Korruption
Wenn Einfluss und Macht zur Ware werden

Korruption behindert die wirtschaftliche Entwicklung, zerstört staatliche Strukturen und schürt Misstrauen unter den Menschen. Dennoch ist sie in vielen Ländern der Welt allgegenwärtig. Wie wird sie bekämpft und was sagt der Korruptionsindex aus?

    Illustration: Geld wechselt die Hände von korrupten Geschäftsleuten.
    Korruption ist eine der Geißeln der Menschheit - und trotz vieler Gesetze dagegen wird es sie wohl immer geben. (imago / Ikon Images / Jon Berkeley)
    Fußballfunktionäre, die bei Wahlen ihre Stimme verkaufen, Politiker, die für Geld Gesetze beeinflussen, Beamte, die bei der Ausstellung von Genehmigungen "großzügig" sind und dafür die Hand aufhalten: Korruption hat viele Gesichter. Was macht sie aus, welche Schäden verursacht sie, kann man sie verhindern? Die wichtigsten Fragen und Antworten.

    Was ist Korruption?

    Es gibt viele Definitionen von Korruption, der Begriff ist so schillernd und vielschichtig wie das Phänomen, das er beschreibt. Für die Nichtregierungsorganisation Transparency International ist Korruption "der Missbrauch anvertrauter Macht zum privaten Nutzen oder Vorteil".
    Diese Definition hat den Vorteil, dass sie griffig ist. Andere Versuche, den Begriff zu füllen, sind detaillierter, aber auch deutlich umständlicher. So versteht das Bundeskriminalamt Korruption als "Missbrauch eines öffentlichen Amtes, einer Funktion in der Wirtschaft oder eines politischen Mandats zugunsten eines Anderen" - und zwar "auf dessen Veranlassung oder in Eigeninitiative, zur Erlangung eines Vorteils für sich oder einen Dritten, mit Eintritt oder in Erwartung des Eintritts eines Schadens oder Nachteils für die Allgemeinheit oder für ein Unternehmen".
    Das bundesdeutsche Strafrecht kennt verschiedene Korruptionsstraftatbestände: Dazu gehören unter anderem Missbrauch der Amtsgewalt, Bestechlichkeit und Vorteilsannahme.

    Kann man Korruption messen?

    Anders als bei vielen anderen Straftaten, kennt die Korruption nur Täter auf beiden Seiten und keine unmittelbaren Opfer. Derjenige, der besticht, ist genauso Täter wie derjenige, der ein Bestechungsgeld annimmt. Weil beide zusammenwirken, werden nur wenige Korruptionsfälle aufgedeckt.

    Strafverfahren als Anzeichen für Rechtsstaatlichkeit

    Deshalb lässt sich beispielsweise aus einem internationalen Vergleich von Kriminalstatistiken kaum etwas darüber ablesen, wie viel Korruption es tatsächlich gibt. Strafverfahren in Sachen Korruption könnten sogar ein gutes Zeichen sein - als Indiz dafür, dass es in einem Land rechtsstaatlich zugehe und Korruption auch ans Licht komme, so Anna-Maija Mertens von Transparency International.
    Das genaue Ausmaß von Korruption in einem Land lässt sich also kaum bestimmen. Transparency International behilft sich deswegen mit einem Trick, um Korruption zu messen: einem Wahrnehmungsindex.

    Was sagt der Korruptionsindex von Transparency International aus?

    Der Korruptionsindex von Transparency International ist das bekannteste Messinstrument für Korruption. Er wird einmal im Jahr veröffentlicht und zuletzt am 31. Januar 2023. Er ist ein sogenannter Wahrnehmungsindex - misst also nicht, wie groß die Korruption in einem Land tatsächlich ist, sondern wie stark Korruption als Problem wahrgenommen wird.

    Unsicherheit trotz vieler Daten

    Transparency International wertet für den Index 13 weltweite Erhebungen zu Korruption in Politik und Verwaltung aus, darunter sind Studien der Weltbank in Washington und der Bertelsmann-Stiftung aus Gütersloh. Diese Studien beruhen auf Befragungen von Experten und Expertinnen – wie Wirtschafts- und Politikwissenschaftler, inländische Unternehmer und ausländische Investoren. Es wird also nicht die Bevölkerung befragt.
    Diese Befragungsdaten sind aber "natürlich mit Unsicherheiten behaftet", sagt Dominik Enste vom Institut der Deutschen Wirtschaft in Köln. Man könne nicht zu 100 Prozent sicher sein, dass der Index das tatsächliche Ausmaß an Korruption widerspiegele. Abschreiben will er den Index deswegen aber nicht: Dieser werde seit vielen Jahrzehnten erhoben und habe sich etabliert - er könne bei der Beschäftigung mit dem Thema zumindest Orientierung bieten.

