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Koppelin: "Ich halte jedenfalls Philipp Rösler für sehr geeignet"

Philipp Rösler stehe für eine ehrliche Politik, die den Menschen keinen Sand in die Augen streue, so Jürgen Koppelin zur Frage eines geeigneten Westerwelle-Nachfolgers. Dennoch sei ihm bewusst, dass der neue FDP-Vorsitzende einen sehr schweren Weg vor sich habe.

Jürgen Koppelin im Gespräch mit Dirk-Oliver Heckmann |
    Jürgen Koppelin, stellvertretender Vorsitzender der FDP-Bundestagsfraktion
    Jürgen Koppelin, stellvertretender Vorsitzender der FDP-Bundestagsfraktion (Deutscher Bundestag)
    Dirk-Oliver Heckmann: Man kann es glauben, man kann es auch bleiben lassen. FDP-Generalsekretär Christian Lindner jedenfalls hat gestern behauptet, über Kandidaturen sei nicht gesprochen worden bei der gestrigen Sitzung des Parteipräsidiums. Heute will man nach dem angekündigten Rücktritt von Guido Westerwelle erneut zusammenkommen, diesmal mit den Chefs der FDP in den Bundesländern. Auch wenn offiziell noch nichts entschieden ist, wenn man die Signale aus Berlin richtig wertet, dann trägt der künftige FDP-Chef folgenden Namen: Philipp Rösler, Bundesminister für Gesundheit.
    Telefonisch zugeschaltet ist uns jetzt Jürgen Koppelin. Er ist stellvertretender Vorsitzender der FDP-Bundestagsfraktion und Chef der Liberalen in Schleswig-Holstein. Schönen guten Morgen!

    Jürgen Koppelin: Ja, guten Morgen.

    Heckmann: Herr Koppelin, haben Sie noch Zweifel, dass der neue Parteichef der FDP Philipp Rösler heißt?

    Koppelin: Das geht nicht, ob ich Zweifel habe. Ich halte jedenfalls Philipp Rösler für sehr geeignet. Ich kenne ihn lange. Ich will das auch daran deutlich machen: ich selber war einmal Mitglied im Präsidium der Partei und habe dann auf eine Wiederwahl verzichtet, weil ich fand, dass Rösler – das kommt vielleicht selten vor, wenn man das sagt in der Politik -, dass er besser war als ich. Und da sitzt er immer noch und er macht da eine gute Politik und ich bin nach wie vor froh, dass ich ihn damals dringendst gebeten habe, zu kandidieren fürs Präsidium. Er hat übrigens sich dann drei Wochen Zeit ausbedungen, bis er mir dann endlich sagte, ja, ich mache es.
    Zu Ihrem Porträt Philipp Rösler, FDP (mp3-Audio) muss ich aber doch noch einen Satz sagen. Das war ja sonst alles ganz nett, bis auf einen Punkt, und der ist einfach nicht korrekt. Er habe sich in der Gesundheitspolitik verzettelt. Das stimmt so nicht. Ich darf daran erinnern, dass wir zur Bundestagswahl auch als FDP gesagt haben, wenn sich allein die Bundestagswahl lohnt, damit Ulla Schmidt nicht mehr Gesundheitsminister ist, dann hat sich die Bundestagswahl gelohnt. Und ich sage Ihnen den Grund: Frau Schmidt hatte uns einen Gesundheitsfonds mit einem Minus von 14 Milliarden hinterlassen, die einfach nicht finanziert waren. Da waren andere Dinge in der Gesundheitspolitik. Das war ein einziger Scherbenhaufen. Und nun fangen sie mal an, das alles wieder zusammenzufügen, und in eineinhalb Jahren hat Philipp Rösler sehr, sehr viel erreicht als Gesundheitsminister.

    Heckmann: Aber die meisten, Herr Koppelin, werden Herrn Rösler mit einer Gesundheitsreform verbinden, die vor allem mit einer Anhebung der Beiträge verbunden ist.

    Koppelin: Ja was wollen Sie denn machen, wenn ein Minus von 14 Milliarden da ist. Aus dem Konjunkturprogramm wurde ja noch Geld reingepulvert in die Gesundheitspolitik von Ulla Schmidt, und wir haben gesagt, wir bauen das erst mal um, damit es wieder erst mal ehrlich ist, und Politiker werden gewählt, und das ist bei Philipp Rösler so, um Probleme zu lösen, die groß sind, und er löst diese Probleme. Nur sie können das nicht mit einem Fingerschnipsen machen, das dauert eben seine Zeit.

    Heckmann: Man darf aber vielleicht auch nicht vorher versprechen, dass es nicht teurer wird.

