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Korrespondentenalltag
"Die polnische Regierung misstraut uns"

Nach ihrem Wahlsieg setzt die PiS-Partei in Polen auf antideutsche Töne. Die Rechtskonservativen vermitteln das Bild, Journalisten und Medien aus Deutschland seien für die Bundesregierung als Agenten tätig. Erfahrungen unseres Korrespondenten Florian Kellermann.

Von Florian Kellermann |
    Die rechtskonservative Partei PiS waren in Polen seit einigen Monaten an der Regierung, als deren Vorsitzender ein bemerkenswertes Interview gab. Jaroslaw Kaczynski griff die deutschen Korrespondenten in Warschau an. Sie kritisierten die polnische Regierung zu Unrecht - warf er ihnen vor und schürten damit Hass auf Polen - vergleichbar mit der öffentlichen Meinung in der Weimarer Republik:
    "Erinnern wir uns daran, wozu das geführt hat. Es gibt Historiker, die sagen: Ohne diese Vorbereitung, diese Verachtung gegenüber Polen, diesen Hass gegenüber Polen hätte es keinen Zweiten Weltkrieg gegeben. Die Verbrechen gegenüber Polen wurden in der Mehrzahl nicht durch die SS oder die Gestapo verübt, sondern durch ganz normale Deutsche. Sie waren bereit, ein Haus zu umstellen und dort alle umzubringen, auch kleine Kinder."
    Jaroslaw Kaczynski ist auf dem Papier nur einfacher Abgeordneter. Doch als Parteivorsitzender der PiS ist er in Wahrheit der mächtigste Mann im Land.
    Auch gegen polnische Medien wird ausgeteilt
    Sein antideutscher Ton wurde gleich nach dem Wahlsieg der PiS 2015 von seinen Gefolgsleuten übernommen. Auch vom öffentlichen Fernsehen TVP, das die PiS unter ihre Kontrolle gebracht hat. Dort wird auch gegen polnische Medien ausgeteilt, an denen deutsche Verlage beteiligt sind:
    "Deutsche Konzerne haben einen gewaltigen Anteil am Medienmarkt in Polen und einen gewaltigen Einfluss auf die öffentliche Meinung. Fast alle kritisieren die regierende PiS scharf. So verhalten sich auch die Medien, die in Deutschland erscheinen. Experten unterstreichen, diese Kritik ist auf die Politik der Bundeskanzlerin Angela Merkel zurückzuführen, denn die deutschen Medien sind solidarisch mit ihr."
    Das Bild, das sich so ergibt: Die deutschen Journalisten in Polen sind in Wahrheit Agenten der Bundesregierung, die Hass zwischen den beiden Nationen sähen.
    Diese Botschaft an die Polen bleibt nicht wirkungslos. Bei Umfragen auf der Straße bekomme ich zum Beispiel zu hören: "Ich weiß nicht, warum Sie mich fragen. Wir machen hier in Polen, was wir wollen, nicht, was Deutschland uns vorschreibt. Wie Sie das in ihrem Radio darstellen, das müssen Sie mit Ihrem Gewissen vereinbaren."
    Bei der Umfrage ging es um ein umstrittenes Denkmal, das die Regierung in Warschau aufstellen ließ - gegen den Willen des Stadtrats.
    Der befragte Mann fügte hinzu: "Das Sächsische Palais, das früher dahinten gestanden hat, haben die Deutschen in die Luft gesprengt. Ihr Opa war das. Und mein Vater musste im Zweiten Weltkrieg Zwangsarbeit in Berlin leisten."
    Den Korrespondenten wird misstraut
    Bei einer anderen Gelegenheit bekomme ich eine etwas nettere Belehrung darüber, wie ich berichten sollte: "Wir sollten alle die Wahrheit sagen. Es darf nicht sein, dass Polen die ganze Zeit untergebuttert und verhöhnt wird."
    Dieser Interviewpartner war der Ansicht, dass deutsche Medien die Geschichte fälschen und Polen eine Mitverantwortung am Holocaust zuschieben wollten. Auch das eine Behauptung, die gerne von PiS-Politikern verbreitet wird.
    Solche Töne habe ich früher als Reporter nicht zu hören bekommen. Der Tenor war eher: Immerhin habt Ihr Deutschen Eure dunkle Vergangenheit aufgearbeitet.
    Die polnische Regierung macht auch im unmittelbaren Kontakt deutlich, dass sie uns Korrespondenten misstraut. Früher hat es 15 Minuten gedauert, die jährliche Akkreditierung beim Außenministerium zu verlängern. Im vergangenen Jahr habe ich darauf vier Wochen gewartet, in diesem Jahr fast sechs Wochen.
    Das alles darf natürlich nicht dazu verleiten, der polnischen Regierung voreingenommen zu begegnen. Es würde unmöglich zu verstehen, warum trotz aller internationaler Kritik so viele Polen weiterhin hinter der Partei PiS stehen.