - wird erst im Januar durch einen neuen Hochschulrat ersetzt. Aber die Verträge mit den bisherigen Kuratoriumsmitgliedern liefen schon im Verlauf des Jahres nach und nach aus. Auch das Kanzleramt wird seit September nur vertreten. So wurde eher hemdsärmelig nur das Nötigste erledigt. Und Wolfgang Bergsdorf, Präsident seit dem Jahr 2000, scheidet nach Verlängerungen nun endgültig zum 31.12. aus. Bis zum Juli '08 wird ein Vertreter die Geschäfte des Präsidenten übernehmen. Bergsdorf ist jetzt 65 und scheint eher froh, zu gehen.

    "In den letzten Jahren sind die Anforderungen an die Uni-Präsidenten deutlich gestiegen, d.h. er muss dafür sorgen können, dass die rückläufigen Mittel, die der Staat gibt, kompensiert werden durch Drittmittel usw. - und er muss auch auf Augenhöhe mit den politisch Verantwortlichen verhandeln können."

    Das konnte der medienerfahrene Politikwissenschaftler und frühere Büroleiter von Helmut Kohl. Nach außen - vor allem in der Landesregierung, hat er für eine Stabilisierung der jungen Universität gesorgt. Seinem Nachfolger wünscht er:

    "Beharrlichkeit und Gelassenheit."

    Die aber brauchen auch alle anderen Beteiligten, bis die Verträge mit dem Neuen unterschrieben sind.