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Korallenwels
Lackmuspapier auf der Haut

Biologie. - Wenn Tiere am Meeresboden nach Nahrung suchen, dann brauchen sie besondere Fähigkeiten. Denn dort unten ist es stockdunkel. Von der Fischfamilie der Korallenwelse zum Beispiel weiß man, dass einige Arten ihre langen Fortsätze am Maul zur Nahrungssuche einsetzen. Ein US-amerikanisch-japanisches Forscherteam stellt heute im Fachblatt "Science" eine bislang unbekannte Fähigkeit einer Korallenwels-Art vor.

Von Jochen Steiner | 06.06.2014
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    Japanische Korallenwelse (Science/ Kagoshima Aquarium)
    Er ist nachtaktiv, mit Giftstacheln bewaffnet, hat acht Barteln am Maul, die etwas an die Schnurrhaare einer Katze erinnern, wird gerade einmal 15 Zentimeter lang und lebt in den Gewässern rund um das südliche Japan: Plotosus japonicus, ein Vertreter der Korallenwelse. Und er war das Studienobjekt von John Caprio. Der Professor von der Louisiana State University wollte mehr darüber erfahren, wie Fische riechen und schmecken. Deshalb untersuchte er die Haut der Korallenwelse, die auch als "schwimmende Zungen" bezeichnet werden, weil sie Geschmacksknospen auf dem ganzen Körper tragen. Er brachte verschiedene Substanzen auf die Haut der Fische auf und zeichnete die elektrischen Reize der Nervenfasern auf, die für das Schmecken und Riechen zuständig sind.
    "Als ich vor etlichen Jahren an meinem Projekt arbeitete, bemerkte ich plötzlich, dass ich von bestimmten Nervenfasern viel stärkere Reaktionen aufzeichnen konnte als die, die ich bis dahin schon gesehen hatte."
    John Caprio und seine japanischen Kollegen stellten fest, dass diese Nervenfasern nicht auf die Substanzen reagierten, die sie auf die Haut aufgetragen hatten. Ein weiteres Experiment brachte schließlich die Lösung: Die Forscher setzten einen Korallenwels in ein Aquarium mit Meerwasser, das den für Meerwasser typischen pH-Wert von 8,2 hatte. Dann schalteten sie eine Infrarotkamera ein und beobachteten was passierte, als sie über einen Schlauch weiteres Wasser mit dem pH-Wert von 8,2 einströmen ließen: nichts.
    "Aber als wir Meerwasser mit einem pH-Wert von 8,1 hinzugaben, wurde der Fisch sehr aktiv und biss in den Schlauch, der das Wasser ins Aquarium strömen ließ."
    Schon eine pH-Wert-Änderung um 0,1 aktiviert also diese bestimmten Nervenfasern. Doch wozu setzt dieser Korallenwels seine besondere Fähigkeit ein, winzige pH-Änderungen zu spüren? Der Neurobiologe hatte eine Vermutung: zur Nahrungssuche nach Würmern im Meeresboden. In einem weiteren Versuch bauten die Forscher eine Wurmröhre samt Wurm ins Aquarium ein und brachten pH-Elektroden in deren Nähe an. 1,5 Zentimeter von der Röhre entfernt tat sich noch nichts.
    "Aber fünf Millimeter von der Wurmröhre entfernt veränderte sich der pH-Wert um 0,1 bis 0,2 Einheiten. Das hat mit dem Gas zu tun, das der Wurm als Stoffwechselprodukt ins Wasser abgibt."
    Es ist Kohlendioxid, das sich im Wasser zu Kohlensäure verbindet und so dazu führt, dass um die Wurmröhren ein pH von 8,0 oder 8,1 herrscht. Dort ist das Wasser also etwas saurer als anderswo.
    "Dieses Tier sucht seine Nahrung am Meeresboden. Der Fisch schwimmt dort entlang und immer wenn er eine kleine Änderung des pH-Werts registriert weiß er, dass genau dort sein Futter ist."
    Bisher sei keine Tierart bekannt, die derart empfindliche pH-Sensoren besitzt und für die Jagd einsetzt, so Caprio.
    "Wir wissen, dass die pH-Sensoren an den Barteln und rund ums Maul zu finden sind. Und vielleicht sind sie sogar über den ganzen Körper verteilt."
    Doch wie diese Sensoren funktionieren und ob sie auch bei anderen Fischarten zu finden sind, das müssten nun andere Forscher klären, so John Caprio. Er geht jetzt in den Ruhestand.