    Koppelin: Das wollen wir dann am Ende mal sehen, was dabei herauskommt, denn es ist ja so, das wissen Sie auch, wir wollen zwar jetzt nicht über die Gesundheitspolitik reden, aber wir haben immer mehr Gott sei Dank ältere Menschen und das muss alles bezahlt werden. Die vielen, vielen Leistungen, die verlangt werden, müssen einfach bezahlt werden. Da muss man ehrlich sein, und das ist eben das Problem, was wir als FDP haben, das sage ich ganz offen. Wir haben eines der schwierigsten Programme, nämlich den Menschen die Wahrheit zu sagen, dass manches so nicht mehr zu finanzieren ist.

    Heckmann: Wie schlau ist es denn, Herr Koppelin, wenn Philipp Rösler Parteichef wird und gleichzeitig Gesundheitsminister bleibt – danach sieht es ja im Moment aus – und dann steigende Beiträge ankündigen muss und gleichzeitig für Stimmen sorgen soll für die FDP?

    Koppelin: Ja. Wenn die Menschen erkennen und wenn man das rüberbringt, dass man eine ehrliche Politik macht, dass man den Menschen nicht Sand in die Augen streut – ich sage das ja noch mal: bei der Gesundheitspolitik wurde ja selbst aus dem Konjunkturprogramm, das für was ganz anderes war, plötzlich Geld in die Töpfe getan, um Beiträge vor der Bundestagswahl zu senken. Das war doch nicht nur falsch, das war auch eine verlogene Politik der letzten Koalition und damit muss eben Schluss sein und die Menschen werden dann am Ende erkennen, dass es besser ist, der Politiker sagt mir die Wahrheit.

    Heckmann: Aber müsste Philipp Rösler nicht jetzt als neuer Parteichef wirklich ein Zeichen setzen und sagen, jetzt bin ich die Nummer eins und ich bestimme jetzt auch, wo es langgeht, und das bedeutet, ich greife mir jetzt das Wirtschaftsministerium, Rainer Brüderle muss Platz machen?

    Koppelin: Nein, darum geht es nicht, sondern wenn Philipp Rösler Parteivorsitzender wird, muss er die Chance haben, dass er sich ein Team zusammenstellen kann. Darüber werden wir dann heute reden, wenn er seinen Hut in den Ring wirft. Das ist ja noch nicht alles entschieden. Aber ich gehe davon aus, dass er das hoffentlich machen wird. Und dann muss er sich auch Personen aussuchen dürfen und sagen, mit dem und jenem würde ich gerne zusammenarbeiten. Er wird – das sage ich auch sehr deutlich – einen sehr schweren Weg vor sich haben. Da mache ich mir überhaupt nichts vor. Denn wir haben es ja bei Guido Westerwelle gesehen, der uns den größten Wahlerfolg beschafft hat, ein erfolgreicher Parteivorsitzender gewesen ist. Aber wenn man wie nach der Bundestagswahl mit einer Kampagne – ich nenne hier bewusst auch den "Spiegel" – leben muss, wo man nicht eine einzige Chance mehr hatte, und Westerwelle hatte null Chancen in bestimmten Medien, er konnte machen was er wollte, er konnte übers Wasser gehen, dann hätte der "Spiegel" geschrieben, Westerwelle kann nicht schwimmen. Das ist eine unfaire Art gewesen und da kam er nicht mehr gegen an.

    Heckmann: Gut, die Medien tragen die Hauptverantwortung offenbar für die Entwicklung der FDP. – Herr Koppelin, Guido Westerwelle …

    Koppelin: Nein! Wir haben natürlich auch Fehler gemacht. Das ist doch völlig klar. Die liegen auch offen, darüber diskutieren wir ja auch in der Partei. Sehen Sie, Sie haben ja gesagt, ich bin Landesvorsitzender in Schleswig-Holstein. Wir haben in Schleswig-Holstein gegenüber der Bundespartei eine andere Politik geführt. Das hat uns viel Ärger von der Bundespartei eingebracht. Ich nenne mal die Verlängerung der Laufzeiten der AKW. Die schleswig-holsteinische FDP hat immer gesagt, das kommt nicht infrage, das kann man nur machen, wenn man mindestens sechs AKW abschaltet. Das ist kritisiert worden aus der eigenen Partei, heute sind acht nicht mehr am Netz. Also wir hatten eigentlich recht in Schleswig-Holstein. Wir hätten auch manches andere besser machen können, aber wir haben ja auch noch die Chance, wirklich einiges besser zu machen, und Rösler an der Spitze. Ich gehe davon aus, die FDP ist wieder da.

    Heckmann: Guido Westerwelle will und soll nach dem Willen auch der Partei Außenminister bleiben. Das heißt, er ist zu schwach, um die Partei zu führen, aber soll Deutschland nach außen vertreten. Gerhart Rudolf Baum, ebenfalls Liberaler, hält das für nicht vermittelbar.

