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Koreas Friedenspläne
"Man muss es koordiniert machen"

Die auf dem Korea-Gipfel angestrebte Denuklearisierung ist für den Politologen Ulrich Blum "vielleicht der Befreiungsschlag, mit dem wir alle nicht gerechnet haben". Doch man dürfe nun nichts überstürzen, sagte er im Dlf. Und eine Wiedervereinigung nach deutschem Vorbild sei nur bedingt möglich.

Ulrich Blum im Gespräch mit Michael Köhler |
    Südkoreas Präsident Moon Jae In (r) und Nordkoreas Machthaber Kim Jong Un schütteln einenader die Hände in der entmilitarisierten Zone von Panmunjeom
    "Nordkorea hat großes Misstrauen gegenüber China, auch Südkorea hat gewisses Misstrauen gegenüber USA - es gibt Punkte, wo man sich einigen könnte", sagte der Politologe Ulrich Blum im Dlf (picture alliance /dpa /MAXPPP)
    Der nordkoreanische Machthaber Kim Jong-un und Südkoreas Präsident Moon Jae-in haben sich auf dem Korea-Gipfel nicht nur die Hände gereicht, sondern streben Denuklearisierung an. Auf den Waffenstilllstandsvertrag, der 60 Jahre alt ist, könnte nun ein Friedensvertrag folgen.
    Angesichts einer sehr vielschichtigen Gefahrenlage sei dies "vielleicht der Befreiungsschlag, mit dem wir alle nicht gerechnet haben", sagte der Politologe Ulrich Blum im Dlf. Kim Jong-un habe durch die irrationale Politik Donald Trumps unter einer ständigen Bedrohung gestanden, dass die Amerikaner plötzlich losschlagen könnten. Zudem sei der ökonomische Druck gewachsen. Die Chinesen wollten eine Lösung ohne amerikanische Truppen an der chinesischen Grenzen - China habe also ebenfalls ein großes Interesse an einer Denuklearisierung.
    Aus der deutschen Wiedervereinigung lernen - aber nicht nachmachen
    Mit der Wiedervereinigung in Deutschland sei dieser Friedensprozess allerdings nicht eins zu eins vergleichbar: Das Bevölkerungsverhältnis von West- zu Ostdeutschland sei etwa 80 zu 20 gewesen, in Korea hingegen 60 zu 40. Außerdem habe Nordkorea nur fünf Prozent des Pro-Kopf-Einkommens von Südkorea - in der DDR seien das ungefähr 25 Prozent gewesen. Insofern wäre der wirtschaftliche Nachteil bezogen auf eine größere Bevölkerung nur unglaublich teuer zu überwinden. In Deutschland hätten nach der Wiedervereinigung viele junge Leute, vor allem Frauen, auf dem westdeutschen Arbeitsmarkt viel Wirtschaftsleistung erbracht, sodass die Einheit letztlich einfach zu finanzieren gewesen sei. Diese Auslangslage sei auf dem sehr reglementierten Arbeitsmarkt in Südkorea nicht gegeben.
    Die koreanische Wiedervereinigung müsse man koordiniert gestalten. Man brauche massivste Investitionen, dürfe Korea aber nicht zu einem "Investitionsparadies" machen. "Dann drängt das Kapital in Größenordnungen hinein, die Landeswährung wird aufwerten und wird das Land sehr viel wettbewerbsunfähiger machen gegenüber anderen Ländern. Das ist der Effekt, den wir auch bei der Wiedervereinigung hatten", so Ulrich Blum. Die Leistungsbilanz habe sich gedreht, Deutschland sei zum Kapitalimportland und die D-Mark völlig überbewertet in den Euro hineingegangen. Die Hartz-Gesetze seien der Versuch gewesen, Die Deutsche Mark durch Lohnstückkostensenkung wieder auf ein normales Niveau zu setzen.
    Die deutsche Einheit sei immer noch nicht vollendet: Der Osten habe immer noch 30 Prozent Einkommensnachteil nach einer Generation. In Korea werde das länger dauern.