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Korrigierte Wachstumsprognose
"Weniger Export ist der falsche Weg"

Der Internationale Währungsfonds hat seine Prognose für dieses und für nächstes Jahr gesenkt. Die Vorzeichen für die wirtschaftliche Entwicklung hätten sich damit deutlich verändert, sagte der CDU-Abgeordnete Andreas Lämmel im Dlf. Freier Handel bleibe aber wichtig für die deutsche Wirtschaft.

Andreas Lämmel im Gespräch mit Silvia Engels |
    Andreas Lämmel (CDU) bei einer Rede im Deutschen Bundestag.
    Andreas Lämmel (CDU), Obmann im Wirtschaftsausschuss (imago )
    Silvia Engels: Der Internationale Währungsfonds (IWF) veröffentlicht jedes Jahr eine Wachstumsprognose für die Welt und auch für einzelne Länder. In diesem Jahr fällt die Erwartung skeptischer aus als in der Vergangenheit, denn die Handelskonflikte, die US-Präsident Trump mit China und anderen Weltwirtschaftsregionen vom Zaun gebrochen hat, sie hinterlassen Spuren.
    Für Deutschland erwartet der IWF in diesem und im nächsten Jahr noch ein Wachstum von jeweils 1,9 Prozent. Im Vergleich zum Frühjahr ist das eine Prognoseabsenkung um 0,6 beziehungsweise 0,1 Prozentpunkte. - Am Telefon ist nun Andreas Lämmel. Er ist der Obmann der Union im Wirtschaftsausschuss des Bundestages. Guten Tag, Herr Lämmel!
    "Viele Jahre herrlicher Sonnenschein im Bereich der Wirtschaft"
    Andreas Lämmel: Einen schönen guten Tag nach Köln.
    Engels: Machen Ihnen diese Zahlen Sorgen?
    Lämmel: Na ja. Wir hatten jetzt sehr viele Jahre herrlichen Sonnenschein im Bereich der Wirtschaft. Und ich möchte das mal mit den Worten von Frau Lagarde vielleicht belegen: Es fängt jetzt an zu nieseln. Das ist sicherlich auch keine Überraschung.
    Engels: Sind die Unternehmen und ist der Staat denn darauf vorbereitet, dass die Wirtschaft demnächst nicht mehr so gut läuft? Denn man ist ja ein bisschen entwöhnt nach zehn Jahren Sonnenschein.
    Lämmel: Entwöhnt – das würde ich nicht sagen. Aber die Vorzeichen für die wirtschaftliche Entwicklung in den nächsten Monaten oder Jahren haben sich doch deutlich verändert, und natürlich müssen sich dann Unternehmen und auch die Politik auf diese veränderten Situationen einstellen.
    Engels: Und wie?
    Lämmel: Das ist ja das Thema, was uns als Deutschland oder die exportorientierte Wirtschaft in Deutschland besonders immer wieder betrifft. Das ist die Frage der Handelspolitik. Während sich Deutschland ja immer eingesetzt hat für offene Märkte, haben die Amerikaner plötzlich eine völlige Kehrtwende vollzogen, und das hat das gesamte Handelssystem in der Welt natürlich unter Druck gesetzt. Deutschland ist Exportweltmeister. Wir wechseln uns immer mal mit China ab. Aber wenn man die Exportleistung umrechnet auf den Kopf der Bevölkerung, bleibt Deutschland weiterhin Exportweltmeister. Deswegen ist natürlich freier Handel für uns besonders wichtig und wir wenden uns gegen alle Maßnahmen, die Protektionismus betreffen.
    "Politik hat es in der Hand, immer wieder in Gespräche zu gehen"
    Engels: Das ist ja keine neue Entwicklung. Schon seit Monaten gab es ja auch einen Kampf der Europäer, den US-Präsidenten vielleicht doch noch zu einer Abschwächung von diesem zugespitzten Handelskonflikt zu bewegen. Das hat gerade mit Blick auf China nicht geklappt. Hat die Politik nichts mehr in der Hand?
    Lämmel: Die Politik hat es in der Hand, immer wieder in Gespräche zu gehen, auch mit den Amerikanern. Wir wollen den Gesprächsfaden nach den Vereinigten Staaten auf keinen Fall abreißen lassen, auch wenn wir die Maßnahmen, die Präsident Trump ergriffen hat, ablehnen. Wir werden auch weiterhin mit China im Gespräch bleiben, um handelspolitisch Fortschritte zu erzielen. Denn beide Märkte, die Vereinigten Staaten oder auch China, sind natürlich für Deutschland sehr wichtig. Wir hatten immer auf die Welthandelsorganisation gesetzt, die ja gegründet wurde, um im Bereich des Welthandels gleiche Rahmenbedingungen für alle zu schaffen. Aber durch das Handeln der Amerikaner ist die Welthandelsorganisation eigentlich marginalisiert worden, und das ist natürlich für alle sehr schlecht. Für die Politik bleibt Verhandeln, Sprechen, Verhandeln, Sprechen.
    Engels: Empfehlen Sie dann deutschen Unternehmen, vielleicht auch weniger auf Exporte zu setzen, um weniger anfällig zu sein?