    Wie hoch ist der Schaden, der durch Korruption verursacht wird?

    Der Schaden durch Korruption kann nur grob geschätzt werden. In der Debatte darüber sind verschiedene Zahlen im Umlauf, die vor allem eines eint: Sie sind in der Regel exorbitant hoch.
    Der Internationale Währungsfonds (IWF) hat den weltweiten Schaden vor einigen Jahren auf jährlich 1,5 bis 2 Billionen Dollar taxiert. Das entspreche einer Schwächung der globalen Wachstumskraft von rund zwei Prozent, hieß es. Es gibt auch Schätzungen, die rund doppelt so hoch sind, das World Economic Forum geht weltweit von etwa 3,6 Billionen Dollar aus.
    Sicher ist: Ein genauer Wert ist kaum zu ermitteln. Das Institut der deutschen Wirtschaft hat für die Bundesrepublik auf Basis einer Unternehmensbefragung aus dem Jahr 2018 Umsatzverluste von über sechs Prozent durch Korruption ermittelt - das waren zu diesem Zeitpunkt rund 412 Milliarden Euro.

    Nur selten entdeckt und geahndet

    Diese geschätzte Schadenssumme ist sehr viel größer als die Summe des tatsächlich strafrechtlich aufgeklärten Schadens. Das BKA beziffert die Schäden in seinem "Bundeslagebild Korruption" für 2021 auf nur 61 Millionen Euro - das ist der Wert, der durch den Nachweis von Straftatbeständen zusammenkam.
    Korruption wird also offenbar sehr selten entdeckt und geahndet. Neben materiellen Verlusten kommen auch immaterielle Schäden hinzu. Vertrauen ist ein wichtiger Wirtschaftsfaktor. Je größer das gesellschaftliche Misstrauen, desto eher tendieren Menschen dazu, nur noch in ihrem eigenen Umfeld – beispielsweise der Familie oder dem eigenen Dorf – Geschäfte zu machen.
    Korruption ist also ein Hemmschuh für Handel und die wirtschaftliche Entwicklung, sie "sorgt für ein schlechteres Gesundheits- und Bildungssystem, zerstört Sozialkapital und schürt so Misstrauen in der Bevölkerung gegenüber Politik und Verwaltung", schreibt Dominik Enste vom IW. Ein Teufelskreis, der schwer zu stoppen ist.

    Welche Bedingungen fördern, welche verringern Korruption?

    Weltweit haben Länder, in denen viel Korruption wahrgenommen wird, mehrere Dinge gemeinsam. Sie sind vor allem geprägt von einem hohen Maß an Armut, sozialer Ungleichheit und haben schwache staatliche Institutionen. Hinzu kommt, dass Korruption in Autokratien deutlich verbreiteter ist als in Demokratien.
    Um diesen Zusammenhang zwischen erodierender Demokratie und Korruptionszunahme zu beobachten, genügt ein Blick nach Ungarn. Seit 2010, seitdem Victor Orbán regiert, nimmt die Korruptionswahrnehmung dort stetig zu. Die Gewaltenteilung zwischen Legislative, Exekutive und Justiz ist beschädigt, seit die Regierung den politischen Einfluss auf die Justiz vergrößert hat. Im Korruptionswahrnehmungsindex steht das Land nun innerhalb der EU auf dem letzten Platz.
    Griechenland und die Ukraine gehen hingegen den umgekehrten Weg. Sie schneiden heute im internationalen Vergleich besser ab als noch vor einigen Jahren.

    Griechenland arbeitet sich vor

    Griechenland rangierte vor einem Jahrzehnt noch auf Platz 94 der 180 von Transparency International erfassten Länder und Gebiete, inzwischen hat sich das Land auf Rang 51 vorgearbeitet.
    Hintergrund sind Reformen, die infolge der schweren Finanzkrise ab dem Jahr 2010 mit den internationalen Geldgebern verabredet wurden. Diese Reformen werden seither eng begleitet, unter anderem von der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung OECD.
    Auch die Ukraine hat einen Sprung nach vorne gemacht. Zwar liegt sie im europäischen Vergleich noch weit hinten, hat aber in den vergangenen zehn Jahren fast 30 Länder im globalen Ranking überholt.

