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Kopfschmerzen
Lichtblitze gegen Migräne

Können Lichtblitze aus einer LED-Brille gegen Migräne helfen? Die ersten Versuche mit diesem Ansatz vor ein paar Jahren waren vielversprechend. Doch dann stellte sich die Methode als zu riskant heraus.

Von Frank Grotelüschen |
    Eine Frau hält den Kopf in den Händen.
    Rund 15 Prozent aller Bundesbürger leiden unter Migräne. (imago / Science Photo Library)
    "Da sehen die Leute gewisse Muster im Gesichtsfeld, die nur sie sehen können - also eine Art Halluzination."
    Ein Zickzackmuster, das langsam durchs Gesichtsfeld wandert.
    "Es können aber auch Ausfälle des Gesichtsfeldes sein. Das Ganze dauert eine halbe Stunde bis zu einer Stunde. Und dann setzt irgendwann der Kopfschmerz ein."
    Aura - so bezeichnen Fachleute wie Markus Dahlem diese Halluzinationen. Bei jedem fünften Migräniker geht sie dem Hauptsymptom voraus, dem mitunter bohrenden Kopfschmerz. Die Ursache für den visuellen Spuk ist schon länger ausgemacht. Sie liegt in der Großhirnrinde mit all ihren Windungen, sagt Dahlem, er ist derzeit an der Harvard-Universität in den USA tätig:
    "In diesen Windungen läuft eine Welle, die da sehr langsam durchläuft, mit mehreren Millimetern pro Minute. Gewisse Areale der Hirnrinde sind spezialisiert aufs Sehen, Körperschemata wahrnehmen. Und da, wo sich die Welle befindet, stört sie diese sensorischen Verarbeitungen und erzeugt diese Halluzinationen."
    Licht als Wellenbrecher
    Diese Welle, von der der Physiker Dahlem spricht, ist eine wandernde Zone von übersteigerter neuronaler Aktivität: In dieser Zone ist die Balance zwischen den Hirnzellen gestört, sodass sie stärker als normal auf ihre Umgebung reagieren. Doch könnte man diese Erregungswelle von außen dämpfen oder sogar zum Erliegen bringen? Um das Jahr 2008 hatten Markus Dahlem und Experten des Forschungszentrums Jülich eine interessant klingende Idee:
    "Wir haben uns gedacht: Nachdem die Welle überwiegend in der Sehrinde läuft, dass man dann auch mit Licht interagieren kann. Dass man Licht einstrahlt und wenn die Leute Sehstörungen haben, mit Lichtreizen die Welle dazu bringen kann, kürzer zu laufen und letztendlich abzubrechen."
    Praktisch war das so geplant: Bei den ersten Anzeichen eines Aura-Anfalls sollten sich die Betroffenen ein Brillengestell aufsetzen, bei dem die Gläser durch Leuchtdioden ersetzt sind. Am Hinterkopf sollten Elektroden die Hirnströme messen. Diese Signale wiederum sollten dann die LEDs im Brillengestell ansteuern. Die Leuchtdioden würden helle Lichtblitze erzeugen und zeitverzögert dem Betroffenen die eigenen Hirnimpulse vorspielen.
    Letztendlich sollten die verzögerten Lichtreize die aus dem Takt geratene Balance zwischen den Hirnzellen wiederherstellen. Vielleicht ließe sich damit sogar das schlimmste Migränesymptom, der Kopfschmerz, entscheidend mildern - so jedenfalls die Hoffnung. Eine Zeit lang tüftelten die Forscher an ihrem Konzept. Doch dann erschien eine Studie, die dem Projekt einen Dämpfer verpasste.
    "2010 gab's eine Arbeit, die gezeigt hat, dass Licht generell erst mal den Schmerz verstärken kann. Das wurde sehr sauber gezeigt. Das heißt noch lange nicht, dass der Ansatz falsch ist, den wir gedacht haben. Es macht es aber deutlich schwieriger, das richtige Stimulationsprotokoll zu finden."
    Magnetfelder statt Lichtblitze
    Anders gesagt: Das Risiko schien schlicht zu groß, dass das blinkende Brillengestell mehr Schaden als Nutzen bringt. Deshalb verfolgten die Forscher die Sache nicht weiter - zumal plötzlich ein ähnlicher Weg viel aussichtsreicher erschien.
    "Gleichzeitig gab's eine enorme Entwicklung in anderen Geräten, die auch mit elektromagnetischer Strahlung ins Gehirn gehen - Licht ist ja nichts anderes als elektromagnetische Strahlung - aber nicht durchs Auge, sondern direkt durch den Schädelknochen hindurch, um andere Nerven zu reizen und damit die Migräne zu unterbrechen. Wir haben uns dann mehr in diese Richtung entwickelt."
    Also Magnetfelder statt Lichtblitze als Bremsklotz für die Migräne. Transkraniale Magnetstimulation, so heißt die Methode im Fachjargon.
    "Das ist ein kleiner Kasten mit zwei Henkeln dran. An einem dieser Henkel ist ein Knopf. Dann hält man sich das an den Kopf und drückt auf diesen Knopf. Dann gibt es zwei Pulse im Abstand von einer halben Minute. In diesem Abstand werden zwei Magnetfelder in das Gehirn einpulsiert. Die Idee dahinter war, dass man diese Welle mit diesen zwei Pulsen aufhalten kann."
    Das Kalkül: Ließe sich die Erregungswelle im Hirn stoppen, würden die Migränesymptome ausbleiben. In den USA ist das Gerät schon zugelassen, es wird an mehreren Zentren erprobt.
    Potenzial für Verbesserungen
    Markus Dahlem jedoch ist noch nicht überzeugt. Seiner Meinung nach liefern die bisherigen klinischen Studien noch keine klaren Resultate, und es ist zweifelhaft, ob die Technik in ihrer jetzigen Form wirklich hilft. Doch Dahlem hat schon eine Idee, wie man sie verbessern könnte:
    "Wir halten das Gerät eigentlich für sehr spannend. Aber die Software, die darauf läuft, würden wir gerne verbessern. Dass es nicht im Abstand von 30 Sekunden zweimal kurz pulst, sondern vielleicht für fünf bis zehn Minuten dauerhaft Magnetfelder in das Gehirn einstrahlt, die dann aber mit einer etwas geringeren Amplitude. Und wir haben schon Vorstellungen, warum die Welle schneller zusammenbrechen sollte."
    Doch auch wenn diese Variante zum Erfolg führt - zu klären wäre noch, ob das Magnetfeld im Hirn nicht doch Nebenwirkungen zeigt, womöglich sogar dauerhafte Veränderungen im Nervensystem.
    Zur Sendereihe "Tolle Idee! - Was wurde daraus?