    Lämmel: Das ist ja immer eine heiß diskutierte Frage. Aber ich meine, ich als deutscher Staatsbürger bin eigentlich stolz darüber, wie viele deutsche Unternehmen Produkte herstellen, die in der Welt sehr gefragt sind. Ich glaube, das ist ein hervorragendes Ausrufezeichen für die deutsche Wirtschaft. Deswegen jetzt Unternehmen dazu zu bewegen, weniger zu exportieren – ich glaube, das ist der falsche Weg. Denn verschiedene Produkte, die kann man sich nicht zu Hause in den Keller stellen, sondern die sind für den Weltmarkt gedacht. Deswegen werden wir gemeinsam auch mit der Wirtschaft weiterhin für das Thema offene Märkte kämpfen. Das ist aus meiner Sicht der bessere Weg.
    "Sparen hat der Staat weder erfunden, noch gelernt"
    Engels: Schauen wir noch mal auf die Rolle des Staates. Seit zehn Jahren gab es nun Wirtschaftswachstum, weltweit und auch in Deutschland. Das hatte zur Folge, dass Bund, Länder und Kommunen immer wieder zusätzliche Milliarden-Einnahmen hatten aufgrund der sprudelnden Steuern. Hat der Staat in dieser Zeit auch verlernt zu sparen?
    Lämmel: Das ist eine gute Frage und da gehen die Meinungen sicherlich weit auseinander. Meine persönliche Meinung ist, dass das Sparen der Staat weder erfunden, noch gelernt hat. Das ist auch meine Sorge insgesamt, dass die guten Jahre, die wir jetzt hatten und haben, nicht dazu genutzt werden, um entsprechende Reserven auch für die Zukunft anzulegen, sondern dass alles Geld, was durch zusätzliche Steuereinnahmen eingenommen wird, im gleichen Moment wieder ausgegeben wird.
    Engels: Derzeit wird ja auch in Berlin stark um Verteilung von Milliarden-Überschüssen gerungen, in Ihrer Regierung – sei es für Sozialsysteme, sei es für Flüchtlingsintegration. Wie groß ist die Gefahr, jetzt zusätzliche Gelder zu versprechen, die man in ein paar Jahren nicht mehr bezahlen kann?
    Lämmel: Diese Gefahr besteht natürlich immer, wenn es um Gelder geht, die langfristig immer wieder anfallen. Zum Beispiel, wenn man in das soziale System mehr Geld steckt, wird das eine langfristige Belastung bleiben. Wir haben ja in Deutschland mittlerweile eine Sozialstaatsquote von 60 Prozent erreicht. Das heißt, 60 Prozent der Gesamtausgaben des Staates fließen in den sozialen Bereich. Diese Quote ist aus meiner Sicht nicht mehr erhöhbar, denn das sind langfristige Lasten und wenn es wirklich zu einer Abschwächung der Wirtschaft kommt und Steuereinnahmen möglicherweise zurückgehen, dann heißt das, diese Belastungen, diese Mittel müssen gezahlt werden, und das heißt dann natürlich weniger Investitionen oder überhaupt weniger freie Mittel. Ich würde hier auch dringend empfehlen, mehr auf der Bremse, auf der Ausgabenbremse zu stehen, weil der Staat eigentlich die Verpflichtung hat, nicht bloß kurzfristig zu wirken, sondern vor allen Dingen auch mittel- und langfristig die Entwicklung im Auge zu behalten.
    "Keine Ausweitung der Hartz-IV-Leistungen"
    Engels: Haben Sie einen konkreten Sparvorschlag für Ihren Bereich?
    Lämmel: Im Bereich der Wirtschaft gibt es sicherlich auch Sparvorschläge. Wir haben das Thema Steinkohle nach wie vor auf der Agenda. Das ist der fast größte Ausgabenposten. Aber der Haushaltsplan für das Wirtschaftsministerium ist so klein; trotzdem kann man alle Ausgaben natürlich durchforsten, wo sind investive Ausgaben, welches sind konsumtive Ausgaben, um dann darüber zu debattieren, ob man diese Ausgaben tätigen muss. Das Verfahren läuft gerade. Aber wie gesagt, die großen Ausgabebatzen, die sitzen in anderen Ressorts.
    Engels: Wenn Sie bei Sozialem kürzen wollen, wo da?
    Lämmel: Na ja, das kann man natürlich jetzt in aller Kürze auch nicht sofort genau beantworten. Aber man muss natürlich die Frage stellen, wie wird zum Beispiel das Thema Rente weiter finanziert. Wir haben jetzt schon einen hohen Milliarden-Betrag, der aus dem Bundeshaushalt in die Rentenkasse fließt. Und wenn man jetzt im Sinne des Rentensystems weitere Verbesserungen erreichen will, dann bleibt immer die Frage, wie finanziert man das und wie finanziert man das demographiefest und wie finanziert man das sicher.
    Auch bei dem Thema Hartz IV bin ich keinesfalls für eine Ausweitung der Hartz-IV-Leistungen, sondern hier müsste man schon noch mal genau sehen, ob bei dieser Lage am Arbeitsmarkt im Moment in Deutschland man nicht mehr Möglichkeiten hat, auch Hartz-IV-Bezieher in Arbeit zu bringen.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.