    Digitalisierung der ukrainischen Verwaltung

    Transparency International führt das auf verschiedene politische Maßnahmen zurück: Seit die Verwaltung in der Ukraine digitalisiert ist, können Schmiergelder schwerer unbemerkt über den Schreibtisch gereicht werden. Auch die Schaffung einer unabhängigen Korruptionsbehörde macht sich demnach bemerkbar. Während des russischen Angriffskriegs verloren 2022 mehrere Vize-Minister und Gouverneure wegen Korruptionsverdachts ihre Ämter.
    Grundsätzlich sei Krieg allerdings eher ein Brandbeschleuniger für Korruption, sagt Dominik Enste vom Institut der Deutschen Wirtschaft. Wenn Lebensmittel und andere Güter knapp werden, zahlen Menschen eher Bestechungsgelder, um sich und ihre Familien durchzubringen. Doch die Ukraine steht - besonders wegen der vielen Waffenlieferungen - unter internationaler Beobachtung. Der Druck ist stärker als auf andere Länder - auch, weil das Land EU-Mitglied werden will.

    Welche Länder schneiden im Korruptionsindex gut ab, welche schlecht?

    Der Korruptionsindex von Transparency International für 2022 zeigt nach Ansicht der Nichtregierungsorganisation "eine beunruhigende weltweite Lage": Der weltweite Durchschnitt liege wie schon 2021 bei 43 von 100 Punkten, zwei Drittel aller untersuchten 180 Staaten und Gebiete hätten weniger als die Hälfte der möglichen Punkte erreicht.
    Die Grafik zeigt, für wie hoch Experten und Expertinnen das Ausmaß an Korruption in den verschiedenen Ländern der Welt halten. Den besten Wert erzielt Dänemark mit 90 von 100 Punkten, den schlechtesten Somalia mit 12. Deutschland belegt Platz 9 mit 79 Punkten.
    Ein Hort der Gesetzestreue und Aufrichtigkeit ist Dänemark: Das Land ist mit 90 Punkten Spitzenreiter im internationalen Ranking. "Insgesamt finden sich insbesondere Staaten mit besonders starken rechtsstaatlichen und demokratischen Institutionen auf den vorderen Plätzen", so Transparency International.

    Somalia rangiert am Ende der Liste

    Den letzten Platz belegt hingegen Somalia mit 12 Punkten: "Am Ende des Rankings stehen insbesondere Staaten, in denen staatliche Institutionen zerfallen und die von gewaltsamen Konflikten geprägt sind." Dazu gehörten wie auch schon in den vergangenen Jahren Syrien, Südsudan, Jemen und Libyen.
    Deutschland liegt auf Rang neun, die USA auf Platz 24. Bahamas (30) und Botswana (35) stehen besser da als beispielsweise Italien (41) oder Polen (45). Ruanda (54) rangiert vor Rumänien (63) und China (65). Argentinien und Brasilien liegen beide auf Rang 94, Russland belegt Platz 137.

    Was tut Deutschland gegen Korruption - und was nicht?

    Deutschland steht im internationalen Vergleich hinsichtlich Korruption relativ gut da, weil zum Beispiel Alltagskorruption in Polizei oder Verwaltung hierzulande kaum eine Rolle spielt", wie Transparency International feststellt.
    Zuletzt hatte die Bundesregierung versucht, den Schutz von Whistleblowern - also Hinweisgebern - zu verbessern. Das könnte dazu führen, dass mehr Korruptionsfälle aufgedeckt werden.
    Nach Einschätzung von Transparency International kommt Deutschland dennoch seit zehn Jahren bei der Korruptionsbekämpfung nicht entscheidend voran. Skandale wie die Maskenaffäre oder Cum-Ex hätten zuletzt das Vertrauen in die Integrität von Politik und Wirtschaft geschwächt.
    Trotz wichtiger Reformen wie der Einführung des Lobbyregisters habe Deutschland weiterhin viele Baustellen, meint die Organisation: So sei beispielsweise eine Verschärfung des Gesetzes zur Abgeordnetenbestechung überfällig.
    Transparency Deutschland setzt sich zudem für die Implementierung eines Lobbybeauftragten ein und fordert, die Polizei zu stärken. Strafverfolgungsbehörden und Justiz bräuchten mehr Personal und eine bessere Ausstattung.
    Auch der Europarat hat die Bundesregierung aufgefordert, mehr gegen die Korruption in Deutschland zu tun. Aus einem aktuellen Bericht der Staatengruppe gegen Korruption (Greco) geht hervor, dass Deutschland verschiedene bisherige Empfehlungen des Gremiums nicht oder nicht vollständig umgesetzt hat. In einem Bericht vom Dezember 2020 hatte Greco Deutschland aufgefordert, insbesondere Interessenskonflikte von Bundestagsabgeordneten zu vermeiden.

    Quellen: Ann-Kathrin Jeske, Rodothea Seralidou, ahe, afp