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Kopieren und Zitieren für neuen Design-Ruhm
Balenciaga und die Ikea-Tüte

Das Traditionshaus Balenciaga hat einen neuen Kreativdirektor. Demna Gvasalia ist sein Name, er hat auch das Label "Vetements" gegründet. Seine Spezialität, Alltagsgegenstände oder Uniformen mit kleinen Abänderungen zu Designobjekten umwandeln. Das hat er jetzt auch für Balenciaga gemacht, indem er zum Beispiel die berühmte Ikea-Tragetasche quasi kopierte.

Von Gesine Kühne |
    Menschen fangen Süßigkeiten bei einem Karnevalsumzug in Braunschweig.
    Jetzt gibt es teure Balenciaga-Nachahmung der beliebten Ikea-Allzwecktasche Frakta: Menschen fangen Süßigkeiten bei einem Karnevalsumzug in Braunschweig. (imago / Susanne Hübner)
    Ein riesiger blauer Beutel, leuchtend blau, mit mehreren Henkeln.
    "Ich finde es gut, dass die diese Gegenstände, die man halt so kennt in die Mode transportieren. Ich wäre auch gern drauf gekommen."
    Sagt der Berliner Modedesigner Timm Süssbrich. Er redet allerdings nicht vom Designteam des schwedischen Möbelhauses, sondern vom Modelabel Balenciaga. Ein Unternehmen mit 100-jähriger Tradition, dessen Mode früher in den 40ern bis 60ern zum guten Pariser Ton gehörte. Die Damen trugen damals große Puffärmel, Drapierungen und Volants. Cristobal Balenciaga, Gründer der Marke, geizte nicht mit Stoffen.
    Teure Nachahmung einer bekannten Tasche
    Nun scheint es aber so, als würde, über ein halbes Jahrhundert später, Balenciaga mit eigenen Designs eher sparsam umgehen. Denn die Ikea-Tasche ist nicht die erste billige Plastiktasche, die teuer nachgeahmt wird. Im Jahr zuvor war es die rot-weiß-schwarz karierte Markttasche.
    "Man verbindet ja eigentlich nur Positives damit."
    Sagt Kerstin Geffert.
    "Die gehen nicht so schnell kaputt, man kann seinen halben Hausstand damit rumschleppen, hat schon x Umzüge damit gemacht, Flohmarktstände. Ich glaube die Einstellung zu diesen Taschen ist irgendwie positiv. Außerdem kennt sie jeder und damit erkennt sie auch jeder, wenn sie jetzt in abgewandelter Form von Balenciaga wieder aufgelegt wurden."
    Die mode-affine Kerstin Geffert, die selber eine kleine Version der hochwertigen Markttasche von Balanciaga hat, verbindet damit, wie viele, eigene Erfahrungen.
    Inzwischen ein Statussymbol
    Kauften wir uns nun eine der unfassbar teuren Versionen aus Leder, wird unser verklärtes Nostalgiedenken jedes Mal, wenn wir die Tasche angucken, anfassen, mit uns umher tragen, angefeuert. Das ist wie Fotoalben durchblättern und in Erinnerungen schwelgen.
    Zu den Positiven Erinnerungen kommt die Anerkennung. Denn die Ikea-Adaption von Balenciaga ist inzwischen ein Statussymbol.
    "Wenn du einen Gegenstand kopierst und in ein tragbares Mode-Accessoire verwandelst, dann ist es was Cooles."
    Modedesigner Timm Süssbrich wäre gern selbst auf die Idee gekommen, das alltägliche, billige Produkt in die Mode zu transportieren. Ist er aber nicht. Es war Demna Gvasalia. Seit eineinhalb Jahren ist der georgisch-deutsche Designer der neue Kreativdirektor von Balanciaga. Er ist in der Modebranche aktuell einer, über den viel diskutiert wird, weil er uns Konsumenten knallhart vorführt. Die Balenciaga Bag ist nicht sein erster Coup. Gvasalia ist auch für das 250 Euro teure DHL-T-Shirt verantwortlich. Er hat es für sein Label Vetements minimal im Schnitt verändert und durch gewitzte Inszenierung in den sozialen Medien so viel Kaufwillen erzeugt, dass das knallgelbe DHL-Shirt von Vetements schnell ausverkauft war.
    Gewitzte Reaktion von Ikea
    Nichts anderes macht Gvasalia bei Balenciaga. Er entlehnt das Design der Ikea-Tasche "Frakta". Es sei aber kein Plagiat sagt Juristin Dr. Lina Böcker.
    "Wenn ich Balenciaga wäre, würde ich mich auf den Standpunkt stellen, das ist kein geschütztes Werk, wir haben so ein ähnliches Design entwickelt, bei uns kostet es halt viel Geld, bei denen kostet es kein Geld. Das hat ja auch mit materialen zu tun. Was wir auch nicht wissen, ob es zwischen Ikea und Balenciaga nicht irgendwelche Hintergrundabsprachen gibt."
    Denn die Reaktion von Ikea auf den knapp 1400 Euro teuren Shopper von Balenciaga war gewitzt. "Hier bekommen sie das Original für 50 Cent!" heißt es auf einem Bild, auf dem ein gut gestyltes Model den blauen Plastikbeutel trägt.
    Und auch die sonst so konsumistischen Modeopfer reagieren mit Witz und scheinen diesmal die Vorführung von Demna Gvasalia nicht mitmachen zu wollen. Sie drehen den Spieß um und zeigen auf den Kanälen der Streetstyle-Stylo-Seiten Hypebeast und Co ihre Kreationen aus Ikea-Beuteln: String-Tanga, Gasmaske, Baseball-Kappe, Turnschuhe.