Die Schweiz ist rein geografisch betrachtet ein recht überschaubares Land - von Ost-nach West sind es weniger als 350 Kilometer, von Nord nach Süd gar nur rund 200 Kilometer. Nicht zuletzt deshalb versuche ich als Korrespondent möglichst viele Interviews direkt zu führen, also nicht per Telefon oder Video-Schalte. Jede Woche reise ich also von meinem Studio in Zürich aus durch mein Berichtsgebiet. Eine Stunde dauert es nach Bern, zwei ins Tessin, drei Stunden bis nach Genf.
Um zu meinen Gesprächspartnern zu gelangen, fahre ich meist mit dem Zug, ab und an mit den gelben Postauto-Bussen, selten auch mal mit der Bergbahn.
Auf Tuchfühlung mit den Mitreisenden
Der öffentliche Nahverkehr der Schweiz funktioniert vorbildlich. Bus und Bahn sind meist pünktlich und sauber, die Anschlüsse sind aufeinander abgestimmt und selbst abgelegene Orte in den Bergen sind recht gut erschlossen. Ich komme fast überall hin - und wenn nicht, dann holen mich die Interviewpartner auch schon mal mit dem Auto vom Bahnhof ab. Eine rote Plastikkarte erleichtert mir dabei das Reisen durchs Alpenland: das Generalabonnement oder kurz GA. Es erlaubt es mir nahezu jedes öffentliche Verkehrsmittel der Schweiz zu benutzen, ohne dass ich mir vorher eine Fahrkarte kaufen muss. Sehr praktisch.
Bei meinen Reisen fällt mir auf: in der Schweiz unterhält man sich noch im Zug und auch im Bus. Bei meinen Fahrten durchs Land komme ich relativ leicht und relativ oft ins Gespräch mit den sonst angeblich Fremden gegenüber so zurückhaltenden Schweizern. Etwa die Dame, die mir in Solothurn aus dem Stadtbus heraus stolz jede Sehenswürdigkeit ihrer Heimatstadt erklärt hat. Oder der Mann, der schnell auf seine Vision einer ökologischen Hügelsiedlung zu sprechen kam. Diese Tuchfühlung mit den Menschen, über die ich ja berichten soll, empfinde ich extrem spannend.
Im Gespräch mit den Mitreisenden und natürlich auch dank der Zugdurchsagen erlebe ich auch die Vielsprachigkeit der Schweiz hautnah - von der französischsprachigen Romandie, über das italienischsprachige Tessin bis hin ins rätoromanische Graubünden.
Beitragsproduktion live im Zug
Wenn ich einen Sitzplatz mit Tisch erwische, klappe ich mein Laptop auf, beantworte E-Mails, schneide O-Töne, schreibe an Texten. Längst weiß ich, welche Wagentypen mit Steckdosen ausgestattete sind und an welchen Plätzen auch in diesen Wagen keine Steckdosen sind. Nicht täglich, aber doch schon mehrmals ist vorgekommen, dass ich aus dem Zug heraus über ein aktuelles Ereignis berichtet habe.
So wie zum Beispiel im letzten November. Kaum hatte sich damals in Genf mein Zug in Richtung Zürich in Bewegung gesetzt, erreichte mich die erste Eilmeldung, dass im Bahnhof von Basel ein ICE aus Deutschland entgleist ist.
Das Thema sollte natürlich schnell ins Radio. Aussteigen war nicht möglich. Also habe ich direkt im Zug recherchiert, einen Kurzbeitrag geschrieben und diesen auch direkt im Zug produziert. Ich habe das Mikrofon eingeschaltet, meine Winterjacke über den Kopf gezogen, um ein bisschen den Lärm des Zuges abzuschirmen und habe den Bericht eingesprochen und an die Sender geschickt. Der Klang dürfte Tontechnikern ein Graus gewesen sein - es klang dumpf und man konnte das Fahrtgeräusch des Zuges wahrnehmen.
Mittlerweile Schweizer Zugprofi
Meine Mitreisenden dürften mich kopfschüttelnd beobachtet haben, aber das habe ich in dem Augenblick gar nicht mitbekommen.
Doch nicht immer ist es auf meinen Reisen so turbulent, oft habe ich auch Gelegenheit die wunderbaren Landschaften der Schweiz zu bestaunen. Zu meinen persönlichen Highlights gehört die Fahrt mit der Räthischen Bahn über die Welterbe-Strecke in Graubünden oder die Fahrt durch die Weinberge am Ufer des Genfer Sees. Natürlich weiß ich längst, auf welcher Seite ich sitzen muss, um die beste Aussicht zu genießen.