    Koppelin: Also da wird einiges miteinander vermischt. Sie müssen ja mal sehen, dass das Amt des Außenministers ein schwieriges Amt ist. Das sehen Sie doch in diesen Tagen. Es ist ja nicht einfach das durchzustehen, dass wir sagen, beim Libyen-Einsatz machen wir nicht mit. Ich halte diese Haltung übrigens für richtig. Auch da sehen Sie ja, wie die Medien teilweise gegen Westerwelle eine Kampagne gefahren haben. Er wird aber am Ende Recht kriegen, denn es war uns ja schon versprochen worden, dass dieser Einsatz nur ein paar Tage dauert. Jetzt dauert er ja schon wieder Wochen und Sie glauben doch nicht, dass das in den nächsten Wochen nicht weitergeht in Libyen.

    Heckmann: Aber die Frage ist ja, ob Guido Westerwelle noch die Autorität hat, als Außenminister aufzutreten?

    Koppelin: Die hat er doch! Ich meine, er hat doch viele richtige Entscheidungen getroffen: Rettung des Euros, wo uns andere wie die Sozialdemokraten im Stich gelassen haben, da war federführend Guido Westerwelle. Das darf man dann ja mal in aller Deutlichkeit sagen. Aber ich nehme nur die letzten Entscheidungen mit Libyen. Ich bin dankbar, dass Westerwelle so hart verhandelt hat beziehungsweise so seine Haltung gewesen ist. Das mag für manchen unverständlich sein im Moment, da ist man emotional vielleicht auf einer anderen Seite. Er wird am Ende recht bekommen, dass dieser Einsatz so in der Form falsch gewesen ist, und ich bin froh, dass wir als Deutsche nicht mitgemacht haben.

    Heckmann: Herr Koppelin, Cornelia Pieper hat ihre Ämter niedergelegt, oder ist dabei, sie niederzulegen. Rainer Brüderle immerhin beendet seinen Vorsitz im Land Rheinland-Pfalz nach der Niederlage bei den Landtagswahlen dort. Die Einzige, die keinen Grund sieht, Verantwortung zu übernehmen, ist Ihre Fraktionschefin Birgit Homburger. Muss man darüber nicht noch mal reden?

    Koppelin: Das ist erst mal eine Entscheidung in Baden-Württemberg selbst. Frau Homburger muss sich selber, wie ja übrigens alle anderen, ich auch, ich bin ja Stellvertreter, fragen, bin ich auf der richtigen Position. Da muss man sich selbst überprüfen. Da sollte man nicht nur andere fragen, sondern man muss sich selbst und ehrlich überprüfen. Das tue ich genauso wie alle anderen.

    Heckmann: Das heißt, das würden Sie Frau Homburger empfehlen, sich zu überprüfen?

    Koppelin: Ja. Ich würde auf jeden Fall, wenn ich ihr was zu empfehlen habe, es nicht über den Rundfunk machen. Ich greife zum Telefon und nicht zum Mikrofon.

    Heckmann: Letzte Frage, Herr Koppelin. Die FDP will sich inhaltlich neu aufstellen. Heißt das, dass man sich vom Mantra, vom ständigen Mantra der Steuersenkung verabschieden wird?

    Koppelin: Nein, überhaupt nicht! Denn sehen Sie mal – und das ist ja etwas, wo, wie ich meine, die FDP nicht knallhart weiter verhandelt hat und dabei stehen geblieben ist, was einer unserer großen Fehler gewesen ist. Wir haben uns teilweise von Herrn Schäuble am Nasenring herumführen lassen. Es kann doch nicht sein, dass in diesen Tagen - die Kanzlerin hat da ja verhandelt, hat auch einen verhältnismäßig guten Kompromiss am Ende noch auf Druck der FDP herausgeholt -, dass, ich sage mal, 22 Milliarden, vielleicht sogar noch mehr, zur Rettung des Euros in einen Fonds eingezahlt werden sollen – wo kommt denn das Geld her? -, und gleichzeitig erzähle ich den Menschen hier im Lande, es ist kein Geld für Steuersenkungen da. Der letzte Kompromiss bei Hartz IV, wo die Bundesländer mitgemacht haben – das war ja eine Bundesrats-Vermittlungsgeschichte -, da müssen am Ende 7,5 Milliarden für geradestehen. Und Herr Schäuble erzählt uns, es ist kein Geld für Steuersenkungen da? Das kann ja nicht wahr sein. Und da muss man Herrn Schäuble mal sagen, bis hierher und nicht weiter. Das gilt für die Mehrwertsteueranpassung genau wie für Steuererleichterungen und für die Vereinfachung von Steuererklärungen. So geht es nicht mehr und da muss ein ernstes Wort vor allem mit dem Bundesfinanzminister gesprochen werden, der blockiert, der nicht bereit ist, der FDP auch nur einen Schritt entgegenzukommen, obwohl er genau weiß, dass das die richtige Politik für unser Land wäre, auch um die Binnennachfrage abzusichern.

    Heckmann: Der stellvertretende Vorsitzende der FDP-Bundestagsfraktion und Chef der Liberalen in Schleswig-Holstein, Jürgen Koppelin, war das. Herr Koppelin, ich danke Ihnen für das Gespräch.

    Koppelin: Bitte schön.