Budapest, auf dem Burgviertel über der Stadt: Wachwechsel vor dem Amtssitz des Staatspräsidenten. In der glühenden Mittagssonne vollziehen die in historischen Uniformen paradierten Wachsoldaten das tägliche Zeremoniell. Hunderte von Touristen zücken ihre Handys, verfolgen das schöne Spektakel.
Kleine Anekdoten über Ungarn
"Da wollte eigentlich Orban einziehen", flüstert mir mein ungarischer Kollege Attila Poth ins Ohr. Ja, Orban habe in seiner ersten Amtszeit Ende der 90er Jahre das brachliegende Palais Sandor renovieren lassen, alles sei fast fertig gewesen. Und dann – ja, dann habe Orban 2002 die Wahlen verloren und die Nachfolger-Regierung unter den Sozialisten habe gemeint, in das wiederhergestellte architektonische Schmuckstück könnte doch der Staatspräsident einziehen. Eine kleine Anekdote, die jedoch eine Menge über Ungarn derzeit erzählt und die Attila einige Schritte weiter ergänzt: "Der Neubau da, siehst du den da? Keine zehn Meter von der Außenmauer des Präsidialamts entfernt? Das wird Orbans neuer Regierungskanzlei!"
"Ohren und Augen der Korrespondenten"
Seit fünf Jahren arbeitet der erfahrene Journalist für das ARD-Studio Südosteuropa als Stringer – ein Job, den Attila Poth so beschreibt: "Ich denke, Stringer sind Ohren und Augen der Korrespondenten vor Ort. Wir leben in einem Land. Wir wissen mehr über das Land als die Korrespondenten, die von Zeit zu Zeit zu uns kommen. Wir können den Korrespondenten erklären, was warum in einem Land passiert. So können unsere Kollegen vielleicht besser verstehen, nicht nur das Land, sondern die ganze Gesellschaft, wie es funktioniert, was im Hintergrund steht, und so können sie bessere Berichte machen."
Wie bei den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in den übrigen Ländern des Berichtsgebiets Südosteuropa, von Slowenien bis Rumänien, von Albanien bis Mazedonien, so ist unser Stringer in Ungarn unsere erste Ansprechstation bei Themen wie Terminen, bei Projekten und Planungen.
Töne finden und übersetzen
Mitunter müssen Attila und seine Kolleginnen und Kollegen sehr rasch "O-Töne" liefern, also die Originaltöne. Wenn etwa, um beim Beispiel Budapest zu bleiben, Ministerpräsident Viktor Orban, wie fast jeden Freitagmorgen, im staatlich kontrollierten Rundfunk sich "interviewen lässt" und der Nachrichtengehalt relevant ist:
"Wenn man die Töne sehr schnell braucht, dann muss ich die Töne vom Netz haben. Ich suche im Internet, dann finde ich die Töne, dann schneide ich die Töne und lade ich die Töne hoch über ein System und dann mache ich die Übersetzung."
Ungarische Eigennamen: Unaussprechlich
Doch auch trotz Übersetzung – die Eigennamen bleiben, und im Ungarischen können sie eine echte Herausforderung für Nicht-Ungarn werden. So siegte Ende Februar ein Kandidat der Opposition bei Bürgermeister-Nachwahlwahlen gegen den Kandidaten der Regierungspartei Fidsez. Eine große Überraschung, zudem einige Wochen vor den Parlamentswahlen am 08. April. Eine Kleinstadt mit dem Namen Hódmezővásárhely.
"Hódmezővásárhely - war in Ostungarn eine Kleinstadt, aber wurde berühmt, weil der Bürgermeister kommt von der Opposition und er hat gewonnen, dank der Zusammenarbeit von der Opposition und hat Fidesz besiegt. Und Hódmezővásárhely – für ungarische Leute es ganz einfach!"
Ja – ganz einfach für Ungarn wie unseren Stringer Attila Poth.