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Kopftuch als Modeaccessoire

Die junge Redaktion des Modemagazins "Ala" ist mit Themen wie Mode, Karriere, Gesundheit und Glauben zum beliebtesten Modemagazin der Türkei avanciert. Im Fokus haben sie eine bestimmte Zielgruppe: Frauen, die Kopftuch tragen.

Von Gunnar Köhne, Istanbul |
    In der Türkei tobte noch vor wenigen Jahren ein Kopftuchstreit zwischen den Anhängern der religiös-konservativen Regierungspartei von Ministerpräsident Erdogan und den Kemalisten, also den Anhängern von Mustafa Atatürk, der die Türkei zu einem laizistischen Staat gemacht hat. Bei dem Kopftuchstreit geht es also um nicht weniger als ums Prinzip, das Prinzip der Trennung von Staat und Kirche.

    Das Tuch zur Verhüllung von Haar und Haaransatz ist dabei das Symbol des Kampfes zwischen der kemalistischen Staatselite und den religiösen Kräften in der Türkei. Dabei können Letzter durchaus Erfolge verbuchen: Die Regierung hat das Kopftuchverbot an den Universitäten teilweise aufgehoben; im öffentlichen Dienst und im Parlament gilt es dagegen weiterhin. Doch in vielen Bereichen des gesellschaftlichen Lebens setzt sich die Kopfbedeckung durch, was ein neues Modemagazin jetzt auch bebildert:

    In dem Fotostudio laufen die Vorbereitungen für ein neues Titelbild auf Hochtouren. Ein Model aus Kasachstan sitzt vor dem Schminktisch und lässt den hektischen Visagisten geduldig seine Arbeit tun. Am Schluss wird ihr ein weißes Seidentuch um Kopf und Hals geschlungen. Denn bei diesem Fotoshooting müssen alle Models Kopftuch tragen - etwas völlig Neues in der Türkei. "Ala" heißt das erste Modemagazin, in dem das Kopftuch im Mittelpunkt steht. Das Wort "Ala" - mit einem l und ohne h - stammt aus dem arabischen und bedeutet so viel wie "großartig" oder "wunderbar". Noch vor wenigen Jahren wäre eine Zeitschrift für Kopftuchmode in der Türkei undenkbar gewesen, gibt Esra Seziş, die erst 24-jährige Chefredakteurin des Blattes zu:

    "Lange Zeit wurde in diesem Land auf Frauen mit Kopftuch herabgesehen, ja wir wurden einfach ignoriert. Es gab soviel verschiedene Modemagazine, aber über uns war darin nichts zu finden. Das wollten wir ändern."

    Sezis trägt Jeans zu schwarzem Pullover und rotem Kopftuch, das auch den Haaransatz verbirgt. Eine für religiöse Kreise eher unkonventionelle Kombination. Wo figurbetonte Kleidung verpönt ist. Locker, so soll auch das Magazin daherkommen: Mit Themen wie Mode, Karriere, Gesundheit und Glauben avancierte "Ala" innerhalb weniger Monate zum erfolgreichsten Modemagazin der Türkei - gleichauf mit Klassikern wie "Vogue" oder "Elle". Auf Facebook zählt die Redaktion inzwischen fast 100.000 Fans.

    Über die Hälfte aller Türkinnen trägt laut Umfragen inzwischen ein Kopftuch. Das einst von Republikgründer Mustafa Atatürk verordnete Verschleierungsverbot in der Öffentlichkeit spielt in der Türkei längst keine Rolle mehr. In westlich geprägten Stadtteilen von Istanbul ist die Kopfbedeckung dennoch auf den Straßen kaum zu sehen. Hier orientieren sich die Frauen am westlichen Lebensstil und seinen Modetrends. Doch die Machtverhältnisse im Land haben sich verändert. Die Wähler der konservativ-religiösen Regierung Erdogan stellen heute einen Teil der wohlhabenden Elite. Sie profitieren besonders vom wirtschaftlichen Boom des Landes. Die neue muslimische Bourgeoisie habe auch einen neuen Frauentyp hervorgebracht, meint die Soziologin Nilüfer Narli:

    "In den letzten 25 Jahren sind viele konservativ-religiöse Menschen vom Land in die Großstädte gezogen. Sie sind mobiler geworden und sind jetzt Teil der urbanen Mittel- und Oberklasse. Deren Frauen und Töchter sind berufstätig, sie studieren an Universitäten oder sind Hausfrauen."

    Kopftuch tragen und trotzdem zum Jetset gehören - das ist das Konzept von "Ala". Doch strenggläubige Meinungsmacher kritisieren "Ala" scharf. Der Publizist Ihsan Eliaçık hat Leserinnen und Macherinnen des Magazins wiederholt als Neureiche attackiert, die mit ihrem Luxuslebensstil islamische Werte verrieten:

    "Sie haben die Religion zu einem Vergnügen der Reichen gemacht. Sie ekeln sich vor den Armen und Heimatlosen und flüchten vor ihnen. Wie die protestantische Moral in Europa den Weg für den Kapitalismus geebnet hat, so haben sie einen Islam entwickelt, der dem Reichtum huldigt. Für mich gibt es keinen Unterschied zwischen einer Modeschau für Bikinis und einer für Kopftücher. In beiden Fällen geht es darum, Frauen zur Schau zu stellen."

    Für die Macher von "Ala" sind teure Marken und Religiosität sehr wohl vereinbar. Sie wollen mit Make-Up, hohen Absätzen und Kopfbedeckung für den Islam werben. Für Chefredakteurin Sezis, die seit ihrem 14. Lebensjahr freiwillig ein Kopftuch trägt, ist das nicht bloß chic, sondern sogar fortschrittlich:

    "Die First Ladys der Türkei tragen heute Kopftuch - so weit waren wir noch nie. Frauen mit Kopfbedeckung gibt es inzwischen überall. Gesellschaftlich sind wir akzeptiert. Nun wollen wir diesen Frauen mit unserer Zeitschrift zeigen, wie sie mehr aus ihrem Leben machen können - noch schicker, noch aufregender. Und dass das Kopftuch dabei kein Hindernis sein muss."

    Die jungen Blattmacherinnen von "Ala" jonglieren mit Traditionen und Trends - und sie provozieren. Denn sie verkaufen das Kopftuch nicht mehr nur als religiöses Symbol, sondern auch als Modeaccessoire.